Filzokratie

 Filzokratie, über kriminelle Beziehungsgeflechte

 In einem Ort ergibt die Durchleuchtung freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Beziehungen ein Abhängigkeitsgeflecht besonderer Güte. Herr Bürgermeister ist gesegnet mit einer Ehefrau, zwei gut gewachsenen Töchtern, einer Geliebten und einem Beau von einem Jungen. Daneben ist er freundschaftlich verbunden mit einem Rechtsanwalt, in dessen Büro eine seiner Töchter das Sekretariat betreut, und in dessen Büro seine Ehefrau, zumindest weisen Lohnsteuerbelege dies so aus, die Putzfrau spielt. Herr Rechtsanwalt vertritt natürlich in allen rechtlichen Belangen die Gemeinde unseres Bürgermeisters. Herr Rechtsanwalt hat noch einen Bruder, der unter der gleichen Anschrift ein Planungsbüro betreibt. Wie es der Zufall will, ist dort die zweite Tochter des Bürgermeisters in Ausbildung gekommen. Wie es der Teufel will, der ja bekanntlich im Detail steckt, wird just zur gleichen Zeit vom Bürgermeister dem mit allen Planungsaufgaben der Gemeinde betrauten Ingenieurbüro das bisherige Vertrauen entzogen, und ab diesem Zeitpunkt das Töchterlein ausbildende Planungsbüro von der Gemeindevertretung mit allen laufenden Planungen betraut. Der Zufälle nicht genug, taucht in dem neuen Freundeskreis noch ein umtriebiger Bauunternehmer auf, dessen fleißige Ehefrau als Steuerberaterin für den Herren Rechtsanwalt, dessen Herrn Planungsbruder und selbstverständlich auch den Herrn Bürgermeister tätig ist und für alle Steuererklärungen verantwortlich zeichnet. Mit einer größeren Finanzspritze beteiligt sich der Bauunternehmer an der Firma des Planungsbruders. Im Gegenzug gründet der agile Sohn des Bürgermeisters auf freundschaftlichen Rat eine Immobilienverwaltungs- und Bewirtschaftungs-GmbH unter stiller Beteiligung aller vorgenannter Freunde, die ganz selbstverständlich den gesamten kommunalen Gebäudebestand der Gemeinde bewirtschaftet, Renovierung und Rekonstruktion der Gebäude durchführt sowie die Verwaltung der Maßnahmen und der Gebäude besorgt, was wiederum zu einem durchaus mehr als fürstlichen Salär des Bürgermeistersohnes als Geschäftsführer dieser GmbH führt. Der stolze Vater kann, wie der Rechtsanwalt, sein Bruder Planingenieur und auch der Bauunternehmer nebst steuerberatender Ehefrau über Aufträge und Beraterhonorare doppelt absahnen. Daneben gründet der Bauunternehmer unter gleichfalls klammheimlicher, stiller Beteiligung des willigen Bürgermeisters, wie auch des Planungsingenieurs und des Rechtsanwalts eine weitere Baufirma, um mit demselben Spiel auch in anderen Kommunen zum Zuge zu kommen. Dem Landrat als dem Leiter der Kommunalaufsicht sind solche Spielchen nicht suspekt, denn er ist glühender Verfechter der neuen freien Marktwirtschaft, jedoch nur solange sie dem eigenen Machterhalt und dem Wohlergehen seiner „Cliquenwirtschaft“ dienlich sind. Die möglicherweise eintretenden Verluste in den öffentlichen Haushalten und am Volksvermögen sollten, wie schon immer, natürlich sozialisiert bleiben. Wer nun glaubt, die geschilderten rein zufälligen Freundschaften und Seilschaften seien das Ende der Kletterstange, der irrt sehr. Die erwähnte Konstellation kommt einem zugereisten bayerischen Bäuerchen, das vom Erlös aus dem Verkauf seines Not leidenden Almhofes sich in Neudeutschland fast eine ganze Gemeindegemarkung kaufen konnte und wollte, sehr zupass. Ein ehemaliger LPG Vorsitzender hat sich und auch den Seinen den gesamten Maschinenpark der LPG bei deren Privatisierung unter den Nagel gerissen und fristet nun sein Dasein gar kärglich mit dem Verleih der Baumaschinen und LKW sowie einem gut inszenierten Autohof. Dieser nun erklärt dem bayerischen jetzt aber anhaltinischen Großgrundbesitzer die Spielregeln des Landerwerbs von unwissenden Altbesitzern in den neuen Bundesländern. Daneben weiht er ihn noch in die personellen Verfilzungen der alten und neuen Seilschaften ein. So erwirbt der neuanhaltinische Bayer von einer vormals flüchtigen Ostlerin, die in der Lüneburger Heide eine neue Heimat und einen Ehemann gefunden hat, deren enteignete aber wieder zurück-gegebene ostdeutsche Heimatscholle mit einem Notariatsvertrag, den ein windiger Notar aus seinem Alten Bundesland aufgesetzt hat. Nach dem Vertrag ist der sofortige Eigentumsübergang, jedoch nicht die Zahlung des vereinbarten Billigkaufpreises, zeitlich geregelt, was zwar äußerst ungewöhnlich ist, jedoch auf die gepriesenen Qualitäten des beurkundenden Notars schließen lässt. So hat der Bauer bereits zwei Jahre lang von seinen neu erworbenen Riesenfeldern die Früchte seiner Arbeit geerntet, ohne einen Pfennig für den Erwerb des Bodens bezahlt zu haben. Dann kommen wieder die besonderen Zufälle zum Tragen. Zufällig trifft der Bauer auf Vermittlung des ehemaligen LPG Vorsitzenden, der bei der letzten Kommunalwahl zufällig einer der Gemeindevertreter wurde, den gleichfalls nicht ganz zufällig auf den Bürgermeisterposten gekürten Menschen mit den vielen guten Freundschaften und Beziehungen. Bei dieser mehr als denkwürdigen Begegnung sind sowohl Planungsingenieur als auch Bauunternehmer mit anwesend. Man kommt zu einem einheitlichen Entschluss: Die Gemeinde wird die an der Bebauungsgrenze liegende, durch den jetzt anhaltinischen Bayern erworbene Feldflur als Wohnungsbaugebiet ausweisen. Der Bauer wird als Großinvestor auftreten. Er wird die Erschließung aus eigener Tasche bezahlen und die parzellierten Grundstücke danach an Bauwillige insbesondere aus der Gemeinde verkaufen. Erster Käufer und Bauherr will Herr Bürgermeister sein, der für sich und die Seinen eine standesgemäße Unterkunft braucht. Zu diesem Zwecke wird ihm von dem großzügigen Bauern ein Darlehen in sechsstelliger Höhe ohne Rückzahlungsziel zugesagt. Wie beredet wird dies so beschlossen. Wie schon vor der Wende üblich, nickt die Gemeindevertretung den von ihrem Bürgermeister vorgetragenen Antrag zur Ausweisung des Baugebietes ohne Gegenstimme ab. Mit der Planung wird von dem Bauern natürlich das befreundete Ingenieurbüro beauftragt. Mit notwendigen und nicht notwendigen rechtlichen, behördlichen und außerbehördlichen Vertretungen wird Bruder Rechtsanwalt betraut. Mit dem Dritten im Bunde, dem Bauunternehmer wird ein Vorvertrag abgeschlossen. Herrn Bürgermeister ist es gelungen, mit dem Darlehen des Bauern, als Erster den Rohbau seines Hauses im Neubaugebiet hochzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt glauben nur noch die dümmsten Ostler an Versprechen von blühenden Landschaften und an dergleichen kapitalistische Irrtümer. So ist es kein Wunder, dass das Baugebiet im Ersten Bauabschnitt gerade noch so angefangen werden kann. Dann aber bekommt unser bayerischer Anhaltiner kalte Füße. Er erfährt, dass die an unheilbarem Krebs erkrankte Vorbesitzerin vor ihrem nun bald zu erwartenden Ableben auf endgültige Bezahlung des Kaufpreises drängt und bereits einen Rechtsanwalt einschalten will. Schnell entschließt er sich, angesichts der doch sehr bauunwilligen Arbeitslosen, sowie angesichts davonlaufender Kosten, einen Doppelschlag zu landen. Kurzerhand fährt er in die Lüneburger Heide, erklärt dort der todkranken Frau, es sei ihm nicht möglich den Kaufpreis in vereinbarter Höhe aufzutreiben, und er wolle den gesamten Kauf rückgängig machen. Die Frau, die in der tiefen, fernen Lüneburger Heide nichts mitbekommen hat von der Entwicklung ihrer verkauften Feldflur im Osten zu einem Neubaugebiet, erklärt sich zu einer Reduzierung des ursprünglichen Kaufpreises auf die Hälfte einverstanden. Zurückgekehrt lädt der Bauer den Herrn Bürgermeister und die übrigen an Planung und Bau beteiligten Freunde zu einer Besprechung ein. Er erklärt kurz und bündig, die Realisierung des Baugebietes stoppen zu wollen, da er pleite sei. Als Ausweg bietet er den Versammelten an, das gesamte Baugebiet an die Gemeinde zu verkaufen. Der Plan wird erörtert, und man kommt danach zu dem Entschluss, das kriselnde Bauvorhaben von dem schlauen Bäuerchen durch die Gemeinde zurückzukaufen. Dies geschieht in der bitteren Erkenntnis, dass man sonst die eher beiläufigen Wohl-taten dieses Großauftrages nicht mehr genießen kann. An dem Tage als die Gemeindevertretung, wie immer einstimmig, den Ratsbeschluss zur Übernahme des Baugebietes fasst, wird in der fernen Heide der notarielle Zusatz zum Kaufvertrag zwischen der Altbesitzerin und dem Bauern mit dem auf die Hälfte reduzierten Kaufpreis besiegelt. Zwei Wochen später wird der notarielle Kaufvertrag zwischen der Gemeinde und dem Bauern abgeschlossen. Angesichts zwischenzeitlich gestiegener Bodenrichtwerte zahlt die Gemeinde, den doppelten Preis aus dem ursprünglichen Kaufvertrag zwischen Altbesitzerin und Bauern. Sie übernimmt ferner ohne Ansehen der Kosten und ohne Ausschreibung die Planunterlagen, das Plan- und Bau überwachende Ingenieurbüro ebenso wie den Vertrag mit der Baufirma für die Erschließung aller Bauabschnitte. Viel später wird in der Gemeinde gemunkelt, das Ganze sei eine abgekartete Sache zwischen den genannten Beteiligten zum Schaden der verstorbenen Vorbesitzerin der Grundstücke sowie der gesamten Gemeinde gewesen. Dies jedoch ließ sich schlüssig nie beweisen.

 

Vergnügliche Dienstreisen

Wie man Amtsträger einkauft, Dienstreisen und andre Annehmlichkeiten

 Nachdem Bokolic Schumacher ausführlich erklärt hat, weswegen wir gekommen sind, und nachdem wir den förmlichen Teil der Belehrung hinter uns gebracht haben, sprudelt es nur so aus ihm heraus: Über all die Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten der Wendezeit, wie auch durch Selbstmitleid über die verfahrene persönliche Situation, zum Alkoholiker geworden, will er nun eine Generalabrechnung mit sich selbst und allen anderen starten. Wir, damit meint er offensichtlich die Gemeinschaft aller Ostler, haben ja nicht gewusst, was auf uns zukommt. Sie, damit meint er offensichtlich alle Westler, insbesondere diejenigen, die sich nach der Wende in Richtung Osten orientiert haben, haben uns einfach überfahren, in den Sack gesteckt, ausgenommen wie Weihnachtsgänse, und dann haben sie uns weggeworfen wie ein Stück Dreck. Es ist schwer, ihn von seiner Generallinie herunter, zu den einzelnen Punkten des Schuldvorwurfs zu bringen. Aber es gelingt trotzdem, obwohl er versucht immer wieder zu Verallgemeinerungen zurückzukehren. Nach der Wende wird er aufgrund des vielköpfigen familiären Rückhaltes in der kleinen Gemeinde vor den Toren von Halle zum Bürgermeister gewählt. Investoren aus dem Westen stehen schon Schlange vor dem Rathaus. Der Rat der Gemeinde will alle vorgeschlagenen Projekte am liebsten auf einmal durchziehen. Rechts- und Planungssicherheit scheren beide Seiten einen Dreck. Ja es ist richtig, dass seine Familie und die seines damaligen Stellvertreters, des jetzigen Nachfolgers im Amte, von einem der Investoren zur Besichtigung seiner Firma in den schönen waldreichen Spessart eingeladen werden. Ja dieser honorige Geschäftsmann bezahlt das alles. Es ist auch richtig, dass er von einem der an der Erschließung des Gewerbeparks beteiligten Bauunternehmer eine Urlaubsreise mitsamt seiner Familie nach Mallorca bezahlt bekommt. Nein er empfindet dies nicht als verwerflich. Alle, die aus dem Westen kommen, sagen, dass dies dort durchaus üblich ist. Sie müssen es doch besser wissen. Wir haben keine Ahnung von solchen Dingen. Auch habe ich den Urlaub dringend nötig gehabt. Ich weiß, dass auch in anderen Gemeinden des Kreises solche und ähnliche Dinge an der Tagesordnung sind. Ja zu Messebesuchen werden Bürgermeister und Bauamtsleiter eingeladen. Eingeladen werden sie von dem Planungsingenieur, der Planung der Verbandsgemeinde für die Abwasseranlagen durchführt. Er ist auch für die Planung und die Bauüberwachung des Gewerbeparks zuständig. Sicher werden Geldzuwendungen in bar geleistet. Dies meist im konkreten Zusammenhang mit Immobiliengeschäften und der Ausweisung als Bauland oder der Genehmigung eines Bauvorhabens. So erzählt er die Geschichte der Wendezeit. Monate später verabschiedet sich Schumacher mit einer tödlichen Dosis Hochprozentigem aus seinem jämmerlichen Diesseits. Die weiteren Ermittlungen zu seinem Geständnis sieht er sich von Wolke Sieben an. Gleichfalls vor Abschluss der weiteren Ermittlungen verabschiedet sich auch Planungsingenieur Hosenthaler durch einen tödlich verlaufenden Verkehrsunfall aus dem Diesseits. In seinen sichergestellten Geschäftsunterlagen finden wir auch Belege zu Reisekosten, besonderen Aufwendungen und Bewirtungen für Amtspersonen wie Namen und Funktionen der bedachten Amtsträger. „Wie alljährlich führen wir für alle mit uns herzlichst (geschäftlich) verbundenen Amtsträger eine Fahrt zur BAUMA nach München durch. Sie sind auserwählt und, zusammen mit einer Person Ihrer Wahl, zu dieser drei- bis viertägigen Exkursion herzlichst eingeladen. Dem Messebesuch wird eine exklusive Besichtigung unseres Mutterhauses in Fürstenhafen sowie eine Erkundung der näheren Umgebung vorausgehen“. So oder so ähnlich haben wohl die Einladungen des Ingenieurbüros Hosenthaler an Bürgermeister und Bauamtsleiter in der Region um Halle ausgesehen. Eingeladen wurden nur Amtsträger, mit denen er in angenehmen Geschäftsbeziehungen stand oder die einen zukünftigen Aufbau solcher Beziehungen signalisierten. So fährt man denn in kleinen Gruppen, mal mit der Deutschen Bundesbahn, mal mit Hosenthalers firmeneigenen Autos, ins ferne Rheintal. Der eine hat als Begleitung seine ihm angetraute Ehefrau, ein anderer seine heiß Geliebte, ein Dritter seine Tochter oder weit entfernte Cousine mitgenommen. Höchst vergnüglich gestalten sich diese Besichtigungsfahrten, wird doch von Hosenthaler für Essen und Trinken reichlich gesorgt und auch die angebotenen Betten sind vom Feinsten. Am Spätnachmittag des ersten Tages überzeugt man sich in den Firmenräumen von der Leistungsfähigkeit der Firma und danach, ermattet von den Anstrengungen des harten Tages, lässt man den Abend in einem vornehmen und teuren Restaurant ausklingen. Die Eheleute sowie Vater und Tochter gehen anschließend brav ins Bett, denn ihnen ist für den nächsten Tag ein Ausflug ins nahe Heidelberg versprochen worden. Die Junggesellen und ihre nicht mit ihnen verwandten weiblichen Begleiter feiern in einem Lokal mit einer roten Laterne an der Tür auf Hosenthalers Rechnung bis in die frühen Morgenstunden. Am Morgen danach begleitet die Gattin Hosenthaler die Geschäftspartner mit Familie zu einem Familienausflug nach Heidelberg, danach noch nach Freiburg um alle ihre Wünsche aus ihrem oder dem Firmenportefeuille zu befriedigen. Die losen Buben nebst Anhang verleben mit Herrn Hosenthaler einen gemeinsamen feuchtfröhlichen Nachmittag in elsässischen Weinstuben und einen echt französischen Abend unter dem Straßburger Münster. Der nächste Tag bringt die Gruppe wiedervereinigt mit der Eisenbahn nach München zur BAUMA. Nach obligatorischem Kurzrundgang sind alle furchtbar durstig und hungrig. Diesmal zeigt Herr Hosenthaler den Geschäftsfreunden das kulinarisch anspruchsvolle München. In einem Gastronomietempel der Nouvelle Cuisine wird für 300 Deutsche Mark pro Kopf und Nase, zuzüglich der Getränke, fürstlich diniert. Fürwahr lumpen lässt sich Herr Hosenthaler an diesem Tage nicht, denn der beiden Seiten allzu teure Abend endet nach Abschluss in einer Schwabinger Edeldisco, in einem Hotel, das nur drei- und mehrstelligere Suitenpreise kennt. Am nächsten Morgen heißt es Abschied nehmen von München und von Hosenthalers Spendierhosen. Ein Teil der Gruppe fährt mit dem Zug der Heimat entgegen, die Familiensinnigen begeben sich, weil ihre Aufträge für Hosenthaler besonders lukrativ sind, auf dessen Rechnung noch auf eine vierzehntägige Provisionsreise durch die italienische Toskana. Im Wissen um den toten Hosenthaler bestreitet bei den Vernehmungen ein Großteil der betroffenen Amtsträger die Teilnahme an den Messebesuchen zwar nicht. Sie bestreiten nicht, dass Hosenthaler für Fahrtkosten und Unterkunft aufgekommen ist. Jedoch bestreiten diese nachdrücklich weitere zusätzliche Leistungen insbesondere aber die, durch Quittungen aus der Firma Hosenthaler belegte Höhe. Hosenthaler habe die Beträge nur vorausgelegt und dann in bar zurückbekommen, so argumentieren sie. Da die seltsamen Auslegungen seiner Buchhaltung von Hosenthaler unwidersprochen bleiben müssen, ist in einigen der Fälle die richtige richterliche Wertung der Schutzbehauptungen die einzige Hoffnung. Daneben eröffnen sich jedoch in anderen Fällen neue Wege der ausgleichenden Gerechtigkeit. Diese werden durch eine eher zufällige Befragung einer Amtsträgerin eröffnet, die wegen ihrer übergroßen Skepsis keine Teilhabe an den Freuden der Messebesuche gehabt hat.

 

 

Generalvertrag mit Spesenabrechnung

 Windige Verträge und kriminelle Spesenabrechnungen

 Die Amtsträgerin erzählt Bokolic:

 „Seit Errichtung der neuen Verwaltungsgemeinschaft bin ich zur Leiterin derselben bestellt worden. Bis dahin war ich Bürgermeisterin in einer der Gemeinden. Es ist richtig, dass die Gemeinden in unserer Verwaltungsgemeinschaft, wie auch im gesamten Kreisgebiet, mit dem Ingenieurbüro Hosenthaler als Planungs- und Bauüberwachungsbüro arbeiten. Das Zustandekommen der Verträge schildere ich aus der Sicht meiner damaligen Gemeinde. Kurz nach der Wende waren die Neuen Bundesländer, ebenso wie Gebietskörperschaften und Kommunen gezwungen, neben dem Aufbau der Verwaltungen auch die Bautätigkeit und Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur durch Erarbeiten von Leitplänen mit den anderen raumpflegerischen Belangen in Einklang zu bringen. Wir waren hierin auf die volle Unterstützung durch die alten Bundesländer angewiesen. Im Anfang haben wir auf die patenschaftliche Zusammenarbeit mit den Kommunen in den alten Bundesländern gesetzt. Vaterstadt war eine Stadt aus den alten Bundesländern, die mit Fürstenhafen unsere Gemeindeverwaltungen betreute. Aus heutiger Sicht kann ich dieser patenschaftlichen Betreuung nicht nur Gutes abgewinnen. In vielen Fällen waren die beamteten Helfer nicht ausreichend qualifiziert. Ja es hat den Anschein, als habe man sich im Westen die ungeliebten Mitarbeiter durch Abordnung in den Osten mit der Möglichkeit einer späteren Versetzung in die Neuen Bundesländer entledigen wollen. Dies trifft beileibe nicht für alle Fälle zu. Aber es ist allzu oft so gewesen. Daneben haben sich Privatfirmen aus dem Westen, jedoch nicht unbedingt die Besten, entschlossen, ihr Betätigungsfeld auf das neue Betätigungsfeld ihrer in den Osten gesandten „beamteten Freunde“ auszudehnen. Die Ingenieurfirma des Herrn Hosenthaler war auch ein solcher Fall. Aus heutiger Sicht unverständlich ist die Tatsache zu werten, dass Hosenthaler mit vielen Kommunen in der Nachwendezeit Generalverträge abschließen konnte, ohne dass ein informierter Westberater dagegen eingeschritten ist. Ich erinnere mich noch an die ersten Verhandlungen mit meiner damaligen Gemeinde. Herr Ingenieur Hosenthaler hatte bereits die Planungshoheit über die zu bauenden Abwasseranlagen des Kreises in der Tasche. Unter Berufung hierauf betonte er immer, wie vorteilhaft es für alle Gemeinde wäre, denselben Planungsingenieur auch mit den kommunalen Planungen und weil dieser „alles bestens kenne“ auch mit der Bauüberwachung und darüber hinaus mit der Überwachung der Gewährleistungsfristen bis zur Endkontrolle der Abrechnung mit allen bauausführenden Firmen zu betrauen. Der unserer Gemeinde vorgelegte Entwurf eines Generalvertrags beinhaltete alle bis ins Jahr 2000 möglicherweise zu realisierenden Strukturprojekte wie Bau und Ausbau der Wasserleitung, des Kanals, der Straßen, Erstellen der Flächennutzungspläne sowie der Tief- und Straßenbauplanung für Neubaugebiete im Wohnungs- und Gewerbebau und für alle öffentlichen Bauten. Rein vorsorglich faxte ich diesen Entwurf des Generalvertrages zu einem der Bauamtsleiter unserer Patenkommune in Vaterstadt mit der Bitte um Stellungnahme. Bei einem ersten Telefonat wurde dieser Vertrag als unzumutbar für die Gemeinde bezeichnet. Nachdem ich dies unter Berufung auf das Telefonat Hosenthaler erklärt habe, kam vierzehn Tagen danach von eben diesem Amtsleiter schriftlich eine durchaus positive Beurteilung des Generalvertrages in meinem Büro an. Wie dieser Sinneswandel zustande kam, ist mir bis heute unerklärlich. Aufgrund der Stellungnahme haben dann jedoch die Gemeinderäte dem Vertrag schließlich zugestimmt. Diese Generalverträge haben unsere Gemeinden sehr viel Geld gekostet. Meine Gemeinde konnte von dem Generalvertrag nach zwei Jahren zurücktreten, weil wir im Nachhinein Mängel in der Vertragsgestaltung nachweisen konnten“. Der Meinungsumschwung im Bauamt von Vaterstadt lässt sich allenfalls durch mehrere Urlaubsreisen beamteter Mitarbeiter und Stadtverordneter zur Besichtigung in diversen Kommunen in Mexiko erklären, die aus den von Bokolic sichergestellten Buchungsbelegen der Firma des verstorbenen Hosenthaler hervorgehen. Leider liegen diese Urlaubsreisen soweit zurück, dass der Rauschebart der Verjährung alle sonstigen Zusammenhänge und strafrechtliche Konsequenzen zudeckt. Die Leiterin der Verbandsgemeinde hat von Einladungen zur BAUMA nach München auch gehört. Soweit ihr bekannt ist, haben einige der Bürgermeister und Bauamtsleiter für den Besuch der Messe in München Dienstreisen beantragt, die auch genehmigt wurden. Die Karten für den Besuch der BAUMA sind von der Firma Hosenthaler bereitgestellt worden. Von Vergünstigungen auf diesen Dienstreisen ist ihr jedoch nichts bekannt. Die Abrechnungen für die Dienstreisen werden bei ihrer Verwaltung aufbewahrt. Diese können Bokolic und Kollegen einsehen, sobald eine diesbezügliche staatsanwaltschaftliche Verfügung vorliegt. Tage später werden die Unterlagen eingesehen und es finden sich für einige Herren, die schon Reisen mit Hosenthalers Express nach München bestätigt haben, wie auch für andere, die noch leugnen, dienstliche Abrechnungen über Fahrtkostenpauschalen mit dem eigenem Pkw, Tagungs- und Übernachtungsgelder, einschließlich der Abrechnung von Überstunden anlässlich des Besuchs der BAUMA. Ab diesem Fund macht sich keiner mehr in Bokolic´s Kommissariat Sorgen um die richterliche Abrechnung mit den zwangsweisen wahrheitsliebenden aussagewilligen Staatsdienern. Im Volksmund sagt man ja auch: „Wer den Rachen nicht voll genug bekommt, der erstickt irgendwann an einem zu fetten Bissen“. Ein Großteil der Betroffenen bequemt sich nunmehr, angesichts der Beweislage, doch das Gespräch mit der Anklagebehörde zu suchen, die, angesichts ihrer permanenten Arbeitsüberlastung, gerne bereit ist, mit Zustimmung des ebenfalls ständig überlasteten Gerichts, die Verfahren ohne Verhandlungen mit saftigen Bußgeldern oder Geldstrafen zu erledigen. In der Folge prüft die Kommunalaufsicht Dienstreiseabrechnungen der bewussten Öffentlich Bediensteten auch in anderen Bereichen etwas genauer. Dabei kommen seltsame Begebenheiten zutage. Der Leiter einer Verbands-Gemeinde gleichzeitig Bürgermeister einer Gemeinde will am gleichen Tag zur gleichen Zeit sowohl mit dem Pkw der Gemeinde als auch mit dem Dienstfahrzeug der Verbandsgemeinde auf Dienstfahrt gegangen sein. Eine fürwahr gespaltene Persönlichkeit sozusagen. Ein anderer Bürgermeister will in einem Jahr mit dem eigenen Pkw im Auftrag der Gemeinde den Erdball auf deren Rechnung, umrundet haben und dies, obwohl ihm ein Dienstwagen zur Verfügung stand. Auch mit Telefonen lassen sich die Herren nicht lumpen. Neben den Amtstelefonen benötigen sie möglichst zwei bis drei Mobiltelefone mit Monatsabrechnungen bis zu einem halben Tausender und darüber. Dies alles, bei einer Untertanenzahl unter Tausend Personen, lässt einen erheblichen Betreuungsbedarf des einzelnen Bürger erkennen. Fremd gesponserte Dienstreisen, in die Länder rund ums warme Mittelmeer und zu den dazugehörigen Inseln, sind ebenfalls immer wieder Anlass, Gelder aus Kassen öffentlicher Hände zu beanspruchen und zu erhalten. Bei Durchleuchtung der Buchungsbelege einer anderen Firma bekommen Bokolic und seine Kollegen eine „Weihnachtsgeschenkliste“ für mehrere Jahre zu Gesicht. Abgestuft nach Rang und Wertigkeit der Be-ziehungen werden dort Sekt- Wein- und Branntwein-flaschen aber auch Hochprozentiges sowie der Elektronikklimbim der Unterhaltungsbranche auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Namen der Bedachten nebst Amt und Funktion aufgeführt. Gerne sind die so Bedachten dann auch bereit durch Auftragsvergabe den Sponsoren die Möglichkeit der Gewinnmaximierung zu geben. Kleine gegenseitige Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft.