In den Gosener Bergen auf zwei Quadratkilometern liegt eine weitläufige Anlage von Schulungsgebäuden, Unterkünften, Wohnbungalows, Bunkern, Sporthallen und einem Heizkraftwerk. Es ist die ehemalige Schule der HVA, des DDR-Auslandgeheimdienstes. Mehrere Wochen im Frühjahr 1994 verbringt Bokolic damit, Gelände und Gebäude zu erkunden.
Ein Bauarbeiter erzählt wie der Atombunker auf dem Gelände der HVA entstand.
Etliche Jahre vor der Wende wurde meine Brigade von einer Großbaustelle in Berlin abgezogen und von da an jeden Morgen unter großer Geheimhaltung in einer Unterkunft der Transportpolizei in einen LKW mit geschlossenem Planen Aufbau verladen. Angehörige des Berliner Wachbataillons sorgten während der Fahrt dafür, dass niemand die rundum geschlossene Plane anhob. Der LKW fuhr immer wieder unterschiedliche Strecken. Fahrtverlauf und Fahrtdauer wechselten. Am Ziel angekommen, sahen wir nur ein dreistöckiges Gebäude, ähnlich einem großen Gutshaus in einer Waldsenke sowie mehrere neuere Großhallen aus Fertigteilen gebaut, deren Zweck wir jedoch nur erahnen konnten. Der Weg den wir morgens und abends im Gänsemarsch entlang liefen ähnelte einer Panzerrollbahn. Unsere Arbeit bestand darin, große und kleine Kammern zu betonieren, die später mit Sand überschüttet wurden. Die schwere Armierung des Betons ließ darauf schließen, dass die Kammern, die miteinander verbunden waren, zu einem Bunker in Ausmaßen eines Gesamterwaltungskomplexes für eine Kleinstadt gehörten, und dass die gesamte Anlage selbst einer Atombombenexplosion standhalten konnte. Wir waren vergattert worden, zu Außenstehenden wie auch zu Familienangehörigen kein Wort über unsere Arbeit zu verlieren. Die meisten von uns hielten sich daran, denn es war klar, dass wir sonst als Volksverräter abgestempelt würden. Trotzdem waren wir neugierig darauf, wo wir denn nun diese Bunkeranlage hin bauten. Von der Fahrtzeit her konnte diese Bunkeranlage in einem Umkreis von bis zu 30 Kilometern um Berlin liegen. Eines Morgens war der Lkw nicht bis zum Beginn der Rollbahnabzweigung vorgefahren, sondern unmittelbar hinter dem Zufahrttor stehen geblieben. Daraus ergab sich ein unmissverständlicher Hinweis auf den Standort. Rechts neben der Einfahrt sah ich einige alte Kiefern, die mit riesigen Luftwurzeln auf Stelzen ihren Stamm erst fast einen Meter über dem Erdboden ausbildeten. Ich erinnerte mich an die Erzählung meines Vaters, der in seiner Jugend die Ferien in einem Zeltlager am Seddinsee verbracht hatte und dieses Naturschauspiel mit seinem Heimatkundelehrer besichtigt hatte. Darüber gab es noch zwei verblasste Fotografien. Zuhause suchte ich diese im Familienalbum und da stand zu lesen: „Naturschauspiel nahe der Gosener Berge, wo sich nahebei auch eine Bunkeranlage der Reichswehr befindet“. Auf Umwegen ist die Geschichte vom Bau dieser Bunkeranlage lange vor der Wende erstmals bei den damals noch streng geheim lauschenden Männern aus dem Süden von München bekannt geworden.
Ein Betroffener erzählt die Geschichte seiner Verschleppung aus Berlin West nach Berlin Ost.
Sein Gegenüber ist Bokolic von einem Kontaktmann vermittelt worden. Bokolic sitzt mit ihm zusammen in einem Lokal in Kreuzberg und sie leben mit zwei Gläsern Rotwein, die sie, wenn sie leer sind, selbst aus der Flasche auf dem Tisch nachfüllen. Er erzählt Bokolic seine Geschichte wie folgt: Wie öfter mittwochs bin ich am Abend mit dem Fahrrad von einem unserer Treffen mit denen von „drüben“ nach Hause unterwegs. Ich erinnere mich noch daran, dass mich ein Fußgänger anruft, und ich von meinem Rad absteige. An die Stunden danach fehlt mir bis jede Erinnerung. Wach werde ich von einem gleichmäßigen Motorengeräusch und dem leisen Klatschen von Wellen gegen einen metallenen Schiffsrumpf. Mein gesamter Schädel brummt, auf der Zunge habe ich ein strohiges Gefühl, gerade so, als habe ich mich mit mehr als einer Pulle Schnaps vollgesoffen. Ich kann mich nicht rühren, da mir Hände und Beine zusammengebunden sind. Sprechen und sehen kann ich auch nicht, da Mund und Augen mit einer Binde verschnürt sind. Irgendwann, nach ungleichmäßiger Fahrt, kommt der Motor mit Aufheulen zum Stehen. Ich werde hoch gezerrt, die Fesselung an meinen Beinen wird gelöst, und werde, nach den Geräuschen zu urteilen, von zwei Begleitern über einen Holzsteg an Land gebracht. Es geht danach auf weichem Boden leicht bergauf. Nach etwa zweihundert Metern beginnen meine Begleiter mich über einen schmalen Pfad mit unregelmäßigen Steinstufen, die immer wieder unterbrochen sind von weichem Boden, weiterzuzerren. Kein Laut ist zu hören. Die wenigen nächtlichen Geräusche lassen nur den Schluss zu, dass es durch bewaldetes Gelände geht. Nach etlicher Zeit, ich habe es aufgegeben meine Schritte zu zählen, werde ich abrupt gestoppt. Mir wird ein Strick oder dergleichen um die Taille gegürtet. Danach werde ich vom Boden abgehoben und nach oben oder unten durch die freie Luft geschwenkt. Auf einem hohl und hölzern klingenden Boden werde ich unsanft abgesetzt. Jemand löst meine Fesseln und meine Mund- und Augenbinden. Die Gestalt vor mir kann ich im Dunkeln nicht erkennen. Es klappt eine Tür, ein Riegel wird vorgeschoben, ein Schlüssel im Schloss gedreht. Dann bin ich in einem größeren Raum allein. Mir wird ganz schwindlig und ich gleite, am Boden liegend, in einen unruhigen Halbschlaf, aus dem ich erst erwache, als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Mein Gefängnis besteht aus Holzplanken, die, außer am gerade gedielten Boden, eine gleichmäßige Rundung aufweisen. Ich bin offensichtlich in einem überdimensionalen Fass gefangen, das auf der Seite liegt. An den beiden Seiten sind mehrere runde Luken mit fest eingelassenen Glasscheiben, durch die Tageslicht in mein Gefängnis fällt. Aus den Luken ist lediglich blauer Himmel und darunter die Wipfel von Bäumen zu sehen, als ob das Fass auf den Baumwipfeln aufliegt. An der Stirnseite befindet sich anstelle eines Spundloches eine Holztür. Kein wie immer geartetes Werkzeug, kein Haken, kein Balken, ist zu sehen. Über meinem Kopf ist, unerreichbar für mich, eine Reihe von Lampen ins Holz eingelassen. Auf dem Boden liegen eine Matratze und eine Pferdedecke. Zwei Tische sind unsichtbar aber fest mit dem Boden verschraubt. Ein Eimer mit einem Deckel, offensichtlich für die Notdurft, denn der Boden ist knapp mit Wasser bedeckt, eine Flasche aus Plastik, mit Wasser gefüllt, mit einem altertümlichen Klappverschluss versehen, sowie ein Henkelmann mit Besteck, beides aus Plaste, vervollständigen die Einrichtung. An der Seite, die dem Eingang gegenüberliegt, hängt eine Röhre mit einer Spiegelkonstruktion an der Decke, die unablässig meine Bewegungen in dem Fass verfolgt. Über Tage und Nächte bleibe ich, unbehelligt von jeder menschlichen Gestalt, wie Diogenes in meinem Fass. Mein Essen, wie auch ein frischer Eimer mit Wasser, wird nachts von zwei schnaufenden Ungeheuern gebracht. Sie sehen mit ihren Kapuzen aus, wie die Mönche von Daartmoor und haben, ebenso wie diese, wohl das Sprechen verlernt. Als ich einmal versuche, mich einer der Gestalten zu nähern, bekomme ich einen elektrischen Schlag vor die Brust, der mich noch Minuten später in Krämpfen am Boden winden lässt. Wenn ich also das Geräusch des sich im Schloss drehenden Schlüssels höre, ziehe ich mich in die äußerste Ecke meines Gefängnisses zurück. Tage später lerne ich ein weiteres Gebäude kennen, zu dem ich, mit einem Sack über dem Kopf, an den Armen gefesselt, bergab geschleift werde. Aus späteren Befragungen auf westlicher Seite weiß ich nur, dass dieses Gebäude auch die Musikschule der HVA genannt wird. Jeden Morgen werden mir die Augen verbunden und die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ich werde über eine Treppe hinab aus meinem Fass geführt. Danach geht es über weichen Wald- und Sandboden größtenteils bergab. Der Spaziergang endet im Souterrain eines Gebäudes, das ich nur einmal zu Gesicht bekomme, als sich meine Augenbinde etwas verschoben hat. Es handelt sich um einen der DDR Bungalows in Fertigbauweise, der an einen mit Gras bewachsenen Hang gebaut ist. Vom seitlichen Eingang schweift der Blick über den im Tal ausgedehnten Wald bis zum Horizont, ohne sich an irgendeiner Kleinigkeit orientieren zu können. Meine beiden Bewacher haben mir fluchend die Augenbinde wieder strammgezogen. Danach werde ich, wie immer, im Untergeschoss des Bungalows auf einen Stuhl verfrachtet. Danach wird mir die Augenbinde gelöst. Tageslicht fällt nur indirekt auf den Boden. Entweder es herrscht eine graue, halbherzige Dunkelheit oder ich werde von Scheinwerfern angestrahlt und geblendet. Mein Gegenüber kann ich dadurch immer nur schemenhaft erkennen. Die Verhörmethoden sind keinesfalls roh und brutal. Geschlagen werde ich nie. Auch werden keine Elektroschocks oder dergleichen eingesetzt. Jedoch bin ich nach oft stundenlanger Dauerberieselung mit Dissonanzen oder nach ständiger intensivster Befragung durch fünf, sechs Verhörpersonen gleichzeitig schon mit den Nerven am Ende. Ab und an zucke ich zusammen, wenn in der Nachbarschaft das peitschende Geräusch von einzelnen Schüssen oder auch von ganzen Salven zu hören ist. Die Fragen selbst sind zumeist recht simpel, teilweise ohne erkennbares Ziel, jedoch in ständiger Wiederholung und Aneinanderreihung verwirrend. Noch verwirrender werden sie durch beständige Konfrontation mit tatsächlich von mir gegebenen aber auch offensichtlich fiktiven Antworten. Teilweise scheinen meine Gastgeber mir irgendwelche Psychopharmaka ins Essen zu mischen, denn immer öfter vermengt sich Wirklichkeit und Fiktion sowohl bei den Verhören als auch bei den Ruhe- und Schlafpausen. Letztlich weiß ich bis heute nicht, was ich von den Mittwochstreffen ausgeplaudert habe und welche Namen ich bei den Verhören genannt und welche ich nicht genannt habe. Das Gebäude hat, auch wenn es nicht nur Verhörzwecken dient, den Namen Musikschule nicht umsonst bekommen, denn das Singen im übertragenen Sinne des Wortes wurde dort wohl nicht nur mir beigebracht. Nach drei Wochen werde ich in ein DDR-Gefängnis verlegt und lande später, nach meiner Verurteilung wegen Beihilfe zur Republikflucht und anderer vorgeblich begangener Delikte, in Bautzen. Soweit die Geschichte eines Schülers der Musikschule der HVA. Soweit Bokolic recherchieren kann, hat er sich beharrlich geweigert, als Zeuge und Geschädigter bei einer bundesrepublikanischen Behörde auszusagen. Lediglich bei einer amerikanischen Behörde hat er nach Entlassung in den Westen Angaben zur Sache gemacht. Zu verdenken ist ihm dies nicht, denn er sagt Bokolic noch, dass, nach den Vorhalten in der Musikschule, ein Westberliner Sicherheitsbeamter die Mittwochstreffen zwischen ehemaligen Ostlern und Westlern der Stasi verraten haben muss.
Jede Menge gefälschter Depotscheine, Zertifikate, Prime Bank Garantien werden sichergestellt.
Zurück zum italienischen Großbetrüger Bond der zwischenzeitlich, wie wir bereits gehört haben, mit seiner verbliebenen Truppe, nach der Inhaftierung von Bery wegen der falschen Hundert US-Dollarnoten, unter Mitwirkung von Tim und Günther in der ASE-Securitas GmbH, fleißig auf bereits geschilderte Art und Weise unrichtige Depotscheine über Depots von Geld und Gold der DDR an Schwarzgeld waschende honorige Geschäftsleute und Betrüger verscherbelt. Die ehemaligen MfS Obristen Tim und Günther sind Geschäftsführer der bekannten Sicherheitsfirma geworden. Daneben unterhalten sie noch eine Ost-West Kontor GmbH, die mit dem Austausch von seltenen Erden, Edelmetallen und Militärgerät zwischen Staaten des ehemaligen Ostblocks und nachfragenden Schwellen- und Embargoländern in aller Welt beschäftigt ist. Nach der Auflösung ihres Stasi-Heimatdienstes sind beide zu der vormaligen Konkurrenz im Süden von München übergewechselt. Günther ist in dieser Eigenschaft ganz nebenbei noch Geschäftsführer einer Briefkastenfirma in Gibraltar, die sich den sinnigen Namen Germania Holding LTD zugelegt hat. Um ihre Eignung für die nebenberufliche Tätigkeit zu beweisen, haben Tim und Günther der besagten Behörde Videos beigebracht, über Treffen mit Ganoven in Spanien sowie über den Transport von Geld und Gold der DDR von der Rampe der ehemals größten Tageszeitung der DDR zu den Bunkern der ehemaligen Schule der HVA. Kopien dieser streng geheimen Videos fallen uns bei späteren Durchsuchungen in die Hände. Nach Abklärung der Schule der HVA, der Wohnungen und Firmensitze der Beschuldigten sind Durchsuchungsbeschlüsse beantragt worden. Nach Rücklauf der Akten werden Truppen und Material gezählt, eine Einsatzanordnung sowie Einsatzmappen für den Tag X vorbereitet.
Auch das gehört dazu:
eine notariell beglaubigte Falschurkunde von Noriegas Dollardepot.
Schmieröl- oder Schmiergeldtransport?
Tim, der gebeten wird, für die Ermittlungsbehörden telefonisch erreichbar zu sein, gibt in der Folgezeit während der geheimdienstlichen Operation immer wieder Handynummern oder Festnetznummern an, über die er erreichbar ist. Die Telefonate und die angegebenen Nummern belegen, dass er in dieser Zeit zusammen mit Günther über den Großraum Bonn nach München und von dort in die Schweiz bis Zürich reist. Danach geht es weiter über Österreich über die ungarische Grenze nach Ungarn hinein. Die Reise endet wieder im Rheinland, bevor Tim in seiner Firma in Berlin erreichbar ist. Später wird die Reiseroute in einem informellen Gespräch bestätigt. Als Reisezweck wird der legendierte Transport von 50 Millionen US-Dollar in bar aus der Schweiz zu einer osteuropäischen Bank benannt. Durch einen Zufall erschließt sich viel später ein möglicher Hintergrund zu dieser Aktion. In den Aufzeichnungen eines gewissen Doc findet Bokolic für diesen Zeitraum eine Notiz, die besagt, dass aus einem Ort, in dem Spanisch gesprochen wird, Bargeld im Werte von 70 Millionen US-Dollar mit einem Kleinflugzeug nach Zürich Klothen geflogen wird. Die Namen, die in diesem Zusammenhang aufscheinen, lassen den Schluss zu, dass es sich um Schwarzgelder oder Schmiergelder einer französischen Staatsfirma handelt, die auch im westlichen Afrika tätig ist. Doc bestätigt bei einer Befragung in späterer Zeit diese Sachverhalte und ergänzt, dass seines Wissens in Klothen eine größere Provision von der Geldpalette abgezweigt wurde, und danach Bargeld im Werte von etwa 50 Millionen US-Dollar auf dem Landweg Richtung Osteuropa zum Waschen verschwand. Spanisch kommt Bokolic in diesem Zusammenhang auch die Scheinfirma Germania Holding LTD in Gibraltar vor, in der Günther laut eigener Visitenkarte damals Geschäftsführer war. Ob diese Begebenheiten sich tatsächlich so zugetragen haben und ob sie im Zusammenhang mit gewissen „raffinerierten“ Schmierölskandalen stehen, kann Bokolic jedoch nur vermuten. Die späte Weigerung eines gewissen hochrangigen Politikers seine Spendengeldgeber zu benennen könnte in diesem Zusammenhang durchaus erhellend sein. Bokolic´s Vermerke über diese und andere Erkenntnisse sind alle zu den Akten gegangen. Möglicherweise ist diesbezüglich auch ein bekannter Sperrvermerk mit dem Zusatz: „im Interesse der Bundesrepublik Deutschland“ auf diese Vermerke gelangt.
Eine Story im Stern und ein strahlender Koffer
In der Zwischenzeit sind die Akten mit Beschlüssen zurück. Der Einsatzplan steht. Die Staatsanwaltschaft signalisiert grünes Licht für die bundesweite Großaktion. Da läuft erneut ein Telefonat auf Bokolic´s Telefon auf, in dem ein Mann namens „Schneider“ oder „Müller“ oder „weiß nicht mehr“, mit welchem Namen auch immer er sich davor bei mir gemeldet hat, also ein anonymer Behördenmensch einer anonymen Behörde sich mit einem anonymen Hinweis meldet. Der Anrufer gibt unmissverständlich zu verstehen, dass er vom Zeitpunkt und den Objekten unserer Durchsuchungsaktion unterrichtet ist. Er nimmt Bezug auf die geplante Durchsuchung des Geländes der ehemaligen Schule der HVA in Gosen, und hier aller Räumlichkeiten, die von einer der Firmen von Tim oder Günther gemietet sind, oder zu denen die Mitarbeiter dieser Firmen Zutritt haben. Danach gibt er kurz und knapp an, dass seine Behörde vor längerer Zeit durch einen operativen Vorgang Kenntnis von der Einlagerung von mehr als 10 Kilogramm vermutlich radioaktiven Cäsiums 137 erlangt hat, die durch eine der im Beschluss genannten Firmen dort eingelagert sind oder zumindest vor einigen Tagen noch eingelagert waren. Er meint noch trocken anmerken zu müssen, wir sollten diese nicht gerichtsverwertbare Erkenntnis im gesundheitlichen Interesse unserer Durchsuchungskräfte ausreichend berücksichtigen. Bokolic fällt fast der Hörer aus der Hand, als er auf seine nochmalige Rückfrage bestätigt bekommt, dass es sich um insgesamt dreizehn Kilogramm radioaktives Cäsium handeln soll, die dort bereits mehrere Monate eingelagert seien. Jede weitere Nachfrage wird danach abgeblockt, das Gespräch abrupt beendet. Über dieses Gespräch schreibt Bokolic nach Studium aller verfügbaren Unterlagen über die Gefährlichkeit sowohl von radioaktivem als auch inaktivem Cäsium der Isotopenreihe 136 und 137 noch am gleichen Tag einen innerdienstlichen Vermerk und lege diesen sofort seinen Vorgesetzten vor. Aus den beigezogenen Unterlagen geht hervor, dass selbst das inaktive Cäsium für den menschlichen Organismus fast so giftig ist wie Plutonium, und aufgrund seiner hohen Affinität zu Wasser eine enorme Sprengwirkung aufzeigt. Schnell ist allen Beteiligten klar, dass allerhöchste Alarmstufe angebracht ist. Vorsorglich werden ausgebildeten ABC Helfer der Berliner Polizei und alle verfügbaren Strahlenmesstrupps zu dem Einsatz hinzugezogen, und Sicherungs- und Absicherungsmaßnahmen getroffen. Einige Tage später erscheint in der Illustrierten Stern ein größerer Artikel über den illegalen Handel mit radioaktivem Material aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Angeführt wird ein Verkauf von 13 Kilogramm radioaktiven Cäsiums durch einen namentlich genannten Russen aus Moskau. In diesem Artikel wird, rein zufällig natürlich, auch die Gefährlichkeit von radioaktivem und inaktivem Cäsium ausführlich geschildert. Am Tage der Durchsuchung fahren mit Strahlenmesstrupps eine Kolonne von Einsatzfahrzeugen der Berliner Polizei, sowie eine Hundertschaft der Brandenburgischen Bereitschaftspolizei, in Richtung Gosen und dort zur Schule der HVA. Zugleich werden weitere Durchsuchungsobjekte in Berlin, Brandenburg und Hessen angefahren und eingekreist. Nach Uhrenvergleich beginnt zeitgleich an allen Objekten die Absperrung und Durchsuchung. Während in Berlin die Einsatzleitung und zwei Staatsanwälte eingehende Meldungen verfolgen, wird das ehemalige HVA-Gelände sektoren- und abschnittsweise abgeriegelt, einzelne Bunker, Garagen, Bungalows sowie die Schulungsgebäude, zuerst von den Strahlenmesstrupps ausgemessen und nach Freigabe durchsucht. Tim wird an seinem Wohnort angetroffen und sofort zur Dienststelle verbracht. Nachdem die Messungen der infrage kommenden Gebäude keinerlei Anzeichen von Strahlung erkennen lassen, wird Tim vom für diesen Deliktsbereich zuständigen Staatsanwalt in Bokolic´s Beisein befragt. Zuerst will er von Cäsium überhaupt nichts wissen. Nach Vorlage des in seinen Unterlagen gefundenen Testats über die Untersuchung einer Glasphiole mit Cäsium inaktiv in der Schweiz, und nach massivem Vorhalt über die Gefährlichkeit dieser Substanz, gibt er an, kurz vor Sicherstellung der Postsäcke einen Pilotenkoffer mit Glasphiolen aus dem Bunker der HVA entfernt und in einer Gartenlaube in einer Schrebergartenanlage mitten in der Stadt deponiert zu haben. Inhalt dieser Glasphiolen seien dreizehn Kilogramm inaktives Cäsium, das über die Firma Ost West Handelskontor aus dem Ostblock illegal über die Schweiz in die Bundesrepublik importiert wurde. Die Rede von radioaktivem Cäsium sei wohl nur aus Prestigegründen aufgekommen. Er habe sich an solchen Spekulationen aber nie beteiligt. Das Cäsium wird von den zur Gartenkolonie abgezogenen Kräften im Beisein von Tim nach Freigabe durch den Strahlenmesstrupps sichergestellt. Das diesbezügliche Verfahren wird vom Staatsanwalt an die zuständige Ermittlungsstelle für Umweltdelikte im Landeskriminalamt delegiert. Einzig und allein die Beseitigung der Glasphiolen stellt sich als ein schwieriges und die Staatsverschuldung nach oben treibendes Unterfangen heraus. Kein Institut in Berlin ist in der Lage die fachgerechte Lagerung zu gewährleisten. Es wird ein gesicherter Transport nach Karlsruhe organisiert. Das Material wird letztendlich im Kernforschungszentrum Karlsruhe unter denkbar scharfen Sicherheitsvorkehrungen eingelagert. Der Steuerzahler darf für die Lagerung und die noch unsichere Entsorgung aufkommen. Der geheime Dienst wiederum wäscht seine geheimen Hände in Unschuld. Man ist dort der Meinung jederzeit und rechtzeitig Alles, aber auch wirklich Alles nur Notwendige im Interesse der Bundesrepublik Deutschland veranlasst zu haben.
Die Müh(l)en der Justiz
Bei Durchsuchung der Schule der HVA in Gosen werden keine für das Betrugs- oder das Untreueverfahren bedeutsamen Funde gemacht. Keller und Bunker sind komplett beräumt. Die Unterlagen aus Firmenräumen und Wohnungen der Beschuldigten, wie auch der Anwaltskanzlei werden ausgewertet. Geld und Gold der DDR hat es in diesem Zusammenhang tatsächlich nie gegeben. Das Verfahren wegen Untreue wird daher endgültig eingestellt. Aus den sichergestellten Unterlagen ergibt sich einmal, dass diese Geld- und Golddepots international bis in den Fernen Osten angeboten wurden. Es wurden Devisenwechselangebote für über 10 verschiedene Währungen lanciert. Daneben wurden noch Bankgarantien ausländischer Staatsbanken, Seltene Metalle und Bilder alter Meister – alles vorgeblich aus dem Staatsbesitz der ehemaligen DDR oder dem Besitz ihrer Institutionen angeboten. Der Kreis, der auf diese Angebote Offerten unterbreitete, umfasste Firmen und Geschäftsleute aus allen Nationen rund um den Erdball. Eine Prüfung genannter Personalien ergibt, dass polizeibekannte Großbetrüger aber auch Strohmänner aus Tarnfirmen aller Nachrichtendienste der Welt darunter sind. Weiter ergibt sich zweifelsfrei, dass die Gruppe um Bond über eine Büroangestellte aus einem Rechtsanwaltsbüro in einer Vielzahl von Fällen in betrügerischer Weise gegen Hergabe wertloser, weil unrichtiger, gefälschter Depotscheine Anzahlungen in Millionenhöhe auf nichtexistente Depots ergaunert haben. Viele der Geschädigten leugnen noch im Angesicht der Quittungen und Unterlagen, jemals die Beträge gezahlt zu haben. Zu Recht fürchten sie, wegen der eingesetzten Schwarzgelder selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden. In diesen Fällen sind die betrogenen Betrüger der beste Schutz vor Strafverfolgung für Gauner wie Bond und seinesgleichen. Trotzdem gelingt es, einige der Geschädigten zu wahrheitsgemäßen Angaben zu bewegen. Das Verfahren wegen der Fälschung von Urkunden sowie des mehrfachen Betruges gegen Bond und die Mitglieder der Gruppe um ihn, sowie gegen weitere Personen, wie auch die Geschäftsführer der ASE-Securitas GmbH, wird in der Folge zwischen den Staatsanwaltschaften in Berlin wegen formaler Zuständigkeitsstreitereien hin und her geschoben. Wochen später entdeckt Bokolic ein schlummerndes OK Verfahren bei der Italiener Truppe der Berliner Polizei, das im Zusammenhang mit dem Verfahren des LKA München wegen Verbreitens gefälschter 100 US-Dollarnoten durch Bery entstanden ist. In dem Verfahren sind Bery und auch Bond Beschuldigte wegen betrügerischen Devisentauschgeschäften und wegen eines Raubes in gleichem Zusammenhang. Die Auswertung dieser Akten ergibt auch nachweisbare Straftaten mit Tatort in Hamburg. Eine Woche später fordert zufällig ein OK Staatsanwalt aus Hamburg diese Akten bei der Staatsanwaltschaft in Berlin an. Nachdem Bokolic nachweisen kann, dass die vorgelegten gestohlenen und verfälschten Personalpapiere zu zwei Hamburger Personen aus der Gruppe um Bond gehören, wird meine Akte gleichfalls von der Staatsanwaltschaft Hamburg angefordert. Hamburg übernimmt die gesamten Ermittlungen gegen alle in Hamburg angefallenen Straftäter. Bond wird zur Festnahme ausgeschrieben und wenig später festgenommen. Der in der Zwischenzeit von München nach Berlin in die Haftanstalt verlegte Bery wird weiter nach Hamburg verschubt. Drei Monate später sind Bond und Bery sowie die übrigen Hamburger Straftäter rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Was aus den Verfahren gegen Tim und Günther wie auch gegen die übrigen Berliner geworden ist, entzieht sich Bokolic´s Kenntnis. Eine Strafnachricht hat Bokolic bis zum Abschluss der ZERV jedenfalls nicht zu Gesicht bekommen.