Bokolic hat ein Problem. Das einzige Erbstück, das er nach Berlin mitgenommen hat, ist defekt. Das Pendel der alten mahagonifarbenen Wanduhr aus dem Besitz seiner Großmutter schwingt nicht mehr mit leisem Tick und Tack hin und her. Die Feder zum Aufziehen ist zerbrochen. Da Bokolic sich in Uhrmacherkreisen Berlins nicht auskennt, fragt er bei einem seiner dienstlichen Besuche in der Gauck Behörde „Rotkäppchen“, so wird die immer freundliche, für die ZERV zuständige Sachbearbeiterin, wegen ihrer dunkelroten Haarpracht genannt, ob sie Rat wisse. Sie weiß wie immer auch in dieser Angelegenheit Rat und schickt Bokolic zu Bruno dem Uhrmachermeister in der Mitte des alten Ostberlins, der seit unerdenklichen Zeiten den einzig wahren Uhrenladen mit angeschlossener Reparaturwerkstatt betreibt. Dieser scheint hocherfreut endlich einmal wieder ein altes Uhrwerk zum Laufen bringen zu können und nicht nur vom Verkauf vollelektronischer Zeitmesser oder dem simplen Batterieaustausch belästigt zu werden. So kommt man ins Gespräch über alte Uhren und alte Zeiten und Bruno erzählt Bokolic, während er die Feder an der alten Uhr ersetzt und das gesamte Gangwerk einer gründlichen Reinigung unterzieht, die Geschichte der Uhrensammlung seiner Familie: Das Uhrengeschäft wird von ihm nach dem Krieg in vierter Generation in Folge geführt. Urgroßvater, Großvater und Vater waren neben ihrem Beruf als Uhrmachermeister auch leidenschaftliche Sammler antiker Uhren, die sie aus aller Welt zusammentragen. Jeder hat seine spezielle Leidenschaft entwickelt. Der Urgroßvater sammelt alte Kaminuhren, der Großvater ist besessen von Taschenuhren und der Vater von Pendeluhren egal ob Stand- oder Wanduhren. Wie das so mit Sammlerstücken ist, teilt man die Leidenschaft für solche Stücke mit einem größeren Kreis Gleichgesinnter und ist stolz darauf, seine besten Stücke in diesem sachkundigen Kreis präsentieren zu können. Sein Vater hat die kostbaren Stücke über die Wirren der zwei Kriege und der Nachkriegszeiten hinweggerettet. Danach ist er aus dem Leben geschieden und hat seinem Sohn Beruf und Berufung, Geschäft und Hobby nebst der umfangreichen Sammlung vererbt. Nun aber ist eine „Neue Zeit“ in einer „Neuen Gesellschaftsordnung“ angebrochen in der alte Werte nicht mehr zählen. Bruno kann den Uhrenladen nur behalten, weil er einer wie er, der mit der Reparatur eines jeden Uhrwerks zurechtkommt, auch in diesem System gebraucht wird. Persönliches Eigentum von Kunstgegenständen und Antiquitäten jedoch ist in der neuen Zeit verpönt, weil Kunst und Antikes eigentlich gesellschaftliches Eigentum ist. So ist der Besitz solcher Sammlungen strengen Regeln unterworfen, wenn nicht ganz verboten. Dies wissen jedoch die Wenigsten der Sammler und so verstrickt sich Bruno, der redliche Uhrmachermeister und Uhrensammler irgendwann in den Fallstricken sozialistischer Gesetze. Wie dies sich tatsächlich zugetragen hat, erfährt Bruno erst nach der Wende bei der Gauck Behörde aus seiner von der Stasi angelegten Akte. Sein bester Freund Heinz, ebenfalls Sammler alter und antiker Stücke, seinem Beruf als Möbeltischler folgend jedoch von Mobiliar insbesondere von Kleinmöbeln, ist wie auch immer vor Bruno in die Fallstricke der Stasi geraten, in die später auch Bruno geraten sollte. Seine Sammlung wird von der Staatssicherheit konfisziert und Heinz wegen Verletzung der Meldepflicht von Kunstgütern und der Hinterziehung der eigentlich fälligen Luxussteuern und -abgaben im Schnellverfahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Aufgrund guter Führung und des Bereuens seines sozialschädlichen Verhaltens, aber auch aus der Tatsache, dass gute Möbeltischler in dieser Mangelgesellschaft gefragt sind, wird Heinz vorzeitig entlassen, jedoch nur, weil er eine Verpflichtungserklärung zur Inoffiziellen Mitarbeit bei der Stasi unterschreibt, die ihn zur Wühlarbeit in Kreisen der „Kunstsammler“ verpflichtet. Letztendlich führen die von Heinz geforderten Angaben zu Brunos Uhrensammlung dazu, dass die Spezialisten von Horch und Guck eines Tages Brunos Laden und Wohnung stürmen. Einer dieser Herren Spezialisten verfasst eine freihändige Expertise zu vorgefundenen „Uhrensammlungen“, die lediglich darauf abzielt, dass der Wert der Sammlungen weit über dem von Bruno in weiser Voraussicht den sozialistischen Behörden angezeigten materiellen Wert liegt. Daraufhin werden, wie in solchen Fällen üblich, die Sammlungen beschlagnahmt und Bruno als Sozialschädling und Abgabenhinterzieher eingesperrt und später verurteilt. Im Gegensatz zu Heinz muss Bruno seine Strafe bis zum letzten Tage absitzen, weil er sich uneinsichtig weigert, einer Zusammenarbeit mit den Organen der Staatssicherheit zuzustimmen. Nach Freilassung darf er trotzdem die Uhrreparaturwerkstatt weiterführen, weil eine solche Fachkraft sich ja durch unermüdliche Arbeit für das sozialistische Gemeinwesen bewähren kann. Mit lautem Lachen verkündet Bruno das Ende der Reparatur von Bokolic’s gutem Erbstück, um danach immer noch lachend zum guten Schluss seiner Geschichte zu kommen. „Wie immer kommt das Schönste zum Schluss. In dem Winter, in dem die Stasi sich meiner und meiner Vorfahren Uhrensammlungen bemächtigt, herrscht strenger Frost. Die Fernheizung, die meinen Laden und meine darüber liegende Wohnung mit Wärme bedienen soll, ist ausgefallen und so sehe ich mich gezwungen die wertvollsten und ältesten Stücke der Uhrensammlungen zu einem Bekannten zu bringen, der über eine braunkohlenbefeuerte recht große Altbauwohnung verfügt. Dieser mottet die wertvollen Stücke in seiner trockenen ehemaligen Gesindekammer ein und hütet diese nach meiner Verhaftung bis zu meiner Freilassung sorgsam und verschwiegen – auch weil er damit rechnet, von der Stasi bei der Entdeckung als Gehilfe eines Sozialschädlings zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nach meiner Freilassung bringt er die Stücke nach und nach zurück und wir sind uns darüber einig diese nicht mehr offen zur Schau zu stellen Er meint hierzu nur, dass vielleicht noch einmal bessere Zeiten kommen, und hat damit ja wohl recht behalten. Einige meiner an den Sozialismus verlorene Stücke sind mir bei einem französischen Sammler auf einer Auktion wieder untergekommen. Er hat mich darüber aufgeklärt, dass er die Kaminuhren bei einem westdeutschen Antiquitätenhändler gekauft hat, der sie vom Antiquitätenhandel Pirna aus der DDR bezogen hat. Soweit die Geschichte von der verratenen Freundschaft des Bruno.