Inoffizielle Mitarbeiter oder auch Spitzel der Stasi stehen heute im Mittelpunkt des Interesses. Darüber wird immer wieder die Rolle der hauptamtlich tätigen
Auftraggeber und ihre menschenverachtenden und oft strafwürdigen Methoden aus den Augen verloren.
Staatsdiebstahl im Auftrag der Stasi
In seiner Zeit als Falschgeldermittler hat Bokolic den Namen schon einmal gehört. Nun sitzt er nach einem langen Arbeitstag, mehr zufällig in dem runden Kreis hoher Nussbäumen im Anhaltinischen und den dort aufgestellten Wohnwagen mit ihm bekannten Kfz Kennzeichen aus dem Thüringischen gelangt, Ihm gegenüber und fragt nach Woher und wohin. Weiß ist Oberhaupt einer der Sippen des Fahrenden Volkes, die der Vernichtung des NS Staates entgangen sind und später im Osten des Dritten Reiches auch diesmal der ewigen Diskriminierung auch durch die Mächtigen einer neuen sozialistischen aber nicht unbedingt sozial eingestellten Gesellschaft trotzen. Seine Sippe hat das Glück, dass gute Scheren und Schnittwerkzeuge Mangelware sind, und somit der Beruf des fahrenden Scherenschleifers, wie so vieles Andere aus vergangenen Zeiten, stillschweigend geduldet wird. Trotzdem ist sich Weiß durchaus seiner Verantwortung für das Überleben seiner Sippe in diesen wenig Freiheit gewährenden Zeiten bewusst. Bokolic hat unendlich viel Zeit mitgebracht. Seine Kollegen sitzen nach getaner Arbeit in der Hexenkaschemme bei einem oder auch mehreren Gläsern Bier. Niemand vermisst Bokolic, den es an diesem lauen Sommerabend nicht in der dunklen Wirtsstube gehalten hat. Es dauert lange, bis Weiß sich einlässt, über die Zeiten vor der Wende zu erzählen. Erst als Bokolic erfährt, wo die Sippe Weiß im Winter zuhause ist und erst als er den Namen eines ihm bekannten Kollegen aus diesem Raum erwähnt, taut Weiß auf und erzählt, nachdem er die Jungen weggeschickt hat, die folgende Geschichte: Immer öfter werden Angehörige seiner Sippe unter fadenscheinigen Vorwänden der Volkspolizei zugeführt. Hat es in einem der Bauerhöfe gebrannt, werden sie als Brandstifter verhört, ist ein oder mehrere Stück Vieh von der Weide verschwunden, werden sie als potenzielle Diebe abgestempelt. Dies Alles ohne jeden Beweis, nur so, weil sie ja Sozialschädlinge sind. Irgendwann dann wird Weiß auch der Kripo zugeführt und dort beim K1, dem berüchtigten, überwiegend der Stasi zuarbeitenden Kommissariat vor die Alternative gestellt, entweder der Stasi bei bestimmten Aufträgen zuzuarbeiten oder mitsamt seiner ganzen Sippe in einem der für solche Gesellschaftsschmarotzer vorgesehenen Loch zu verrecken. Nachdem Weiß ist nach den Maßstäben seines Volkes ein Ehrenmann. Nachdem man ihm zusichert, keinen Verrat an seinen Leuten und ihrem Leben begehen zu müssen unterschreibt er die entsprechende Verpflichtung zur Zusammenarbeit. „Sie haben alle ihnen in ihrer Arbeit als Scherenschleifer bekanntwerdenden Sachverhalte zu melden, die zur Ahndung und Konfiszierung illegal gehorteter Kunstgegenstände führen können. Daneben haben sie und ihre Angehörigen auf Anweisung alle Maßnahmen durchzuführen, die der Zuführung solcher Gegenstände in das Volksvermögen dienlich sind“. Der Alte lacht meckernd wie ein Ziegenbock vor sich hin. Nach dieser Erklärung sind wir bis zur Wende offizielle Diebe und Hehler im Staatsauftrag gewesen. Wenn einer der Geschädigten es wagt, eine Anzeige zu erstatten blüht ihm nur weiteres Unheil. Sein Eigentum bleibt konfisziert und wir sind in diesen Fällen vor Verfolgung sicher.