Die unendliche Geschichte vom Geld und Gold der DDR und der SED

 Als die „Unabhängige Kommission Parteivermögen“ eine Auslobung für Hinweise zur Wiederbeschaffung von DDR - und SED – Geld und Goldvermögen plant, wird dieses Vorhaben bei der ZERV bekannt. Jeder denkt sich bei solchen Vorhaben seinen Teil. Bokolics Teil lautet wie folgt: „Jetzt wird Gott und die Welt ankommen und behaupten, man habe von DDR Millionen gehört und wolle etwas von dem Geldsegen der Auslobung“.

 Am Rande der Rennbahn Hoppegarten trifft sich ein durchaus gemischter Kreis von Betrügern und Geschäftemachern, darunter befinden sich auch zwei Mitglieder der Ehrenwerten Gesellschaft Neapels namens Bery und Bond, mehrere Leute aus der Gruppe um einen Anlagebetrüger namens Metzger, sowie der im Auftrag eines Kriminalamtes und mehrerer Dienste fleißig tätige Neuseppel. Man beredet allerhand Geschäfte und kommt zu dem Entschluss, einem „zufällig“ dazu gestoßenen bayrischen Geschäftsmann günstige, aber falsche 100-US-Dollar anzubieten. Die weiteren Verhandlungen über das Falschgeldgeschäft ziehen sich in die Länge. Dafür haben Bery und Bond in Mark jemanden gefunden, der begierig darauf ist, sein Schwarzgeld schnell zu vermehren, und der Leute anschleppt, die genau dasselbe wollen. Als altgediente und erfahrene Devisenwechselbetrüger haben Bery und Bond zwischenzeitlich begriffen, dass man mit nicht frei konvertierbaren Währungen, die ein großes Spekulationspotential haben, solche Leute genauso locken kann, wie mit Edelmetallen und Seltenen Erden, die zu Dumpingpreisen, angeboten werden. Auch machen sich die beiden zunutze, dass der Großbetrüger Metzger im Umkreis um Berlin bereits ein dichtes Vertriebsnetz für nicht werthaltige Fonds aufgebaut hat und gleichzeitig noch 1000-US-Dollarscheine und 1000-DM-Scheine aus vorgeblichen DDR Depots anbietet. In den beiden Geschäftsführern der ASE-Securitas GmbH, Tim und Günther, ehemals höheren MfS Chargen, finden Bery und Bond zwei ehemalige Stasi-Größen, die mit der Einlagerung solcher Devisen- und Edelmetallbestände in einer von ihnen genutzten weitläufigen Bunkeranlage einverstanden sind. Die vorgeblich unbedarften Ossis sind jedoch keineswegs so unbedarft, wie sie sich geben. Sie spielen diese Spiele gerne mit, da ihre Firma auf die recht hohen Depotgebühren und Prämien angewiesen ist, und sie Kenntnisse über handelnden Personen und Sachverhalte für sich und ihre geheimen Auftraggeber im Süden von München zu nutzen gedenken. Im Verlagshochhaus des Neuen Deutschland hat sich ein gewisser Knopka im obersten Stockwerk bei einer durchaus seriösen Firma eingeschlichen. Zusammen mit den Herren von der ehrenwerten Gesellschaft und weiteren Handlangern stiehlt man kurzerhand an der Rampe des Zeitungsvertriebs einige Dutzend Postvertriebssäcke. Im Osten, in der Nähe der Rennbahn Hoppegarten, betreibt Bery wie alle Leute seines Schlages zur Tarnung eine Pizzeria. Dort werden in den Hinterräumen rund fünfzig Postsäcke mit eilends gekauften mehr als zwei Tonnen Fotokopierpapier gefüllt und verplombt. Danach werden die Säcke in einer Nacht und Nebelaktion mit einem geliehenen LKW zum Verlagshochhaus gebracht und an der Rampe, getrennt von den Postvertriebsstücken des Verlages abgestellt. Nun wird Tim gebeten, zusammen mit Knopka und weiteren Handlangern, die Säcke mit den lybischen Dinaren aus DDR / SED Besitz zur Einlagerung in den Kellern und Bunkern der von der ASE-Securitas GmbH als Wachfirma betreuten Gebäude der ehemaligen Schule der HVA, dem Auslandsnachrichtendienst der DDR, der HVA zu verbringen. Dies geschieht ebenso, wie später die Einlagerung von vorgeblich 12,5 Tonnen Gold in Blechkisten, die von einem gewissen Reinecke im Auftrag des Bond mit gefälschten Personalpapieren bei der Firma ASE-Securitas GmbH angeliefert werden. Von Popov, einem bereits vor der Wende den Geschäftsführern der ASE-Securitas GmbH dienstlich bekannten Russen, übernimmt Tim durch seine Firma OWIG in der Schweiz einen Pilotenkoffer gefüllt mit Glasphiolen, der laut neutralen Gutachter aus der Schweiz Cäsium 137 enthält. Der Koffer wird im atombombensicheren Bunker der ehemaligen HVA untergebracht. Für die eingelagerten Gegenstände stellt Tim den Anlieferern Depotscheine der Firma ASE-Securitas GmbH aus. In der Zwischenzeit forciert Neuseppel das eingangs erwähnte Geschäft mit den falschen 100-US-Dollarscheinen, die auf Drängen von Bery diesem von Ventoro, gleichfalls einem Vertreter der Ehrenwerten Gesellschaft Italiens, gegen Vorkasse besorgt werden. Bei der Übergabe der falschen US-Dollar an den von Neuseppel vermittelten bayrischen Käufer wird Bery in München am Hauptbahnhof festgenommen. Seine Pizzeria in Hoppegarten wird durchsucht und geschlossen. Bond setzt sich nach Hamburg ab, von wo er ab 1994 die bei der ASE-Securitas GmbH eingelagerten Waren über die bei Graudevisenhändlern so beliebten Faxrundschreiben anbietet. Um möglichst viele potenzielle Käufer über den Tisch ziehen zu können, haben Bery und Knopka sich in einem Büro in den Geschäftsräumen der ASE-Securitas GmbH eingenistet und fälschen eine Vielzahl von Depotbescheinigungen, die sie an die Interessenten in der gesamten Bundesrepublik und den Staaten der EU faxen. Unter den Interessenten befinden sich windige Rechtsanwälte ebenso wie honorige Notare, die solche dunklen Geschäfte standeswidrig an Dritte weitervermitteln, daneben Ärzte, Zahnärzte und Geschäftsleute, die ihre schwarzen Kassen waschen wollen, wie auch reine Betrüger, die gleichfalls versuchen, mit solchen Depotscheinen ein Schnäppchen zu machen. Unter den im Verlauf der späteren Ermittlungen identifizierten Vermittlern befindet sich auch ein gewisser Doc, von dem später noch viel die Rede sein wird. Mehrmals treffen sich Anbieter mit Interessenten in den Geschäftsräumen der ASE-Securitas GmbH, in Rechtsanwaltskanzleien der Schweiz und Österreichs wie auch der Bundesrepublik, in Frankfurt, Nürnberg und Berlin. Originaldepotscheine werden als Sicherheit gegen handfeste Abschlagszahlungen übergeben. Das Depot wird dagegen den Interessenten immer nur von außen zugänglich gemacht. Diese bewundern die Größe des doppelt umzäunten Geländes der ASE-Securitas GmbH, wie auch die Größe der zu besichtigenden Bunker. Sie sitzen im ehemaligen Führungsbungalow des Markus Wolf als Gäste, von Tim, Bond und den Seinen fürstlich bewirtet, und lassen sich, wegen fehlender Schlüssel von der Besichtigung des Goldschatzes und der übrigen Wertsachen abbringen. Angelockt von einer solchen Belohnungsregelung kommt, nach dem Verlust von 50.000,00 DM als Vorkasse auf eine Depotübertragung, ein im Übrigen fast bankrotter Kaufmann auf die Idee, den Sachverhalt mit den beliehenen Depotscheinen und den angeblichen Wertsachen aus DDR Besitz bei der Unabhängigen Kommission Parteivermögen vertraulich anzuzeigen, um möglicherweise zumindest eine satte Belohnung einzustreichen. Die der UKPV mitgeteilten Sachverhalte werden an die ZERV weitergeleitet und im Rahmen eines Strukturverfahrens aufgearbeitet. Sie führen danach zur Einleitung eines Verfahrens gegen Bond, Tim, Günther und weitere Personen.

 In der Zwischenzeit sind die Akten mit Beschlüssen zurück. Der Einsatzplan steht. Die Staatsanwaltschaft signalisiert grünes Licht für die bundesweite Großaktion. Da läuft erneut ein Telefonat auf Bokolic´s Telefon auf, in dem ein Mann namens „Schneider“ oder „Müller“ oder „weiß nicht mehr“, mit welchem Namen auch immer er sich davor bei mir gemeldet hat, also ein anonymer Behördenmensch einer anonymen Behörde sich mit einem anonymen Hinweis meldet. Der Anrufer gibt unmissverständlich zu verstehen, dass er vom Zeitpunkt und den Objekten unserer Durchsuchungsaktion unterrichtet ist. Er nimmt Bezug auf die geplante Durchsuchung des Geländes der ehemaligen Schule der HVA in Gosen, und hier aller Räumlichkeiten, die von einer der Firmen von Tim oder Günther gemietet sind, oder zu denen die Mitarbeiter dieser Firmen Zutritt haben. Danach gibt er kurz und knapp an, dass seine Behörde vor längerer Zeit durch einen operativen Vorgang Kenntnis von der Einlagerung von mehr als 10 Kilogramm vermutlich radioaktiven Cäsiums 137 erlangt hat, die durch eine der im Beschluss genannten Firmen dort eingelagert sind oder zumindest vor einigen Tagen noch eingelagert waren. Er meint noch trocken anmerken zu müssen, wir sollten diese nicht gerichtsverwertbare Erkenntnis im gesundheitlichen Interesse unserer Durchsuchungskräfte ausreichend berücksichtigen. Bokolic fällt fast der Hörer aus der Hand, als er auf seine nochmalige Rückfrage bestätigt bekommt, dass es sich um insgesamt dreizehn Kilogramm radioaktives Cäsium handeln soll, die dort bereits mehrere Monate eingelagert seien. Jede weitere Nachfrage wird danach abgeblockt, das Gespräch abrupt beendet. Über dieses Gespräch schreibt Bokolic nach Studium aller verfügbaren Unterlagen über die Gefährlichkeit sowohl von radioaktivem als auch inaktivem Cäsium der Isotopenreihe 136 und 137 noch am gleichen Tag einen innerdienstlichen Vermerk und lege diesen sofort seinen Vorgesetzten vor. Aus den beigezogenen Unterlagen geht hervor, dass selbst das inaktive Cäsium für den menschlichen Organismus fast so giftig ist wie Plutonium, und aufgrund seiner hohen Affinität zu Wasser eine enorme Sprengwirkung aufzeigt. Schnell ist allen Beteiligten klar, dass allerhöchste Alarmstufe angebracht ist. Vorsorglich werden ausgebildeten ABC Helfer der Berliner Polizei und alle verfügbaren Strahlenmesstrupps zu dem Einsatz hinzugezogen, und Sicherungs- und Absicherungsmaßnahmen getroffen. Einige Tage später erscheint in der Illustrierten Stern ein größerer Artikel über den illegalen Handel mit radioaktivem Material aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Angeführt wird ein Verkauf von 13 Kilogramm radioaktiven Cäsiums durch einen namentlich genannten Russen aus Moskau. In diesem Artikel wird, rein zufällig natürlich, auch die Gefährlichkeit von radioaktivem und inaktivem Cäsium ausführlich geschildert. Am Tage der Durchsuchung fahren mit Strahlenmesstrupps eine Kolonne von Einsatzfahrzeugen der Berliner Polizei, sowie eine Hundertschaft der Brandenburgischen Bereitschaftspolizei, in Richtung Gosen und dort zur Schule der HVA. Zugleich werden weitere Durchsuchungsobjekte in Berlin, Brandenburg und Hessen angefahren und eingekreist. Nach Uhrenvergleich beginnt zeitgleich an allen Objekten die Absperrung und Durchsuchung. Während in Berlin die Einsatzleitung und zwei Staatsanwälte eingehende Meldungen verfolgen, wird das ehemalige HVA-Gelände sektoren- und abschnittsweise abgeriegelt, einzelne Bunker, Garagen, Bungalows sowie die Schulungsgebäude, zuerst von den Strahlenmesstrupps ausgemessen und nach Freigabe durchsucht. Tim wird an seinem Wohnort angetroffen und sofort zur Dienststelle verbracht. Nachdem die Messungen der infrage kommenden Gebäude keinerlei Anzeichen von Strahlung erkennen lassen, wird Tim vom für diesen Deliktsbereich zuständigen Staatsanwalt in Bokolic´s Beisein befragt. Zuerst will er von Cäsium überhaupt nichts wissen. Nach Vorlage des in seinen Unterlagen gefundenen Testats über die Untersuchung einer Glasphiole mit Cäsium inaktiv in der Schweiz, und nach massivem Vorhalt über die Gefährlichkeit dieser Substanz, gibt er an, kurz vor Sicherstellung der Postsäcke einen Pilotenkoffer mit Glasphiolen aus dem Bunker der HVA entfernt und in einer Gartenlaube in einer Schrebergartenanlage mitten in der Stadt deponiert zu haben. Inhalt dieser Glasphiolen seien dreizehn Kilogramm inaktives Cäsium, das über die Firma Ost West Handelskontor aus dem Ostblock illegal über die Schweiz in die Bundesrepublik importiert wurde. Die Rede von radioaktivem Cäsium sei wohl nur aus Prestigegründen aufgekommen. Er habe sich an solchen Spekulationen aber nie beteiligt. Das Cäsium wird von den zur Gartenkolonie abgezogenen Kräften im Beisein von Tim nach Freigabe durch den Strahlenmesstrupps sichergestellt. Das diesbezügliche Verfahren wird vom Staatsanwalt an die zuständige Ermittlungsstelle für Umweltdelikte im Landeskriminalamt delegiert. Einzig und allein die Beseitigung der Glasphiolen stellt sich als ein schwieriges und die Staatsverschuldung nach oben treibendes Unterfangen heraus. Kein Institut in Berlin ist in der Lage die fachgerechte Lagerung zu gewährleisten. Es wird ein gesicherter Transport nach Karlsruhe organisiert. Das Material wird letztendlich im Kernforschungszentrum Karlsruhe unter denkbar scharfen Sicherheitsvorkehrungen eingelagert. Der Steuerzahler darf für die Lagerung und die noch unsichere Entsorgung aufkommen. Der geheime Dienst wiederum wäscht seine geheimen Hände in Unschuld. Man ist dort der Meinung jederzeit und rechtzeitig Alles, aber auch wirklich Alles nur Notwendige im Interesse der Bundesrepublik Deutschland veranlasst zu haben.