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Organisierte Kriminalität eine Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft?

Zweifellos stellt dieses Phänomen eine der größten Bedrohungen unserer Gesellschaft dar. Doch wollen wir überhaupt wissen, was dieses Phänomen eigentlich ist? Wollen wir außerhalb aller Vorurteile über dieses Phänomen uns damit auseinandersetzen was es in unserer Gesellschaft anrichtet?
Die offizielle deutsche Definition organisierter Kriminalität wird der Bandbreite von kriminellen Strukturformen gerecht, indem sie keine Anforderungen an Organisationsstrukturen stellt. Auf Dauer angelegtes, arbeitsteiliges Zusammenwirken von mindestens drei Personen ist das einzig erforderliche um von Organisierter Kriminalität zu sprechen. Organisierte Kriminalität ist vor diesem Hintergrund im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Eliten, die ihre Interessen mit kriminellen Mitteln verfolgen, eine Bedrohung. Das Gegenmittel ist die Kombination aus starker Zivilgesellschaft, aufmerksamen Medien und gut funktionierenden Sicherheitsbehörden, die an Recht und Gesetz gebunden sind.

In Fachkreisen wird seit Jahren um die „richtige“ Definition gerungen. Sowohl die Organisation von Straftaten als auch die von Straftätern lassen sich als Problemlösungsstrategien Krimineller begreifen.

Was also ist Organisierte Kriminalität? Die Antwort auf diese Frage ist nicht leicht, denn es handelt sich jedenfalls nicht um ein für unbefangene Beobachter klar abgrenzbares Phänomen. Rockerbanden Mafiosi, Menschenhandel, Drogenhandel, und andere Erscheinungen, die nach der einen oder anderen Auffassung dazu gehören, fügen sich nicht von selbst zu einem kohärenten Gesamtbild zusammen.

Nach anderer Auffassung sind nicht Straftaten organisiert, sondern Straftäter. Der Begriff „Organisierte Kriminalität“ soll sich danach auf kriminelle Organisationen beziehen, zum Beispiel auf „Gruppen“ mit „formaler Struktur“, wie es in der Definition der US-Ermittlungsbehörde FBI heißt. Die Grenze zwischen organisierter und nicht-organisierter Kriminalität ist irgendwo zwischen den Extrempunkten sozial isolierter Einzeltäter und komplexer Zusammenschlüsse von Straftätern zu ziehen.

Nach einer dritten Auffassung ist das zentrale Moment Organisierter Kriminalität die Ausübung von Macht, in einer Allianz von Kriminellen und gesellschaftlichen Eliten. Im ersten Fall spricht man von „illegal governance“. Dabei geht es um die Regulierung gesellschaftlicher Sphären, die der Staat entweder aus prinzipiellen Gründen nicht regulieren will, zum Beispiel illegale Märkte und kriminelle Milieus, oder nicht regulieren kann, weil ihm die notwendigen Ressourcen fehlen. Im zweiten Fall spricht man von Organisierter Kriminalität als systemischem Zustand, gekennzeichnet durch die Korrumpierung der verfassungsmäßigen Ordnung im Zusammenwirken von Unterwelt, Wirtschaft und Politik. Nach dieser Sichtweise liegt die Grenze zwischen organisierter und nichtorganisierter Kriminalität zwischen anarchischen kriminellen Milieus ohne jegliche Ordnung und der Ausübung von Macht durch Kriminelle in kleinerem oder größerem gesellschaftlichem Rahmen.

Es ist müßig sich darüber zu streiten, denn es gibt keine Grundlage, auf der diese Fragen beantwortet werden könnten.

Um die Phänomene zu verstehen, ist eine differenzierte Betrachtungsweise notwendig, jenseits der Klischees, die von Medien reproduziert werden. Sowohl die Organisation von Straftaten wie auch die Organisation von Straftätern lassen sich als Problemlösungsstrategien interpretieren und nicht als Produkt einer Verschwörung.

Die Organisation von Straftätern lässt sich am besten verstehen, wenn man fragt, welchen Bedürfnissen bestimmte kriminelle Strukturen gerecht werden. Fünf Grundbedürfnisse von Kriminellen lassen sich unter- scheiden:

  Zugang zu Ressourcen, die die Begehung von Straftaten ermöglichen oder erleichtern,

  eine Ideologie zur Rechtfertigung kriminellen Verhaltens,

  sozialer Status,

  Sicherheit vor Strafverfolgung,

  Sicherheit vor anderen Kriminellen.

 

Es hilft, wenn man kriminelle Strukturen nach Funktionen unterscheidet und in drei Typen einteilt: ökonomische, soziale und quasi-staatliche.

Ökonomische kriminelle Strukturen dienen unmittelbar der Erzielung von materiellem Gewinn. Straftäter wirken insbesondere zusammen, um Eigentums- und Vermögensdelikte zu begehen oder illegale Güter und Dienstleistungen anzubieten. Durch die Zusammenarbeit kann die Begehung von Straftaten erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht werden.

Es gibt unterschiedliche Strategien, mit denen sich Straftäter schützen. Mit dem Umfang krimineller Taten nimmt die Größe von Tätergruppierungen auch deren Heterogenität zu. Wer im großen Maßstab Straftaten begeht, wird mit Straftätern kooperieren müssen, zu denen keine Vertrauensbeziehung besteht. Die Anwendung von Gewalt eskaliert jedoch leicht. Deshalb gibt es Mechanismen zur Konfliktschlichtung. Einer dieser Mechanismen ist Bildung von Straftätervereinigungen. Dabei handelt es sich um kriminelle Strukturen, die in erster Linie soziale Funktionen erfüllen. Sie sind durch Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer Mitglieder und die Verpflichtung zu Rücksichtnahme und gegenseitiger Hilfe gekennzeichnet. Beispiele: Mafia-Organisationen chinesischen Triaden, japanische Yakuza-Gruppen, Diebe im Gesetz in der Sowjetunion sowie Rockerbanden wie Hells Angels.

Ähnliche Mechanismen der Konfliktschlichtung können sich innerhalb ganzer krimineller Milieus entwickeln. In der reinsten Ausprägung bilden sich quasi-staatliche Strukturen in der Weise, dass eine Gruppierung verbindlich festsetzt, wer welche illegalen Aktivitäten ausüben darf. Damit werden Konkurrenzsituationen vermieden und die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten reduziert. Diese Art der Regulierung trägt dazu bei, unliebsame Aufmerksamkeit seitens der Medien und der Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden.

Quasi-staatliche Strukturen können auf der Grundlage von Vereinbarungen geschaffen werden. Sie können auch dadurch entstehen, dass sich eine kriminelle Gruppierung im Machtkampf gegen andere kriminelle Gruppierungen durchsetzt. Dann ist die Ausübung quasi-staatlicher Macht typischerweise mit der Erhebung von Abgaben verbunden. Kriminelle müssen dann einen Teil ihrer Erlöse als eine Art „Unterwelt-Steuer“ abführen. Langfristig sind quasi-staatliche Strukturen jedoch, ebenso wie der Staat, auf Legitimation angewiesen, also auf das Gefühl der Machtunterworfenen, dass die Machtausübung eine Berechtigung hat. Unter bestimmten Bedingungen kommt es vor, dass quasi-staatliche Strukturen sich über kriminelle Milieus auf Bereiche der legalen Gesellschaft ausdehnen, die vom Staat nur begrenzt oder gar nicht reguliert werden. Das ist der Fall in wettbewerbsintensiven Wirtschaftsbranchen, wenn kriminelle Gruppierungen Kartellabsprachen herbeiführen. Es kommt sogar vor, dass Funktionen der Konfliktschlichtung, von Einzelpersonen wahrgenommen werden, die über ein entsprechendes Prestige verfügen. Seltener können kriminelle Strukturen sowohl die Funktion eines illegalen Unternehmens als auch soziale und quasi-staatliche Funktionen erfüllen.