Bokolic lernt die nach Ende des ersten Weltkrieges untergegangene Welt der ehemals
österreichischen Monarchie und ihre Menschen kennen. Ebenso darf er sich mit Menschen und ihren Geschichten aus dem ebenso untergegangenen Zarenreich beschäftigen.
Dies aber führt unweigerlich zum ersten aber nicht letzten Skandal bei einer Ausländerbehörde.
Abramczik war ein Schuster, genauer ein jiddischer Schuster aus Lodz, der sich in den siebziger Jahren, rein vorsorglich, aus Polen davongemacht hatte und mit Hilfe eines Freundes in der Lederstadt Offenbach am Main Fuß gefasst hatte. Ihn musste Bokolic als Zeugen in einem Ermittlungsverfahren hören, da er, wie viele Seinesgleichen, für einen aus Polen Nachgereisten eine zweifelhafte Eidesstattliche Versicherung in dessen Verwaltungsverfahren zur Beantragung eines Flüchtlingsausweises abgegeben hatte. Abramczik hatte in seinem ganzen Leben nur einmal Glück gehabt und das war, als er durch einen Zufall, zu der Zeit als die Deutschen über Polen herfielen, sich mit seiner Frau auf einer Hochzeitsfeier im weit entfernten russischen Grenzgebiet aufhielt. So entkam er dem deutschen Holocaust, dafür wurde er zusammen mit weiteren Leidensgenossen durch Stalin seinen bereits deportierten Mitbrüdern nach Kasachstan nachgeschickt. Erst sehr viel später gelang es ihm, die Sowjets davon zu überzeugen, dass er polnischer Staatsbürger und ein guter Kommunist sei. So gelangte er mit der Sowjetarmee nach Polen zurück. Während der Vernehmung kam die Rede auf die Zugehörigkeit der Juden zu den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten im Vorkriegspolen. Abramczik, vom Gemüt her durchaus mit der Figur eines Schwejk zu vergleichen, erzählte in seinem eingefärbten Deutsch, wie man sich die Unterschiede der einzelnen jüdischen Schichten in der Gesellschaft Vorkriegspolens vorzustellen hatte: Unsereins war und ist a „Schlichter Jidd“. Schlichte Jidden sind Schuster Schneider, na Handwerker wie ich, auch Pferdehändler oder Händler allgemein. Daneben gibt es „Geldsäckige Jidden“ oder auch „Gelahrte Jidden“, reiche Kaufleute, Fabrikbesitzer, Bankiers aber auch studierte Menschen, Juristen, Offiziere, Mediziner und Künstler. Einige, wenige nur gehören zu der dritten Kategorie, nämlich den „Eitlen Jidden“, adelige Juden, die entweder so reich geworden sind, dass sie sich einen Adelstitel kaufen konnten, oder so einflussreich geworden sind, dass sie sich in der Verwaltung oder Regierung einen Posten sichern konnten. So hatte Abramzcik die eigene Welt, aus der er stammte, sauber eingeteilt, und entsprechend dieser drei Kategorien sah er auch die Welt seiner neuen Heimat eingeteilt. Immer noch hatte die Welt dieselbe Einteilung in „ganz oben“, „dazwischen“ und „ganz unten“. Ganz unten braucht man sich wenigstens nicht zu verstellen erklärte er zufrieden mit diesem seinem Los.
Irgendwann, erzählt der Alte, hat mir mein Großvater die Geschichte der Namensgebung der Juden aus der Bukowina erzählt. Im fernen Wien haben die Bürokraten es satt, sich immer wieder mit unhandlichen Namen wie Teitel Sohn des David aus Jawrolska oder Moses Sohn des Avraham aus Czernovitz herumzuschlagen. Daneben, so haben sie ausgerechnet, kann eine Namensgebung der Kinder Israels in der gesamten Monarchie einen schönen Batzen Geld in die maroden Staatskassen bringen. So wird ein Dekret entworfen, das für Juden in Österreich und in der Bukowina besagt, dass sie ab einem Stichtag einen zusätzlichen unverwechselbaren Familiennamen annehmen müssen, der von den für ihren Wohnort zuständigen Standesämtern vergeben wird. So kommt es, dass wunderschöne Namen wie Rosenzweig, Rosenthal und Rosenberg aber auch weniger schöne, mehr profane Namen, für die Sippen des Stammes Israel ausgedacht werden. Wer einen anderen, als den für seine Sippe vom Standesbeamten reservierten Namen haben will, musst in die Landeshauptstadt Wien reisen, um diesen bei einem eigens dafür bestellten Geheimen Rat auszuhandeln. Die Sippe meines Großvaters ist schon immer angesehen und hat es durch den vererbten Beruf eines Tuchhändlers zu gewissem Reichtum gebracht. Meine Urgroßmutter, mit Namen Rahel, schickt ihren Eheliebsten Hesekiel nach Wien, weil der ihnen zugeteilte Familienname „Leintuch“ alles andere als eine Zierde einer Tuchhändlersippe sein kann. Damit hat der Standesbeamte bereits gerechnet, der gegen einen Batzen Taler ein Empfehlungsschreiben an den Geheimen Rat im fernen Wien mit auf den Weg gibt. Rahel ihrerseits gibt Hesekiel mehrere Beutel, gefüllt bis an den Rand mit silbernen und goldenen Dukaten mit, damit Hesekiel einen anständigen Namen kaufen kann. In Wien angekommen, geht es Hesekiel wie vielen anderen Landpomeranzen, die noch nie die Freuden und Wonnen des Wiener Lebens genossen haben. So verschwindet ein Großteil der Dukaten in den Taschen gerissener Wirte und noch gerissener Frauenzimmer. Als er dann endlich einen Bittsteller Termin beim Geheimen Rat bekommt, sind lediglich noch zwei der Beutel mit klimpernden Münzen übrig. Hesekiel kommt Wochen später von seiner beschwerlichen Reise mit einem eigenen Namen nach Hause. Unter der Tür wird er von Rahel seinem Eheweib empfangen, die ihn ohne viel Federlesens auf den neuen Familiennamen anspricht. „Nun allerliebstes Eheleben“, spricht Hesekiel mit bekümmerter Miene, „Wien is a theure Stadt. A gutter Nam kost schandbar viel Geld. Unser neier Nam is Schweißtuch“. „Erbarmen, oh welche a Schand, was is denn an dem Nam so teuer“, zetert Rahel. „Liebstes Eheleben Rahel, für das „W“ in unserem neien Namen hab ich mehr als nur zwei Beitel Gold hergeben müssen“, antwortete Hesekiel leicht betrübt mit spitzbübischem Gesichtsausdruck. Schließlich gibt sich Rahel mit der Auskunft zufrieden und nun trägt die Tuchhändlersippe den Namen Schweißtuch, der allzu oft missverstanden, immer einer ausschweifenden Erklärung gegenüber Dritten bedarf.
Während der Ermittlungen stößt Bokolic auf einen rumänischen Bojaren, einen ehemaligen Landedelmann mit feinstem rumänischen Namen, dem aufgrund mehrerer Eidesstattlicher Versicherung eines bekannten deutschen Adeligen der Vertriebenenstatus in Deutschland zuerkannt wurde. Nun hat der vorgebliche Bojar auch Entschädigungsansprüche auf seine ehemals in der Bukowina gelegenen Güter angemeldet, die sich die Russen unter den Nagel gerissen haben. Ein gewisser Prinz „von und zu Rot und Kreuz“ hat ihm hierzu bestätigt, dass er der Erbe von Ländereien in einer Größenordnung von zig Hektar mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden in der Gemarkung der ehemaligen Gemeinde Flohstadt ist. Bokolic wirft einen Blick auf die Karte der Österreichisch-ungarischen Ländereien in Osteuropa und stellt fest, dass Flohstadt zu klein gewesen sein muss, um auf der großen Karte verzeichnet zu sein. Also wälzt er die Namensregister, in denen fein säuberlich deutsche, ungarische, rumänische, russische, polnische und sonstige Namen aus den verschiedenen Herrschaftsepochen für ein und dieselbe Stadt oder Ortschaft mit bekannter Deutscher Bevölkerung im osteuropäischen Raum verzeichnet sind. Schließlich findet er den Namen Flohstadt. Über die in einer der Spalten angegebene Kennziffer sucht er im Almanach die Daten für Flohstadt heraus. Da sind aufgelistet: Größe der Gemarkung, Verwaltungsbezirk, Einwohnerzahlen und deren Verteilung auf bestimmte Volksgruppen für bestimmte Jahre und so weiter. Zur Kontrolle sucht er auf einem alten Messtischblatt der österreichischen Armee die Ortschaft und vergleicht die Angaben mit den dort sichtbaren Acker-, Wiesen- und Waldflächen sowie den einzelnen eingezeichneten Höfen und Häusern und sonstigen Gebäuden. Dann setzt Bokolic sich wieder an seinen Schreibtisch und schreibt die Angaben des Bojaren und des eidesstattlich versichernden Prinzen in die rechten Spalte und die Angaben aus dem Almanach und dem Messtischblatt in die linke Spalte, immer das eine gegenüber dem anderen fein säuberlich auf. Nachdem er zum Abschluss noch einen Vermerk geschrieben hat, schickt er die Akte zurück an die Staatsanwaltschaft. Das Verfahren gegen den Bojaren wird eingestellt, weil dieser angibt, sein Erbe nie persönlich gesehen zu haben, er habe sich immer im fernen Wien aufgehalten. Die Angaben habe er aus handschriftlichen Aufzeichnungen seines Vaters und Großvaters übernommen. Der Prinz wird gar nicht erst als Beschuldigter eingetragen, weil schriftliche Lügen nicht strafbar sind und die zuständige Behörde wieder einmal ausdrücklich im Gesetz zur Entgegennahme solcher Eidesstattlicher Versicherungen nicht ermächtigt ist. Die Lastenausgleichbehörde lehnt in Kenntnis des Vermerks und der Auflistung den Antrag mit folgenden Kernsätzen ab: Ermittlungen haben ergeben, dass die Gemarkung, in der sich die Grundstücke des Antragstellers befinden sollen, insgesamt wesentlich kleiner ist, als die im Entschädigungsantrag angegebenen Flächen. Eine Entschädigung von Grund und Boden nach Kubikmetern ist im Gesetz jedoch noch nicht vorgesehen. Die von dem Antragsteller begehrte Entschädigung für das Rittergut, die sechs Gehöfte und die übrigen Baulichkeiten ist daher abzulehnen. Gemäß uns vorliegenden Karten der verschiedensten Herkunft, einschließlich der neuesten Flurkarte, befinden sich in der gesamten Gemarkung lediglich fünf Einzelgehöfte, darunter kein einziges, das den Anspruch erheben könnte, es handele sich um ein Rittergut mit über zwanzig Wohn- und noch mehr sonstigen Räumen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass, nach den Zahlen aller bekannten Volkszählungen in der Vorkriegszeit, lediglich acht Familien sich in dieser Gemeinde zum deutschen Volkstum bekannt haben. Laut den Feststellungen des Bundesausgleichsamtes haben alle Personen, die diesen Familien zugerechnet werden, den Status als Flüchtling und Vertriebener bereits erhalten. Auch sind deren Entschädigungsansprüche rechtskräftig abgeschlossen. Der zuständige Flüchtlingsdienst wird angewiesen, den Status des Bojaren erneut zu überprüfen. Hierbei wird festgestellt, dass es sich bei dem Bojaren weder um einen ehemaligen Adeligen noch um einen Volksdeutschen handelt. Er hat mit selbst gestricktem Adelstitel durch Anleihe bei einem ehemals in Rumänien bekannten Adelsgeschlecht den Prinzen zu einem, unter seinesgleichen üblichen, adelssolidarischen Verhalten verleitet. Derselbe Prinz hat Jahrzehnte später im Zusammenhang mit einer Parteispendenaffäre gezeigt, mit welch hohen moralischen Ansprüchen man bei solch blaublütigen Menschen rechnen kann.
Im Verlauf der vielen Ermittlungsverfahren kommen Bokolic immer wieder uralte Urkunden zu Gesicht, die, zwar von bestechender Schönheit, gewiss auch von antiquarischem Wert, zumindest jedoch von großem Seltenheitswert sind, weil trotz aller Bemühungen der Urkundenhersteller sich herausstellt, dass der Inhalt unzutreffend und die Urkunden somit nicht echt sind. Unter den beschlagnahmten Mandantenakten einer Frankfurter Kanzlei befinden sich einige Akten, die auf dem Aktendeckel ein handschriftliches Kürzel - nämlich die Buchstaben - „Sp“ - aufweisen. Der Akteninhalt ist nach Durchsicht unauffällig. Auffällig an all diesen Akten ist jedoch, dass die rumänischen Urkunden meist nur in notariell beglaubigter Abschrift vorliegen. Sie tragen alle auf der Rückseite die Überbeglaubigung der Rumänischen Botschaft in Paris. Weiter sind, was bei Antragstellern aus der ehemals zu Österreich gehörenden Bukowina selten ist, rumänische Notariatsurkunden aus dem vorigen Jahrhundert über Eheverträge und Transaktionen vorhanden, die alle einerseits die deutsche Abstammung, andererseits die begüterte Situation der Antragsteller belegen. Die Überbeglaubigung der Abschriften durch die rumänische Botschaft in Paris lässt die später bewiesene Vermutung aufkommen, dass Antragsteller auf Weisung rumänischer Sicherheitsbehörden in das „Nicht Sozialistische Wirtschaftsgebiet“ geschickt werden, als Kundschafter sozusagen. Somit ist das Kürzel nichts anderes als eine Abkürzung für Spionage. Die in diesem Zusammenhang vorgelegten alten Urkunden werden in mehreren Fällen als geschickte Fälschungen – wohl Fälschungen durch die damalige Securitate – enttarnt. Die Securitate ist die einzige Behörde in Rumänien, die professionell mit echtem altem Papier, echten alten Siegeln und selbst mit alter Tinte solche Dokumente herstellen kann. Die Echtheit der Siegel wird durch ein Osteuropa Institut durch Vergleich mit zweifelsfrei echten Urkunden bestätigt. Die Altersgerechtheit der für die Urkunden verwandten Papiere, Utensilien und Tinten bestätigt die Kriminaltechnik, die auch das Wasserzeichen des Urkundenpapiers bestätigt, sowie, dass das verwandte Papier aus dem im Wasserzeichen zu ersehenden Jahre 1895 stammt und nur einmal beschrieben wurde. Trotzdem sind den Fälschern der Securitate mehrere kleine Fehler unterlaufen. Bei Übersetzung der Urkundstexte ergibt sich, dass die Urkunden allesamt bereits vor dem Jahre 1895 ausgestellt und beglaubigt worden sein sollen, somit also vor der Zeit, zu der dieses Urkundspapier laut Wasserzeichen hergestellt wurde. Zwei in diesen Urkunden genannte Ortsnamen sind ausweislich einer alten österreichischen Generalstabskarte zu der Zeit nicht gebräuchlich gewesen. Die Abschrift einer standesamtlichen Heiratsurkunde aus einer Ortschaft, die zum Ausstellungszeitpunkt der Urkunde zum Zarenreich gehörte, datiert vor der Einführung von Standesämtern in diesem Gebiet. Diese Fehler zeugen von dem Unvermögen dienstlicher Urkundenhersteller, sich in die historischen Dimensionen solcher Urkunden hineinzuversetzen. So schön die Urkunden im Aussehen auch sind, sie belegen nur die Fantasielosigkeit aber auch die Gesichts- und Geschichtslosigkeit bestimmter Dienststellen.
In einer größeren Stadt des Rhein-Main-Gebietes macht sich in der Nachkriegszeit ein Juwelier einen großen Namen. Derselbe entstammt einer angesehenen Familie aus dem polnischen, danach russischen und jetzt ukrainischen Lemberg auch Lwow oder Lwiw genannt. Seine Familie ist von den Nazis im Verlaufe des Weltkrieges fast ganz ausgerottet worden. Bei den Ermittlungen in anderer Sache behauptet einer seiner Neider, der Juwelier habe sein Anfangsvermögen in der Bundesrepublik Deutschland mit unlauteren Mitteln über einen falschen Antrag im Lastenausgleich erreicht. Bei der Prüfung der gezahlten Entschädigung fällt ins Auge, dass er, nicht wie die meisten, angibt, von der Besatzungsmacht interniert worden zu sein. Er will die Zeit der deutschen Besatzung verborgen in einer Kartoffelmiete und unter einem Strohhaufen zugebracht haben. Von daher haben sich er und seine Frau einen Gesundheitsschaden weggeholt, der bei der Entschädigung neben dem Verlust von Besitz und Vermögen an erster Stelle steht. Mehrere Zeugen sagen unabhängig voneinander jedoch aus, dass der Betroffene seine Frau erst während des Zweiten Weltkrieges in der Verbannung im russischen Kasachstan kennen gelernt habe. Einer der Soko Ermittler fährt in der Zeit der Ermittlungen als Handballschiedsrichter mit einer deutschen Mannschaft zu einem Freundschaftsspiel nach Kasachstan. Dort wird ihm von einem älteren Mann der Sachverhalt ebenfalls so bestätigt. Zuhause wird die polnische Heiratsurkunde wenig später als Fälschung erkannt. Daraufhin wird von dem zuständigen Personenstandesamt bei dem für den möglichen Ort der Trauung zuständigen russischen Standesamt angefragt. Nach etlichen Monaten wird tatsächlich die Registratur der standesamtlichen Trauung der beiden bestätigt und ein Registerauszug übersandt. Aus dem Auszug wie auch aus den übrigen Feststellungen lässt sich ableiten, dass die beiden, während des Einmarsches der deutschen Truppen in Polen, zu ihrer Verwandtschaft in die Nähe von Kiew geflüchtet sind. Zusammen mit ihrer jüdischen Verwandtschaft, wie auch den der deutschen Minderheit zugerechneten Menschen, werden sie von den Sowjetbehörden als Angehörige einer unzuverlässigen Personengruppe, noch vor dem ersten Einfall deutscher Truppen auf sowjetischem Gebiet, an das andere Ende der Sowjetunion in die Steppe von Kasachstan verbannt. Wie sie von dort nach Ende des Weltkrieges in das Rhein-Main-Gebiet gekommen sind, entzieht sich jeder Kenntnis. Noch bevor der Juwelier als Zeuge gehört werden kann, erliegt er den Folgen eines Herzinfarktes. Damit sind auch die Ermittlungen an ihrem Ende angelangt. Der Entschädigungsbehörde wird anhand der Urkunden und sonstigen Feststellungen mitgeteilt, dass die Hochzeit in der polnischen Kartoffelmiete in Wirklichkeit eine kasachische Steppenhochzeit war und Entschädigungen wegen der behaupteten Verfolgung, durch die NS Schergen zu Unrecht gezahlt wurden.
Es ist nicht zu verkennen, dass die Betroffenen des Holocaust bei bundesrepublikanischen Entschädigungszahlungen keinesfalls einen so guten Schnitt machen, wie es die ewig Gestrigen immer wieder behaupten. Auch Bokolic, der das Glück der Späten Geburt hat, wird beim weiteren Aktenstudium von Holocaustschicksalen von einem schier unsagbaren Entsetzen gepackt. Trotzdem überkommt ihn ein durchaus verständlicher Zorn, wenn er feststellen muss, dass in einigen wenigen Fällen sich vorgebliche Opfer mit windigen Rechtsanwälten zusammentun, um für sich selbst unberechtigt Kapital aus dem schier unendlichen Leid zu schlagen, das anderen Schicksalsgenossen zugefügt wurde. Politiker wie auch Richter im Deutschland der Nachkriegszeit haben bei solchen Vorgängen oft weggesehen oder sie zumindest verharmlost. Im Gegensatz dazu hat die israelische Regierung und Justiz bei solchen Vorkommnissen im eigenen, wie auch im Interesse der Geschädigten immer sehr hart reagiert. Olga hat ihr Entschädigungsverfahren und das nach ihrem verstorbenen Ehemann mithilfe eines geschäftstüchtigen Korrespondenzanwaltes und ihres israelischen Anwalts von Israel aus betrieben. Die Zahlungen haben es ihr ermöglicht, mehrere gut gehende Drogerien in Israel aufzubauen. Nun hat ihr Anwalt von seinen deutschen Kollegen erfahren, dass man als deutscher Volkszugehöriger im Ausland eine Fremdrente bekommen kann, wenn man nur den Vertriebenenstatus zuerkannt bekommt. Also wird wieder ein deutscher Korrespondenzanwalt ausgewählt, ein Flüchtlingsantrag nach dem Bundesvertriebenengesetz in einer Stadt des Rhein-Main-Gebietes gestellt, und zwei zu diesem Zweck „bestellte“ Eidesstattliche Versicherungen sowie einige zweifelhafte Urkunden als eindeutige Beweismittel vorgelegt. Gegen einen der beiden Zeugen wird schon seit geraumer Zeit wegen Verdachts der Abgabe falscher Eidesstattlicher Versicherungen ermittelt. In diesem Zusammenhang wird er nun von der Staatsanwaltschaft vernommen und gibt letztendlich zu, dass auch die Aussagen für Olga nicht eigenem Wissen entsprechen. Olga und deren Ehemann habe der Zeuge erst nach 1950 in Herzlia, einer Stadt in Israel kennen gelernt. Der Ehemann sei kurze Zeit später an Tuberkulose im Krankenhaus von Herzlia verstorben. Seine Angaben in der Eidesstattlichen Versicherung seien vom israelischen Rechtsanwalt im Beisein der Olga formuliert worden, und er habe nur aus Gefälligkeit unterschrieben. Bei der nachfolgenden Überprüfung wird die Entschädigungsakte der Olga vom Regierungspräsidium beigezogen. Voller Erstaunen liest Bokolic dort, dass Olga angibt, ihr Ehemann sei im KZ umgebracht worden. Da nicht sicher ist, ob es sich bei dem im KZ umgebrachten Ehemann und dem in Herzlia 1950 verstorbenen Ehemann um ein und dieselbe Person handelt, fordert Bokolic von den zuständigen polnischen Behörden eine Abschrift aus dem Heiratsregister sowie von der israelischen Behörde, die für den Sterbeort Herzlia zuständig ist, die Sterbeurkunde an. Tatsächlich handelt es sich nach den eingehenden Dokumenten um ein und dieselbe Person, die somit nicht, wie vorgebracht, im KZ umgekommen ist, sondern in den Wirren der Nachkriegszeit mit Olga nach Israel gelangt. Das Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland wird nach kurzer Dauer eingestellt, da dem deutschen Rechtsanwalt ein Prozessbetrug nicht nachgewiesen werden kann. Olga und ihr israelischer Anwalt hüten sich danach, wieder in die Bundesrepublik einzureisen. Die israelische Justiz erfährt jedoch von dem deutschen Verfahren, fordert die Akten an und verfolgt die Sache wegen Betruges und Prozessbetruges zum Nachteil des Staates Israel und der Überlebenden des Holocaust. Der Anwalt und Olga werden beide in Israel zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Alle von den Entschädigungsbehörden der Bundesrepublik an Olga gezahlten Gelder werden vom Israelischen Staat zurückgefordert. Ihre Liegenschaften in Israel werden zwangsliquidiert, um die Regressansprüche des Staates Israel zu erfüllen.
Während es Bokolic gelungen ist, dank seines guten Bekannten in der Botschaft des Staates Israel in Bad Godesberg, zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden bei der Abklärung von Urkunden aus Staaten des Warschauer Paktes zu kommen, ist die Zusammenarbeit mit Rumänien und der UdSSR bisher auf den unendlich langsamen Weg der diplomatischen Bemühungen beschränkt gewesen. Der für diese Rechtshilfeersuchen zuständige Beamte an der Botschaft der Bundesrepublik in Moskau hat zwar aus den von Bokolic über das Auswärtige Amt übersandten beglaubigten Urkundskopien, die nach Bokolic’s unmaßgeblicher Meinung allesamt gefälscht sind, ein Dossier zusammengestellt und sowjetischen Behörden übergeben. Diese haben jedoch das Ersuchen in den falschen Hals bekommen und lapidar geantwortet, dass sowjetische Notare keine Urkunden falschen Inhaltes beglaubigen. Den Nebensatz, man möge sich unmittelbar an die Personenstandsurkunden ausstellenden Behörden wenden, lässt der deutsche Diplomat als unzumutbar und gegen jede diplomatische Gepflogenheit nicht gelten. Mit deutschen Diplomaten in Bukarest ist ebenfalls kein Staat zu machen. Sie erklären die Unterlagen und Archive zu den zu überprüfenden Urkunden seien überwiegend im Zentralarchiv Bukarest unter Verschluss. Bisher hätten rumänische Behörden keine Auskunft auf Anfragen zu solchen Urkunden gegeben. Im Frühsommer meldet sich unter Berufung auf eine Bundesdienststelle ein rumänischer Sicherheitsbeamter bei Bokolic, der in der einzigen Interpolstelle des Ostblocks in Bukarest tätig ist. Die rumänischen Sicherheitsbehörden scheinen offensichtlich unter gewissen Bedingungen bereit zu sein, Auskünfte aus dem Zentralarchiv zu geben. Sie erwarten sich hiervon wohl eine bessere Zusammenarbeit auf dem Gebiet grenzüberschreitender Kriminalität bei Urkundsdelikten, bei der Bekämpfung der Kfz-Verschiebung und beim Drogenschmuggel. Bokolic entschließt sich nach mehreren Telefonaten in diesem Sommer seinen Urlaub zu nutzen, um sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen und endlich die alten Gassen, Wehrtürme und Befestigungen der Adriaperle Dubrovnik zu besichtigen. So steht dies zumindest in seinem Urlaubsgesuch, das pflichtgemäß der zuständigen Stelle im Innenministerium zur Genehmigung seiner Reise in das „Ostblockland“ vorgelegt wird. Gegen den touristischen Ausflug haben weder der Herr Innenminister noch eine der Sicherheitsbehörden etwas einzuwenden. Und so wird die Reise eben gestattet. In einem Telefonat mit eben diesem Herrn Mihailovic von Interpol Bukarest erwähnt Bokolic nebenbei, dass er seinen Jahresurlaub im August mit seiner Tochter an der jugoslawischen Adria verbringen wird. Bei einem ersten abendlichen Bummel durch die Altstadt Dubrovniks hat Bokolic eine Begegnung der seltsamen Art. Als er sich anschickt, die alte Festungsmauer um den Altstadtkern zu erklimmen, sprechen ihn zwei Männer in flüssigem Deutsch jedoch erkennbarem Akzent an. Der eine stellt sich als Mihail Mihailovic aus Budapest, der andere als Pjotr Petrovitsch aus Petersburg vor. Keiner der beiden Herren macht weitere Angaben zu Person, Herkunft oder Dienststelle. Sie geben Bokolic zu verstehen, dass sie mit ihm über „gewisse ungelöste Probleme“ bei Überprüfung von Urkunden aus ihren Heimatländern sprechen wollen. Bokolic ist entgegen seiner sonstigen Gewohnheit extrem schweigsam und stellt nur dann und wann eine Frage zu den von beiden vorgetragenen Beispielen, die darauf schließen lassen, dass die Herren den Schriftverkehr der Soko wegen Überprüfungen rumänischer und russischer Urkunden kennen. Ihm ist klar, dass es sich bei beiden Herren mit Sicherheit um Mitarbeiter irgendwelcher „Behörden“ handelt. Während nun die drei Männer so unterschiedlicher Herkunft über den Festungswall um die Kernstadt wandern, unterhalten sie sich, ebenso wie sie wandern, immer vorsichtig abtastend um des Pudels Kern herum. Ab und an werfen die Drei einen Blick durch die ausgedienten Schießscharten in die verwinkelten Gassen und auf die verschachtelten Dächer der Altstadt, ab und an auf weithin sich kräuselnde tiefblaue Wellen der Adria. Wie die Ausblicke aus den Schießscharten verläuft das Gespräch verzwickt und verschachtelt wie die Altstadt, mit krausen jedoch durchaus vielversprechenden weiten Aussichten. Jedem der Männer ist bewusst, dass man sich bei dem Gespräch auf einem holprigen, schlüpfrigen Grat bewegt, so wie sich am Ende der Abstieg von der alten Festungsmauer darstellt. Am Ende der Wanderung stehen die drei Männer am Kai des Hafens, schauen schweigsam auf die in der leichten Dünung schaukelnden Segelschiffe. Dann verabschieden sich die beiden Herren von Bokolic mit dem Satz: „Schönen Urlaub und man wird sehen“, ohne, dass einer der Drei eine konkrete Zu- oder Absage gemacht hätte. Später teilt das Bundesausgleichsamt nachgeordneten Behörden in der Bundesrepublik mit, eine Überprüfung von Urkunden mit Beständen des Zentralarchivs Bukarest sei von rumänischen Behörden endlich zugesagt worden. Anfragen seien über das Bundesausgleichsamt zu stellen. Wiederum Wochen später teilt der Justiziar der Deutschen Botschaft in Moskau dem LKA Wiesbaden mit, Anfragen zu falschen Personenstandsurkunden oder Diplomen seien durch Anforderung von Registerauszügen bei den in den Urkunden genannten russischen Ausstellungsbehörden zu klären. Einer Übersendung an die Botschaft zur Weiterleitung wird zugestimmt, da von allen russischen Gebietskörperschaften nun Anschriftenlisten vorliegen. Die Mitteilung wird von Bokolic möglicherweise betroffenen Bundes- und Landesministerien bekannt gegeben. Worauf der Gesinnungswandel bei den rumänischen und russischen Behörden zurückzuführen ist, darüber rätseln das Auswärtige Amt, das Ministerium des Innern und das Bundesausgleichsamt noch heute. Ein Jahr später bedankt sich der Leiter des Letzteren bei der Leitung des Hessischen Landeskriminalamtes für die Zusammenarbeit und teilt mit, dass, aufgrund der vom Landeskriminalamt übersandten „Leitlinien zur Überprüfung osteuropäischer Personenstandsurkunden“, die Verwaltungsbehörden in der Lage gewesen seien im letzten Jahr einen Millionenbetrag unberechtigter Forderungen abzuwenden. Die Leitung kann mit den Leitlinien nichts Rechtes anfangen, da sie lediglich das Anschreiben hierzu unterschrieben hat. Ebenso wenig kann das Bundeskriminalamt zum damaligen Zeitpunkt mit den auch dorthin übersandten Leitlinien etwas anfangen. Jahre später, als Bokolic längst in anderen Gefilden Jagd auf Geldfälscher, Falschmünzer und Glücksspieler macht, tauchen diese Leitlinien wieder in einer von Bokolic als Verfasser nicht autorisierten Veröffentlichung des Bundeskriminalamtes auf. Dummerweise haben die Autoren, die sich größtenteils mit fremdem Lorbeer schmücken wollen, keine Rücksprache mit den Erstverfassern gehalten. Dann hätte es ihnen nicht passieren können, dass sich zu den als echt bezeichneten Vergleichsurkunden einige Urkunden gesellten, die vor Jahren bereits von Bokolic und später von deutschen Gerichten als Falschurkunden festgestellt werden.