Sicherheit und Ordnung, Gefahrenabwehr: Polizeirecht und -organisation

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Polizei  im materiellen Sinn ist die staatliche Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, d. h. der Schutz aller Rechtsgüter und der Rechtsordnung insgesamt; Polizei im formellen Sinn sind die gesetzlich so bezeichneten Polizeibehörden. Die meisten Bundesländer unterscheiden zwischen der allgemeinen Ordnungsverwaltung und den Polizeibehörden, die den Polizeivollzugsdienst mit der Schutzpolizei und der Kriminalpolizei umfassen.
Nach der Ordnung des GG steht die Kompetenz zur Regelung des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts den Ländern zu. Das Grundgesetz hat dem Bund in zahlreichen Bereichen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zugewiesen. Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitzt der Bund bei Pass-, Melde- und Ausweiswesen, Grenzschutz, Luft- und Eisenbahnverkehr, internationale Terrorismusbekämpfung durch das Bundeskriminalpolizeiamt Zusammenarbeit des Bundes und der Länder u.a. in der Kriminalpolizei und im Verfassungsschutz, Waffen- und Sprengstoffrecht, Schutz gegen Gefahren im Zusammenhang mit Kernenergie. Entsprechend hat der Bund nur begrenzte Polizeigewalt. Eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz ist dem Bund im Vereinsrecht, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer, Gewerberecht, Bodenschutz, Gesundheitsrecht, Lebensmittelrecht, Tierschutz, Straßenverkehrsrecht, Abfall- und Emissionsschutzrecht, Gentechnik- und Transplantationsrecht, Jagdrecht und Wasserhaushaltsrecht zugewiesen.

 In Nordrhein-Westfalen sind die Gemeinden die örtlichen Ordnungsbehörden, die Kreise und kreisfreien Städte Kreisordnungsbehörden und die Bezirksregierung (Regierungspräsidenten) Landesordnungsbehörden.
Untere Polizeibehörde sind die Landräte als untere staatliche Verwaltungsbehörde und in den kreisfreien Städten die Polizeipräsidien; höhere Polizeibehörden sind die Bezirksregierungen (Regierungspräsidenten) und das Landeskriminalamt; daneben besteht die Bereitschaftspolizei. Der Polizeivollzugsdienst ist überall entkommunalisiert, er wird vom Land, nicht von den Gemeinden wahrgenommen.

 Polizeiliche Aufgaben und Befugnisse

 Gefahrenabwehr: Hauptaufgabe ist die Gefahrenabwehr. Dem Polizeivollzugsdienst ist darüber hinaus die Mitwirkung bei der Verfolgung strafbarer Handlungen und Ordnungswidrigkeiten übertragen; sie beruht auf den Vorschriften der StPO (§ 163 u. a.) und dem Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten. Ein bestimmter Kreis von Polizeibeamten hat als Hilfsbeamte/Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 Gerichtsverfassungsgesetz) besondere Befugnisse (besonders bei Durchsuchungen und ähnlichen Eingriffen).

 

 Verteilung der Aufgaben zwischen der Polizei und der Ordnungsverwaltung

 Im Bereich der Gefahrenabwehr hat die Polizei in eigener Zuständigkeit tätig zu werden, „soweit ein Handeln der anderen Behörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint“. Im Verhältnis zur Ordnungsverwaltung wird damit festgelegt, dass die Polizei grundsätzlich nur subsidiär zuständig ist. Diese nur subsidiäre Zuständigkeit der Polizei wird als „Eilkompetenz“ oder „Recht zum ersten Zugriff“ bezeichnet. Die Eilkompetenz wird dann relevant, wenn Einsätze außerhalb der Dienstzeiten der Ordnungsverwaltung erforderlich sind oder wenn die Behörden möglichst schnell vor Ort sein müssen. Ob eine polizeiliche Maßnahme als präventive Bekämpfung einer künftigen Straftat und damit dem Bereich der Gefahrenabwehr oder als repressive Verfolgung einer Straftat dem Bereich der Strafverfolgung zuzuordnen ist, bestimmt sich nach dem Zweck der betreffenden Maßnahme. Um zu verhindern, dass die Polizei bei den doppelfunktionalen Maßnahmen verschiedenen Regelungssystemen unterworfen ist, wird der Schwerpunkt der Maßnahme anhand ihres objektiven Zwecks nach dem Gesamteindruck der Maßnahme ermittelt Bei der Gefahrenabwehr ist somit die Vollzugspolizei nur insoweit zuständig, als die allgemeinen Ordnungsbehörden oder die Sonderordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig handeln können. In ähnlicher Weise obliegt der (Vollzugs-)Polizei der Schutz von privaten Interessen und Rechten nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des privaten Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.

 

Ermächtigungsgrundlage und Opportunitätsprinzip

 für das Handeln der Ordnungs- oder Polizeibehörden und der Vollzugspolizei ist die Generalklausel, sofern nicht spezielle gesetzliche Ermächtigungen  in Betracht kommen. Die Generalklausel gibt den Ordnungsbehörden die Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr oder Beseitigung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu treffen. Eine Gefahr besteht bei hinreichender Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Ein Einschreiten erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen (Opportunitätsprinzip); der Einzelne hat keinen Anspruch auf Einschreiten, es sei denn, er wird in hochrangigen Rechtsgütern (Leben, Gesundheit) unmittelbar gefährdet. Die Maßnahmen unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; unter mehreren Maßnahmen ist diejenige anzuwenden, die die Allgemeinheit oder den Einzelnen am wenigsten beeinträchtigt, und schließlich darf der zu erwartende Schaden nicht in Missverhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen.

 Maßnahmen und Mittel

 Eine Reihe häufig vorkommender polizeilicher Maßnahmen, die stärker in Grundrechte eingreifen, sind in den Polizei- und Ordnungsgesetzen speziell geregelt. Zu diesen gehören: Befragung und Datenerhebung, Vorladung ggf. zwangsweise Vorführung, Identitätsfeststellung, Mitnahme zur Dienststelle (Sistierung), erkennungsdienstliche Maßnahmen, Observation, verdeckter Einsatz technischer Mittel, Einsatz verdeckter Ermittler, Rasterfahndung, Platzverweisung, Ingewahrsamnahme, Durchsuchung von Personen, Sachen und Wohnungen sowie Sicherstellung. Die genannten Maßnahmen sind nur zulässig, wenn die im Gesetz beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Adressat polizeilichen Handelns bei der Gefahrenabwehr:

 Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind gegen den Störer zu richten. Störer ist, wer durch sein Verhalten die Gefahr verursacht (Verhaltensstörer), aber auch derjenige, der Eigentümer einer Sache ist, von der die Gefahr ausgeht, oder der die tatsächliche Gewalt über diese Sache ausübt (Zustandsstörer). Auf Verschulden kommt es nicht an. Nichtstörer dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn eine gegenwärtige Gefahr nicht anders abgewehrt werden kann polizeilicher Notstand. Den Ordnungs- und Polizeibehörden ist gesetzlich außerdem die Befugnis verliehen, Verordnungen zur vorausschauenden Abwehr künftiger Gefahren zu erlassen. Ordnungs- und polizeibehördliche Gebote und Verbote können notfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden.
Zwang kann auch ohne vorausgehende Verfügung angewendet werden, wenn dies zur Gefahrenabwehr notwendig ist. Zwangsmittel sind die Ausführung einer gebotenen Handlung auf Kosten des Pflichtigen durch die Behörde selbst oder einen von ihr beauftragten Dritten (Ersatzvornahme), die Festsetzung eines Zwangsgeldes und die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt und durch Waffen (unmittelbarer Zwang). Der Waffeneinsatz ist in den Polizeigesetzen ausführlicher geregelt. Bei Ordnungswidrigkeiten ist neben gebührenfreier die gebührenpflichtige Verwarnung zulässig. Polizei- und Ordnungsbehörden können auch Bußgelder verhängen (Bußgeldverfahren).

 Rechtsschutz im Polizei- und Ordnungsrecht

 Für den Rechtsschutz gelten keine Besonderheiten. Verwaltungsakte sind durch Widerspruch und Anfechtungsklage, Realakte durch allgemeine Leistungsklage angreifbar. Polizeiliche Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung sind grundsätzlich mit den Rechtsmitteln der StPO oder als sogenannte Justizverwaltungsakte angreifbar.

 Gesetzliche Grundlagen

 Allgemeine Polizei- und Ordnungsgesetzgebung in Nordrhein-Westfalen
Das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW),
das Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen (POG NRW),
sowie das Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz (OBG) erlassen. Für die Verwaltungsvollstreckung durch die Ordnungsverwaltung gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW).

 Aufbau und Struktur der Polizei- und Ordnungsverwaltung in NRW-

 In Nordrhein-Westfalen ist die Wahrnehmung der Aufgaben der Gefahrenabwehr auf verschiedene Verwaltungsorganisationen, nämlich die Polizeiverwaltung einerseits und die Ordnungsverwaltung andererseits, verteilt. Dementsprechend müssen Aufbau und die Struktur der Polizeiverwaltung und der Ordnungsverwaltung andererseits stets getrennt betrachtet werden. Die Organisation der Polizeiverwaltung ist im POG NRW geregelt. Träger der Polizeiverwaltung ist das Land Nordrhein-Westfalen. Als Polizeibehörden nennt das POG NRW das Landeskriminalamt das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste, das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei. Die Aufsicht (Dienst- und Fachaufsicht) führt das Innenministerium über alle Polizeibehörden. In dienstrechtlichen Angelegenheiten führt das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei die Aufsicht über Kreispolizeibehörden. Das Innenministerium kann einer Polizeibehörde durch Rechtsverordnung für einen Aufgabenbereich die Aufsicht über andere Polizeibehörden oder -einrichtungen übertragen. Außerdem kann es einer Polizeibehörde die Weisungsbefugnis gegenüber anderen Polizeibehörden übertragen.
Die Organisation der Ordnungsverwaltung ist im OBG geregelt. Danach nehmen die Gemeinden, vertreten durch die örtlichen Ordnungsbehörden sowie die Kreise die Aufgaben der Kreisordnungsbehörden als „Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung“ wahr. Die Bezirksregierungen sind Landesordnungsbehörden. Der Landrat führt als untere staatliche Verwaltungsbehörde die Aufsicht über die örtlichen Ordnungsbehörden in den Kreisen, die Bezirksregierung die Aufsicht über die kreisfreien Städte als örtliche Ordnungsbehörden und über die Kreisordnungsbehörden. Die Bezirksregierung ist gleichzeitig obere Aufsichtsbehörde über die kreisangehörigen Gemeinden als örtliche Ordnungsbehörden, das jeweils zuständige Ministerium ist oberste Aufsichtsbehörde.