Endstation im Pott

 

 2012 Der Umzug ins „Heiligen Land“

 

Wie Ihr alle wisst, sind wir im Sommer dieses Jahres vor den Turmbauten zu Babel - Berlin geflüchtet (womit nicht nur der nicht eröffnete Flughafen BER gemeint ist) und haben uns im Land unserer Väter – das heißt zumindest im Vater-Mutter-Heimatland meiner Frau niedergelassen. Warum aber nenne ich unsere neue Heimat „Das Heilige Land“?

Vordergründig erschließt sich dies aus mehreren Indizien: Ureinwohner tragen hier seit altersher durchweg biblische Vornamen. Bei den Männern wird angefangen mit Abraham und es geht weiter über die heiligen Georg, Josef, Johannes, Markus, Martin, Timotheus, Thomas, Sixtus und Vincent bis hin zu Zacharias; bei den Frauen von Anna über Elisabeth, Esther, Hildegard, Johanna, Magdalena, Maria, Miriam, bis Tabea.

Das Straßen und Plätzeverzeichnis für Haltern weist aus: Alter Kapellenweg, An der Kirche, An der Marienkirche, Antoniusstrasse, Erzbischof– Buddenbrockstrasse, Kapellenstrasse und –weg, Kardinal von Galenstrasse, Kirchstrasse, Kirchgasse, Kirchweg, Muttergottesstiege, Pastoratsweg, Prozessionsweg, Sixtusstrasse. St. Florianstrasse bis hin Zu Pastors Kamp.

Auch soziale Einrichtungen sind dem  angepasst: Krankenhäuser St. Vincent und St. Sixtus; Altenheime St. Anna, St. Sixtus; daneben Kindergärten: Heilig Kreuz, St. Andreas, - Antonius, - Joseph, - Lambertus, - Laurentius, - Maria-Magdalena, - Marien und – Sixtus.

Kapellen, Kreuze und religiöse Statuen am Wegesrand und in der Feldflur verstärken diese Indizien weiter und die Gespräche mit Ureinwohnern jenseits und diesseits der Lippe beweisen es endgültig: Wir wohnen nunmehr im „Heiligen Land“.

Die Lippe wird seit mehreren Jahrhunderten von den Ureinwohnern als „der Jordan“ bezeichnet, wobei beiderseits des Flusses Einigkeit darüber besteht, dass das Gebiet südlich des Jordan  als diesseits und unsere neue Heimat als jenseits des Jordans bezeichnet wird. Somit ist die Lippe wie im Nahen Osten eine Trennungslinie zwischen Völkern gleicher Abstammung und Herkunft. Wie auch dort entstammen Traditionen und Gebräuche den gleichen Quellen und trotzdem unterscheiden sie sich auch heute noch. Unsere Regionalzeitung wird diesseits und jenseits des Jordan als „Die schwarze Paula“ bezeichnet, dies nicht wegen der Druckfarbe, sondern vielmehr wegen des Münsteraner bischöflichen Einflusses und wegen des Vornamens einer bekannt gewordenen bischöflichen „Haushälterin“. Diesseits des Jordan wird hingegen das Regionalblatt „Die roten Ruhrbarone“ bevorzugt.

Wenn ihr uns nun bedauert, dass wir in einem stockkonservativen Umfeld unter dem inquisitorischen Regime eines Bischofs leben müssen, dem sei gesagt, dass es nach der Zeit der Hexenverbrennungen – es fanden im Gerichtsbezirk Haltern über 170 Hexen entweder einen nassen Tod in der Lippe oder einen heißen Tod auf dem Scheiterhaufen – keine Inquisition mehr gab. Der großen Nachbarschaft ist es egal, ob man überhaupt einer oder zu welcher Religionsgemeinschaft man sich zugehörig fühlt, man achtet und versteht sich, feiert gemeinsam die Feste, wie sie fallen und lässt im Übrigen den Pfarrer in der Kirche im Dorf, den Bischof im Dom zu Münster und den Papst im Vatikan sich selbst verwirklichen.

Darüber hinaus haben wir den Vorteil, dass wir dank unseres Berliner Autokennzeichens jederzeit ohne Visum oder Ausreiseantrag den Jordan überqueren können und somit von den hier wie dort unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen profitieren.

Nun wird es aber höchste Zeit, mit Franz Josef und Rita, unseren alternativen Nachbarn zur Linken die „Lebende Krippe“ im Lippramsdorfer Heimathaus zu besuchen. Wir sind nur auf eines gespannt: Wer wird neben Ochs, Esel und Schafen, neben Maria, Josef, den Hirten und heiligen Königen als „lebendes Christuskind“ in der Krippe liegen? Daneben freuen wir uns natürlich auf Glühwein und Deftiges vom Grill und wünschen Euch Allen: Ein frohes friedliches Weihnachtsfest und ein „gesegnetes“ Neues Jahr.