Saarreviere, Geschichten über erste Liebe, Beruf und Freundschaften

Saarbrücken, mit seinen Saarrevieren, Bahnhof, Reppertsberger Krankenhaus, Sankt Johanner Markt, und Saarufer wurde auf meiner Reise ins Leben zur zweiten Heimat. All diese Reviere gibt es so nicht mehr und doch lebt die Erinnerung daran fort.

Die Heimat meiner Kindheit habe ich bereits geschildert. Es ist eine Heimat gewesen, wie es sich gehört. Ein Flüsschen, ein Bach, Täler durch die sie fließen, darum die Hügel mit rotbrauner Erde, in sattem Grünen die Wiesen, goldgelbe Ähren und Stoppelfelder, Wälder auf den Kuppen wie Haarschöpfe auf den Köpfen die ganze Farbpalette nach den Jahreszeiten durchlaufend und im Tal das Dorf mit den Häusern und Höfen und darin die Tiere und Menschen. Irgendwann habe ich diese Heimat verlassen, habe mich zuerst nur im Geiste, danach auch körperlich immer weiter entfernt, bin später ausgewandert, habe andere Heimaten gesucht, Wahlheimaten, von denen noch zu erzählen ist. Während Dirmingen die Heimat meiner Kindheit, das eigentliche „Zuhause“, geblieben ist, sind die übrigen Wahlheimaten immer auch Spiegelbild meiner unterschiedlichen Lebensabschnitte gewesen. Alle diese Wahlheimaten sind in meinen Erinnerungen mit einzelnen ganz persönlich empfundenen und erlebten Örtlichkeiten und Menschen verbunden. Nicht so sehr das Ganze zählt, mehr die verinnerlichten Einzeleindrücke. Andere mögen von diesen Orten ganz andere Eindrücke mitgenommen haben. Ich glaube jedenfalls, dass die Verflechtung von persönlichem Erleben und den Schauplätzen, an denen sich dies zugetragen hat, zu einer inneren Bindung führt, die uns in einigen Fällen von Heimat sprechen lässt. Meine Heimaten sind, angepasst an meinen Lebensweg, verschieden voneinander und doch immer miteinander verwandt. Ihre Verwandtschaft ist mehr in meiner Person begründet, als in einer Ähnlichkeit der Landschaften, Orte und Räume. Dem Saarländer wird eine erstaunlich feste Bindung an seine Heimat nachgesagt. Heimweh drückt sich bei ihm in der Sehnsucht nach heimatlichen Wortklängen genauso aus, wie nach den heimatlichen Gebräuchen und Lebensweisen. Dies ist umso verwunderlicher als das Grenzgebiet zwischen Lothringen im Süden, der Moselregion im Westen, dem dunklen Hochwald und Hunsrück im Norden und der lichteren Rheinpfalz im Osten schon immer Ab- Aus-, Durch- und Zuwanderungsland war. Mehr als vier Dialektgrenzen verlaufen durch dieses Ländchen, dazu kommen noch die Einflüsse der französischen Sprache insbesondere an der Unteren Saar. So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn aus dem „Lu mo lohei“ keine zwei Kilometer weiter ein „Guck emol do“ geworden ist. Ebenfalls tragen die häufig wechselnden Zugehörigkeiten zu Bistümern, Grafschaften, Fürstentümern wie auch zu Konfessionen in den unterschiedlichen Zeitläufen nicht gerade zu einem einheitlichen Bild des Saarländers bei. Ist schon die Sprache von Ort zu Ort verschieden, so sind es erst recht die Sitten und Gebräuche. Von einem homogenen Menschenschlag des Saarländers zu sprechen, verbietet sich daher von selbst. Es liegen Welten zwischen dem von den bäuerlichen Strukturen des Hochwaldes geprägten Nordsaarländer, und dem Südsaarländer, geprägt durch dem Handel und der Industrie geschuldeten industrieproletarischen bürgerständischen Strukturen der Kohle- und Stahlregion im Süden und Südosten des Landes. Ludwig Harig, intimer Kenner der einerseits so zwiespältigen und doch so einmütigen Seele des Saarlandes und der darin lebenden Menschen, hat dieses immerwährende Heimweh der Saarländer in all seinen Werken immer wieder durchscheinen lassen. Bei mir ist dieses Heimweh nicht so sehr auf die geografische Heimat meiner Kindheit bezogen. Es ist mehr eine Sehnsucht nach bestimmten Bildern, Klängen und Gerüchen, die sich immer dann einstellt, wenn Erinnerung daran von außen angestoßen wird.