Auf der Straße nach Lyon

 

Der Trip nach Südfrankreich neigt sich dem Ende zu. Bokolic hat mit seinen Kameraden eine schöne Zeit in Avignon und danach noch im Rhonedelta verbracht. Seine Kameraden sind nicht mit in die Camargue gefahren, sie haben es vorgezogen weiter auf der „Ile du Rhone“ mit Janine und Fifi baden zu gehen. Danach sind sie vor der Rückkehr von Bokolic wieder nach Hause aufgebrochen. Bokolic hat die Camargue genossen. Danach trampt er immer wieder von der großen rue nationale nach rechts und links abweichend, das Rhonetal aufwärts bis kurz vor Lyon. Auf dem letzten Stück nach Lyon hinein nimmt ihn ein Algerier auf dem Rücksitz seines Motorrades mit. Da Bokolics Geldbeutel gähnende Leere aufweist, ist er dankbar, als dieser ihn zu sich und seinen Kameraden in eine barackenähnliche Unterkunft einlädt. Das Essen ist gut, reichlich aber gewöhnungsbedürftig. Der Rotwein schmeckt wie immer gut. Danach klettert Bokolic todmüde in seinen Schlafsack. Den Rucksack benutzt er als Kopfkissen. Die Algerier sitzen noch in der Runde und palavern vor sich hin. Irgendwann in der Nacht wird Bokolic wach und spürt, dass eine Menschengestalt sich über ihn gebeugt hat, denn dessen Alkoholfahne weht ihm heiß und aufgeregt ins Gesicht. „Pst, la gendarmerie, tais toi“. Bokolic knurrt „Ja ich bin ja schon still.“ Es vergeht eine Zeit, danach donnern Stiefel gegen die Tür, diese springt auf, und im Nu sind die Algerier entweder festgenommen oder durch die offenen Fenster geflüchtet. Bokolic wird mit Schlafsack und Rucksack in eine der „Sardinenbüchsen“ genannte Citroen-Wellblechbusse geworfen und landet auf einem Vorortrevier von Lyon. Nachdem er seinen Ausweis vorzeigt, der ihn als Saarländer ausweist, schimpft der Wachhabende laut vor sich hin: „Diese Scheißdeutschen, Nazibrut, diese salle boche eben“. Bokolic muss letztlich zugeben nicht im Besitz der obligatorischen fünfzig Altfrancs zu sein, die jeden normalen Menschen von einem Landstreicher unterscheiden. Also wird er als Landstreicher behandelt, gleichgültig wie jung er auch sein mag. Er landet in einer der berüchtigten französischen Polizeizellen. Dort kann jeder ohne jeden Rechtsbeistand auch heute noch für acht Tage in der Polizeihaft verschwinden. Wasser und trockenes Brot sowie die morgendlichen Schläge auf seinen Rücken mit der Bemerkung „salle boche“ sind für die nächsten sieben Tage die einzigen Rationen, die Bokolic bekommt. Am achten Tage endlich holt ihn eine freundliche Dame von der saarländischen Handelsvertretung auf der Wache ab. Im Konsulat darf er sich zuerst einmal waschen und danach solange von den aufgetischten Köstlichkeiten essen und trinken, bis ihm fast schlecht wird. Diese Dame und der hinzukommende Konsul klären Bocolic auch darüber auf, warum alle Deutsch sprechenden Personen so lange nach dem Kriege in Lyon noch als Unpersonen angesehen werden. Sie zeigen ihm die Bilder von den Verwüstungen und den Leichen, die von den SS-Schergen in Lyon und der Umgebung hinterlassen wurden. Danach ist Bokolic heilfroh, dass er nur karge Kost einige derbe Schläge und auf den Rücken erhalten hat. Nachdem er mit einem „Landstreichervermeidungs-handgeld“ ausgestattet ist, kann Bokolic die Fahrt fortsetzten. Drei Tage später steht er braungebrannt, schmutzig und spindeldürr vor seiner Mutter. Jahre später noch erzählen sich die Kameraden gegenseitig ihre Abenteuer von dem berühmt berüchtigten Frankreichtrip.