Aleksander Schalck-Golodkowski war der unumschränkte Herrscher über die KOKO. Bei der Bekämpfung der Waffengeschäfte der DDR Organe und Organisationen geht es ZERV 115 so, wie es anderen Kommissariaten bei Untreuedelikten und Wirtschaftsstraftaten geht. In den überwiegenden Fällen scheitert die strafrechtliche Verfolgbarkeit an der Prämisse, dass nur verfolgt werden kann, was zur Tatzeit auch im Strafrecht der DDR als kriminelles Unrecht festgeschrieben war.
Letztlich kommt es durch des Zaren Schalck-Goldkowski Eitelkeit und seinem Verstoß gegen die von den Allierten und auch seinem Staat ratifizierten Bestimmungen über den Devisenverkehr zwischen Ost und West zu seiner ersten Verurteilung. Sie soll gleichzeitig die letzte bleiben, weil ein renommierter Gutachter aus der Schweiz im danach Verhandlungsunfähigkeit attestiert. Ein Schelm ist, der Böses dabei denkt, wenn Zar Aleksander auch nach Rechtskraft des Urteils körperlich und geistig in der Lage ist mit Spitzen aus der bundesrepublikanischer Politik und Wirtschaft im fernen China Geschäfte anzubahnen.
Puzzlespiele in Ermittlungsverfahren der ZERV
Bokolic ist es aus seinem Berufsalltag schon lange gewohnt, dass andere Behörden und Institutionen, selbst Sicherheitsbehörden nur widerwillig mit den Ermittlungsbehörden kooperieren. Trotzdem überkommt ihn auch während der nun anlaufenden Ermittlungen mehr als einmal ein Gefühl des Zorns und der Ohnmacht angesichts solcher hirnrissigen und teilweise sogar rechtswidrigen Widrigkeiten. Zar Aleksander verfügt über eine Barkasse, genau wie sein Stellvertreter der, weil auch mit Kirchenfragen betraut, allgemein nur der Patriarch oder Pope genannt wird. Um Quittungen und Belege, die für eine ordentlich geführte Barkasse auch im Bereich des Zaren vonnöten sind, ist innerhalb der Ermittler und Staatsanwälte ein heißer Streit entbrannt. Jeder glaubt, ohne Beweisführung, die vorgefundenen Quittungen irgendeinem seiner Vorgänge zuordnen zu müssen. Mit Mühe und Not gelingt es letztendlich Bokolic nach längeren Verhandlungen nicht nur eine Auflistung der Zahlungen aus der Barkasse einsehen zu dürfen, sondern auch die hierzu gehörenden Originalquittungen und Belege. Bevor die Quittungen bei der Staatsanwaltschaft wieder in den Untiefen anderer Ermittlungsvorgänge verschwinden hat Bokolic die für sein Verfahren infrage kommenden Originale fotokopiert und erfasst diese mit allen daraus ersichtlichen Angaben in seinem Computer. An der nicht nachvollziehbaren staatsanwaltschaftlichen Zuordnung einzelner Belege und Quittungen zu ihm unbekannten Ermittlungsverfahren kann er jedoch vorerst nicht rütteln. Neben der AG BKK haben sich noch zwei weitere Stasi Diensteinheiten mit Person, Umfeld und Umtrieben des Büchsenmachers Kutscher beschäftigt. Auch mehrere Personen aus seinem Umfeld, darunter auch ein höherer Westberliner Schutzpolizist sowie der ehemalige Leiter einer technischen Diensteinheit der Polizei sind zumindest mit entsprechenden Karteikarten bei den Stasibehörden erfasst. Wer nun glaubt, Anfragen von Polizeibehörden in laufenden Ermittlungsverfahren werden bevorzugt bei der Gauck Behörde behandelt, der irrt gewaltig. Alles geht zwar seinen gesetzmäßigen Gang aber nur nach ausdrücklichem Plazet der ausschließlich „Im Interesse der Bundesrepublik Deutschland“ handelnden Vorkontrolleure. Dies steht so in keinem Gesetz aber es entspricht der gängigen von Regierung und Bundesbehörden abgesegneten Praxis. So erscheint es Bokolic im Nachhinein fraglich, ob es trotz eindeutiger Karteikarten keinerlei Stasiakten zu bestimmten im Verlauf des Verfahrens auftauchenden Personen gibt. Für Bokolic bleibt hierbei nur festzustellen, dass diese entweder verschollen oder durch entsprechenden Vermerk für ihn und die Ermittlungsbehörden gesperrt sind. Weitere Abklärungen des Büchsenmachers sind notwendig bei Melde-, Gewerbe- und Passämtern, den Ämtern, die für Zuverlässigkeitsüberprüfung, die Ausstellung seiner Waffenerlaubnisscheine und Waffenhandelsbücher zuständig sind, einschließlich der vormals in Westberlin zu beteiligenden Kontrollinstanzen der Alliierten. Mehrere eingestellte Ermittlungsverfahren wegen Waffendelikten gegen Kutscher und einen seiner Angestellten, auch eine Akte der Steuerfahndung sind beizuziehen. Selbst bei der Spielbank Berlin gibt es Unterlagen zu dem Spieler Kutscher. Obwohl die Anfragen unter Bezug auf das Ermittlungsverfahren durchaus gesetzeskonform und durchaus unter Zustimmung der Staatsanwaltschaft und teilweise über diese direkt erfolgen, sind Bedenkenträger und Formalisten überall am Werk. Da wird von Daten- Mandanten- und Vertrauensschutz gefaselt, von Kundeninteresse und Steuergeheimnis. Sie spielen alle mit verdeckten oder gezinkten Karten und öfter, als es Bokolic lieb sein kann, weil sie befürchten müssen, bei einer lässlichen oder auch nicht verzeihlichen Verwaltungssünde ertappt zu werden. Letztendlich gelingt es Bokolic und seinen Mitstreitern, trotz all dieser Spielchen, die meisten für die Ermittlungen notwendigen Unterlagen und Erkenntnisse beizuziehen. Kollege Rolf ist mit Mitstreitern nach Monaten Schreibtischarbeit mit der Verkaufswegfeststellung für rund zweitausend sichergestellter Handfeuerwaffen aus Kellern des Zaren Aleksander in der Wallstraße zu einem vorläufigen Ende gelangt. Nicht einfach ist die Verkaufswegfeststellung, da die Hersteller der Waffen über die westliche Welt verstreut sind und Antworten auf Interpolanfragen oftmals nicht direkt zu einem klaren Ergebnis führen. Eines stellt sich jedoch jetzt schon klar heraus: Viele der in den Kellern der KOKO sichergestellten Waffen gehören zu Lieferungen, bei denen nur wenige der, ausweislich der Verkaufswegfeststellungen, gelieferten Waffen sichergestellt werden. Dies mag daran liegen, dass nur Waffen aus dem Bestand einiger bestimmter Sicherheitsorgane vor dem Ende der DDR an den Bereich KOKO zurückgegeben werden. Viele der Waffen, die zu Spezialeinheiten der Staatssicherheit, wie auch zu Einheiten der Nationalen Volksarmee, der Auslandsaufklärung der Hauptverwaltung Aufklärung sowie des Militärischen Nachrichtendienstes der DDR gelangen, sind ebenso unauffindbar, wie Waffen die zu „wissenschaftlichen Zwecken“ zur SWT gelangen. Bei Lieferungen, die über Drittfirmen im Ausland erfolgten, muss zudem noch geklärt werden, wer der eigentliche Besteller und damit möglicherweise strafrechtlich Verantwortliche ist und wie Bestellung, Lieferung und Bezahlung erfolgt sind. So beginnt die eigentliche Ermittlungsarbeit erneut. Während Bokolic mit seinen Kollegen über Umwege bei Zeugen aus dem Bereich der ehemaligen DDR-Zollüberwachung versucht die Lieferwege der Kutscher zugeschriebenen Waffen im Interzonenverkehr aufzuklären, ist Reinhardt dabei die KOKO - und Interflug Unterlagen der Flüge von Wien nach Schönefeld zu sichten und stellt dabei fest, dass die Lieferungen über Österreich an eine real nicht existierende Firma „Petrov Buldim“ zwar in der Regel nirgendwo im Bereich des Zaren durch Fracht- Zoll- oder Lieferpapiere und Rechnungen dokumentiert sind, jedoch mit exakten Angaben über die Anlieferfirma, den Empfänger in der DDR, der Paketstückzahl und der Gewichtsangabe einschließlich der Frachtrechnung bei der Interflug festgehalten sind. Die entsprechenden Zahlungsbelege sind auch bei der KOKO in die Buchhaltung eingegangen. Soweit hat weder die Staatssicherheit noch der Bereich KOKO gedacht, dass auch diese reinen „Verwaltungsakte“ für eine spätere Rekonstruktion und Beweisführung von Nutzen sein könnten.