Querbeet durch Strafrecht und Strafprozessrecht geht es in den folgenden Geschichten. Ermittlungen zu Diebstahl, Betrug, Falschgeld.- und Waffendelikten bis hin zu organisierter Kriminalität im In- und Ausland. In den Geschichten werden in oft amüsanter Form auch die Schwierigkeiten der Ermittlungsarbeit und mangelnde Kooperation in und zwischen Behörden geschildert.
Der Ermittler Bokolic stellt fest, dass die Eigeninitiative bei der Aneignung notwendiger Fachkenntnisse in Straf- und Prozessrecht auf Unverständnis bei Vorgesetzten führt. Alles, was nicht in den offiziellen Lehrplänen zu finden ist, kann ihrer Meinung nach nur zur Störung eines geregelten Betriebsablaufes führen. Ein normaler Ermittler, wie Bokolic, darf ohne Zustimmung seiner Behördenleitung selbst von einem unabhängigen Richter nicht als sachverständiger Zeuge gehört werden. Der Amtschimmel wiehert bis in die Spitzen der Behörden ob eines renitenten, unbotmäßigen Beamten, der sich erdreistet, vor Gericht sich auf solch ein Ersuchen einzulassen.
Gegen Ende seiner Grundausbildung an der Polizeischule muss Bokolic Farbe bekennen. Er gehört mit drei seiner Kollegen zur Minderheit der Nichtschwimmer. Während die Mehrheit der Auszubildenden die notwendigen Prüfungen im Fahrten- und Rettungsschwimmen absolviert haben, werden die drei Schlappies auf die dem Ausbilder eigene Art und Weise zu polizeitauglichen Schwimmern ausgebildet. Nacheinander werden sie auf den Zehnmeterturm gejagt und nacheinander werden sie von dem Ausbilder mit einem leichten, manchmal auch kräftigen Schubs ins Wasser der Schwimmhalle befördert, wo sie entweder aus eigener Kraft oder mit Hilfe der Kollegen den rettenden Rand des Bassins erreichen. Am Ende werden die drei Nichtschwimmer ohne weiteres Zutun des Ausbilders, mit tatkräftiger Unterstützung aller Kollegen, die geforderten Prüfungen bestehen. Im Laufe des Weiteren Berufslebens wird Bokolic die Erfahrung machen, dass diese Art des Schwimmen Lernens bei der Polizei in allen Bereichen durchaus übliches Verfahren zu sein scheint. Am Ende seines Berufslebens angelangt, stellt Bokolic fest, dass ihm, im Gegensatz zu vielen seiner lehrgangsversessenen Kollegen, außer den rudimentären Laufbahnlehrgängen nur drei Wochen Zeit gegeben wurde, sich bei seichten wie meist überflüssigen Lehrgängen weiterzubilden. Alle übrigen für die eigentliche Ermittlungsarbeit notwendigen theoretischen und praktischen Fertigkeiten durfte er sich, nach einem Tritt von Vorgesetzten, mit einem Sprung ins kalte Wasser der Ermittlungen in Eigenregie aneignen.
Bereits in den ersten Jahren als Ermittler stellt Bokolic entsetzt fest, dass die Eigeninitiative bei der Aneignung notwendiger Fachkenntnisse nur auf Unverständnis bei Vorgesetzten führt. Alles, was nicht in den offiziellen Lehrplänen der Polizeischulen zu finden ist, kann ihrer Meinung nach nur zur Störung eines geregelten Betriebsablaufes führen. Ein normaler Ermittler, wie Bokolic, darf ohne Zustimmung seiner Behördenleitung selbst von einem unabhängigen Richter nicht als sachverständiger Zeuge gehört werden. Der Amtsschimmel wiehert bis in die obersten Spitzen der Behörden ob eines renitenten, unbotmäßigen Beamten, der sich erdreistet, vor Gericht sich auf solch ein Ersuchen einzulassen. Es spielt hierbei keine Rolle wie das Gericht und alle am Verfahren Beteiligten zu dem Urteil gekommen sind, dass der einfache Zeuge nunmehr als sachverständiger Zeuge gehört werden soll. Auch der durch die Anhörung erst mögliche Verfahrensabschluss mit entsprechendem Urteil ist vollkommen unerheblich.
Nicht viel anders ergeht es Bokolic, als er in seiner Zeit im Kriminaldauerdienst Durchläufer in die Aufgaben dieser Institution, wie auch in die Tücken polizeilicher Datensysteme einweihen darf. Die Durchläufer sind voll gestopft mit den theoretischen Erkenntnissen des hinter ihnen liegenden Lehrgangs, der, wie immer, wenig Raum ließ für praktische Erwägungen. Bokolic nennt seine Computer nur die Blechidioten, weil sie mit ihren standardisierten Programmen zwar in der Lage sind gewaltige Datenmengen zu verarbeiten, jedoch sind Plausibilitätskontrollen bei Eingabe und Abfrage von Daten oft unzureichend und noch dazu von der Sorgfalt des menschlichen Maschinenbedieners abhängig. Bei personenbezogenen Daten, die im polizeilichen Alltag die Regel sind, erweisen sich Fehler als verhängnisvolle Fallen. Von solchen praktischen Beispielen wollen die in der Theorie auf der Höhe der Erkenntnisse stehenden Fachschulabgänger oft nichts wissen. Sie gehören zu der jungen Generation der Computergläubigen, die die Meinung vertreten, dass die Technik in der Lage ist, auf Knopfdruck für sie alle Kriminalfälle zu lösen. Die erste Hürde für Bokolic ist an praktischen Beispielen diese Ansicht zu relativieren. Nicht dass Bokolic Beispiele dafür zur Genüge kennt, nur er darf auf die bekannten Beispiele nicht zurückgreifen, weil die Abfrage von Personendaten im konkreten Fall nur mit einem polizeilichen Auftrag zu begründen ist. Also bleibt ihm nichts anderes übrig als „Spielsätze“ zu erfinden um an diesen die Tücken des Objektes zu erklären. So erfindet Bokolic Spielsätze, wobei er drauf achtet, dass diese schon im Ansatz auf gewisse Problematiken bei der Eingabe, wie auch der Abfrage hinweisen. So ist ein großes Problem die unterschiedliche Schreibweise ausländischer Namen, Doppelnamen ebenso wie der Geburtsdaten von Personen aus Ländern in denen auch heute noch ein anderer Kalender bestimmend ist. Zum Beispiel wird eine in einem osteuropäischen Land geborene Frau von der Ausländerbehörde als Sytkowetzkaja, von einer Polizeibehörde als Sytkowetzk und einer anderen Behörde als Sytkowetzki erfasst. Nach mehreren Recherchen in den Computersystemen der Länder ergeben sich insgesamt fünfzehn unterschiedliche Bestände, die allesamt einer Person zuzuordnen sind. Ad absurdum führt die Tatsache, dass diese Person, zu mehr als Fünfjähriger Freiheitsstrafe verurteilt, aus dem Zentralcomputer der Ausländerbehörde entfernt wird. Sie ist über fünf Jahre unbekannt verzogen, weil in einem Bundesland, im Interesse Betroffener die in einer JVA einsitzenden Personen nicht polizeilich angemeldet werden. So erfindet Bokolic auch einen Datensatz dessen wesentlichen Personendaten wie folgt lauten: Vorname: Itsmir oder auch Izmir, Nachname: Übel oder auch Uebel, Aliasname: Kozer oder auch Kotzer, usw. Diesen Datensatz nimmt einer der Jungspunde zum Anlass, sich bei Bokolic’s Abteilungsleiter über die rassistischen Unterrichtsmethoden desselben zu beschweren. Dies ist ein durchaus willkommener Anlass dem praxisnahen Treiben Bokolic’s ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Leuchtendes und nie vergessenes Beispiel aber für den immer wieder zu übendem Sprung eines ungeübten Schwimmers ins kalte Wasser ist die Feststellung, dass Bokolic wohl der einzige Sachgebietsleiter für Falschgeld und Glücksspieldelikte war, der nie einen entsprechenden Fachlehrgang geschweige denn einen Aufbaulehrgang besuchen durfte. „So etwas muss ein Sachgebietsleiter des Hessischen LKA auch ohne Lehrgang meistern“, meinten übereinstimmend seine Vorgesetzten bei Vorhalt des betroffenen Bokolic. Es genügt ein Besuch bei der Firma Heidelberger Druck, der wegen unvorhergesehener Ermittlungen nach drei Tagen abgebrochen wird.
Bokolic ist vor der Rückkehr zur Stammdienststelle als Durchläufer auf seiner allerletzten Station, einem Betrugskommissariat einer südhessischen Dienststelle, gelandet. Einer der Sachbearbeiter hat sich Tage zuvor mit einem Herzinfarkt für längere Zeit von der Dienststelle verabschiedet, sodass dessen Akten nun verwaist auf dem Schreibtisch vor sich hin stauben. Bokolic hat die Aufgabe übernommen, sich in den vierzehn Tagen seines Durchlaufs um die verwaisten Ermittlungsverfahren zu kümmern und Unaufschiebbares möglichst schnell abzuarbeiten. So wühlt er sich von oben nach unten durch den Aktenberg, um festzustellen, in welchem Verfahren welche Ermittlungsschritte unaufschiebbar erscheinen. In den ersten zehn Verfahren hat er bereits die Staatsanwaltschaft mit einer kurzen Liegeverfügung davon in Kenntnis gesetzt, dass wegen einer Erkrankung des Sachbearbeiters derzeit alle nicht dringlichen Ermittlungen ausgesetzt werden. Bei der weiteren Durchsicht bemerkt Bokolic in einer frisch eingegangenen Akte Durchsuchungsbeschlüsse, die nach einer Verfügung der Staatsanwaltschaft auf schnelle Ausführung warten. Nach Rücksprache mit dem Kommissariatsleiter führt sich Bokolic den bisherigen Inhalt der Akte zu Gemüte, um danach die notwendigen Vorbereitungen für die Durchsuchungen zu treffen. Die Akte beginnt mit der Anzeige eines angesehenen Immobilienmaklers aus dem Hochtaunus gegen einen niederländischen Staatsbürger, der gleichfalls auf dem Immobiliensektor tätig, sich für einige Monate im Büro der Taunusimmobilien eingemietet hatte. Über Telexanschluss und Adresse der Taunusimmobilien hat der Niederländer unter dem Pseudonym van Anderen eine Vielzahl von Luftgeschäften mit vorgeblich in seinem Besitz befindlichen Immobilien getätigt und ist danach eines Tages einfach untergetaucht. Mitgenommen hat er ein Firmenfahrzeug und Teile der Einrichtungen des Büros. Hinterlassen hat er unbeglichene Mietforderungen sowie einen Berg unbezahlter Rechnungen, die er der Einfachheit halber alle an die Taunusimmobilien adressieren ließ. Nun ist die Akte mit Beschlüssen an das Betrugsdezernat des Kommissariats in der Opelstadt gekommen, weil nach den Recherchen des Staatsanwaltes der Beschuldigte van Anderen einen weiteren Firmensitz hierorts unterhält. Auch sind weitere Anzeigen gegen van Anderen aus dem gesamten Bundesgebiet eingegangen, die den dringenden Verdacht begründen, dass sich dieser van Anderen unter Mithilfe eines Notars Millionenkredite von mehreren Kreditinstituten unter der Vorspiegelung unzutreffender Besitzverhältnisse und Vermögenswerte erschlichen habe. Die Beschlüsse richten sich gegen den van Anderen und einen der Beihilfe verdächtigen Notar und beinhalten die Durchsuchung der bekannten Firmenräume und sonstigen Räume des van Anderen und die Beschlagnahme der im Zusammenhang mit dessen Geschäften beurkundeten Geschäftsvorfälle und der in diesem Zusammenhang entstandenen Akten im Büro des Notars. Wenige Tage später wird durchsucht. Das Büro des beteiligten Notars wird der Kommissariatsleiter höchstpersönlich aufsuchen, die Beschlagnahme der Schriftstücke, wegen gebotener Rücksichtnahme auf die Amtsperson des Notars, persönlich durchführen. Bokolic hingegen darf mit einem weiteren Durchläufer die Räume des van Anderen durchsuchen. Die Büroräume des van Anderen befinden sich in einem kleinen Gewerbehof, in dem sich weitere kleinere Dienstleistungsunternehmen angesiedelt haben. Da die Räume trotz fortgeschrittener Stunde verschlossen sind, und auch auf mehrmaliges Klingeln niemand öffnet, sucht Bokolic den bekannten Verwalter des Gewerbehofes auf. Der Verwalter erzählt freimütig, dass er den „Windhund“ van Anderen schon längere Zeit nicht mehr gesehen hat, und die fraglichen Büroräume wegen rückständiger Mieten zum nächsten Quartalsersten gekündigt sind. Nachdem dieser über den Durchsuchungsbeschluss in Kenntnis gesetzt ist, schließt er mit dem Generalschlüssel die Büroräume auf. Bei den Räumlichkeiten handelt es sich um ein möbliertes Büro, in dem ein protziger antiker Schreibtisch, eine nagelneue Telefonanlage mit Anrufbeantworter und Faxgerät sowie ein altes Telexgerät die einzigen Einrichtungsgegenstände sind. An der rückseitigen Wand steht noch ein Regal mit Aktenordnern gefüllt. Auf den ersten Blick erkennt Bokolic, dass es sich um reines Blendwerk handelt. Die Ordner sind mit hochtrabend beschrifteten Rücken versehen, jedoch allesamt leer. Keine Angebote, keine Korrespondenzen keine Buchungsbelege, rein gar nichts ist in diesem Büro zu entdecken, das auf eine, wie auch immer geartete, Geschäftstätigkeit schließen lässt. Lediglich am Telexgerät hängt eine längere bedruckte Papierfahne und der Anrufbeantworter blinkt geschäftig, weil er darauf wartet, dass jemand die aufgesprochenen Nachrichten abhört. Der zweite kleine Raum ist mit einer Pantryküche und einem überdimensionierten Kühlschrank bestückt. Im Gegensatz zu den Ordnern im Büroregal ist der Kühlschrank mit feinsten Konserven und edlen Getränken bis obenhin gefüllt, so, als ob er nur noch auf die Partygäste wartet, um diese mit Sekt und Kaviar zu verwöhnen. Im dritten Raum, der weiter zur Toilette mit Dusche und Waschgelegenheit führt, befindet sich ein überbreites französisches Bett mit eingebauter Stereoanlage. Das Bett ist aufgedeckt, als erwarte es jeden Moment einen müden Schläfer oder ein vergnügungssüchtiges Liebespaar. Eine Kommode aus rot lackiertem Metall sowie ein fahrbarer Kleiderständer, wie er in Kaufhäusern zum Anbieten von Bekleidung benutzt wird, vervollständigen die Einrichtung. Kleidungsstücke, Unterwäsche und Schuhe zeugen mit den eingenähten Markenetiketten italienischer und französischer Edelmarken von einem nicht gerade sparsamen Besitzer. Unter dem Bett findet Bokolic dann doch noch in einem ledernen Pilotenkoffer fragmentarische Belege einer Geschäftstätigkeit des van Anderen. Nachdem Räume und Behältnisse durchsucht und die Belegstücke aufgelistet sind, begibt sich Bokolic zu dem Anrufbeantworter und dem Telexgerät im Büro. Zuerst hört er die gespeicherten Nachrichten ab. Dann entnimmt er die Kassette und listet sie als weiteres Beweismittel im Sicherstellungsprotokoll auf. Ebenso ergeht es der Papierfahne am Telexgerät. Nach kurzem Anlesen wird sie als Beweismittel sichergestellt. Sorgfältig verschließt und versiegelt Bokolic nach Abschluss der Durchsuchung die Räume. Danach übergibt er dem Verwalter, nachdem dieser als Zeuge das Durchsuchungsprotokoll gegengezeichnet hat, die Durchschrift desselben, und bittet ihn, bei einem Auftauchen des van Anderen diesem die Durchschrift auszuhändigen und die Dienststelle darüber zu informieren. Am Nachmittag macht sich Bokolic daran, die im Büro des van Anderen sichergestellten sowie die zwischenzeitlich von seinem Kommissariatsleiter überbrachten Schriftunterlagen aus dem Notariat zu ordnen, zu vergleichen und einen Bericht über deren Auswertung zu fertigen. Mehrmals gerät er hierbei ins Schmunzeln und auch die Kollegen, die ihm ab und an über die Schulter sehen, können sich ein Lachen nicht verkneifen. Bei der nächsten Frühbesprechung trägt Bokolic auf Wunsch der versammelten Runde eine Zusammenfassung der grotesken Story vor: Zwei von anderen Investoren geplante Großobjekte, deren Realisation jedoch an der Unvereinbarkeit notwendiger Investitionssummen und der zu erwartenden Erträge gescheitert ist, hat der clevere van Anderen sich ausgesucht, um ohne viel Vorarbeit seine höchst unmoralischen Selbstbedienungspläne zu realisieren. Die Pläne, Kalkulationen, Personen und Institutionen, kurzweg alle notwendigen Informationen zu beiden Projekten sind ihm im Büro der Taunus Immobilien in die Hände gefallen, weil der angesehene Immobilienmakler von den vorherigen Investoren mit entsprechenden Verhandlungen betraut worden war. Der Makler hat die Unterlagen zwar sorgfältig und korrekt unter Verschluss gehalten, jedoch nicht daran gedacht, dass der mit allen Wassern gewaschene van Anderen sich über die unzureichend gesicherte EDV-Anlage zuerst einmal ein grobes Bild von den Projekten machen kann, an denen das Immobilienbüro beteiligt ist oder war. Danach ist es für den van Anderen ein Kinderspiel sich die für seine Zwecke infrage kommenden geplatzten Projekte auszusuchen, und sich die Daten aller Vertragsentwürfe und Verträge sowie die Daten der daran beteiligten Personen und Institutionen aufzurufen und auszudrucken. Die Originalunterlagen zu den Projekten, soweit sie für die Durchführung seiner Pläne vonnöten sind, besorgt sich der van Anderen von Dritten. Es ergibt sich aus handschriftlichen Notizen des van Anderen, dass er sich insbesondere bei Vorzimmerdamen in Büros, Kanzleien und Amtsstuben, unter Einsatz seines Charmes und entsprechender Großzügigkeit, Kopien, teilweise sogar Originale, benötigter Unterlagen erschlichen hat. Den durchweg ländlichen und bäuerlichen Grundbesitzern, die bereits mit den vorherigen Investoren Kaufoptionsverträge mit Vorbehaltsklausel abgeschlossen haben, ist durch das Scheitern der Projekte jeweils ein ansehnlicher Gewinn entgangen. So ist es durchaus verständlich, dass diese hocherfreut über den neuen Investor allzu gerne bereit sind, wiederum in Erwartung hoher Gewinne notarielle Kaufverträge mit entsprechenden Vorbehaltsklauseln auch mit dem van Anderen abzuschließen. Die notariellen Verträge werden unter Vorlage der mit den Vorinvestoren abgeschlossenen Verträge mit, wie der van Anderen überzeugend betont, nur unwesentlichen Abänderungen bei einem von van Anderen ausgesuchten Notar beurkundet. Dem Notar wiederum werden von dem van Anderen Kopien der ursprünglichen Verträge vorgelegt, in denen van Anderen durch geschickte Kopiermontage einige für seine Zwecke benötigte Zusätze mit gleichem Schriftbild eingefügt hat, die jedoch nicht unbedingt die Zustimmung eines pflichtbewussten Notars finden können. Andererseits hat van Anderen handschriftlich einige unverfängliche Änderungen dazugekritzelt, die rechtlich nicht zu beanstandenden sind. Der offensichtlich leicht vertrottelte Notar nimmt, wie von dem van Anderen vorausgesehen, die in den Vorverträgen aufscheinenden Passagen als von seinen Vorgängern ausreichend geprüft und abgewogen hin, während er die erkennbar neuen Zusätze sorgfältig auf rechtliche Zulässigkeit und Zumutbarkeit für beide Parteien überprüft. Tage später erscheint der van Anderen wiederum beim Notar und überzeugt diesen von der Notwendigkeit mehrerer teils auszugsweiser Ausfertigungen der notariell beglaubigten Verträge, in denen nicht alle Details der Verträge aufscheinen sollen. Er erklärt dem gutmütigen Notar, dass er diese „auszugsweisen“ Ausfertigungen für Verhandlungen mit Banken und weiteren Geschäftspartnern benötigt und bei Vorlage der Erstverträge mit allen Klauseln befürchtet, von den Banken oder von seinen Geschäftspartnern ausgebootet zu werden. Der Notar überlässt die Auswahl der aus dem Original zu streichenden Passagen seiner Notariatsangestellten und dem cleveren van Anderen. Dieser legt den größten Wert darauf, dass jede weitere „Auszugsweise Ausfertigung“ lediglich ein kleiner Auszug aus der vorausgegangenen „Auszugsweisen Ausfertigung“ darstellt. So beinhaltet die „Erste Auszugsweise Ausfertigung“ letztendlich nur eine Kaufoption für ein bestimmtes Grundstück zu einem festen Preis, jedoch unter festgelegten Vorbehalten von beiden Seiten. Die letzte „Siebzehnte Auszugsweise Ausfertigung“ spiegelt nichts anderes wieder als einen bereits durchgeführten Kaufvertrag. Der gutgläubige Notar beglaubigt, im Vertrauen auf die Redlichkeit des van Anderen und die Korrektheit seiner Angestellten ohne weitere Prüfung alle die auszugsweisen Ausfertigungen von der Ersturkunde von der Ersten Auszugsweisen Ausfertigung bis hin zu der Siebzehnten Auszugsweisen Ausfertigung. Nachdem die erste Hürde überwunden ist, verhandelt nun der van Anderen mit kommunalen Behörden wegen behördlicher Genehmigung und entsprechenden Vorabzusagen, danach mit infrage kommenden Banken, wegen der notwendigen Großkredite. Nach der Vorlage aller Pläne, Gutachten und Kaufverträge in sechzehnter oder siebzehnter Ausfertigung sowie behördlicher Vorabzusagen sind zwei von fünfzehn Banken bereit, die beiden Projekte nach erster Prüfung zu finanzieren. Dies insbesondere, da der van Anderen eine Empfehlung des Immobilienmaklers aus dem Hochtaunuskreis den eingereichten Unterlagen beigefügt hat. Die vorläufige Finanzierungszusage lässt sich van Anderen schriftlich bestätigen. Nach einer Zwischenfinanzierung der „Anlaufausgaben“, der mit Kopien nachgewiesenen bisherigen Ausgaben für Gutachten, Planung und Sonstiges, immerhin in Höhe von einer halben Million harter DM wird dem van Anderen das Spiel jedoch zu heiß. Er lässt sich vom ortsansässigen Händler schnell noch eine Flotte von hochwertigen Firmenfahrzeugen aus dem Bestand an Tageszulassungen ausliefern. Danach verschwindet van Anderen unter Mitnahme der ergaunerten Fahrzeuge aus dem Geltungsbereich des Deutschen Strafgesetzbuches, nicht ohne zuvor die aus der Zwischenfinanzierung der Projekte stammende Summe in unauffälligen Beträgen auf ebenso unauffällige Konten im Ausland transferiert zu haben. Als Abschluss seiner Aktivitäten entzieht er dem zuvor durch die aufgelaufenen Beträge aus der Zwischenfinanzierung so reichlich gut genährten Firmenkonto, auch noch den Betrag, den man dem gut situierten Kaufmann für die laufenden Geschäfte als Dispositionskredit eingeräumt hat. Die Kassette des Anrufbeantworters, wie auch die Papierfahne des Telexgerätes beinhalten ausschließlich Anfragen und Mahnungen wegen offener Forderungen. Lediglich das letzte Telex auf der Papierfahne des Telexgerätes ist für Bokolic und seine Kollegen hochinteressant. Adressiert ist dieses Telex an „die ehrenwerten Herren Polizisten und Herrn Staatsanwalt“. Als Absender scheint ein Herr Jobst Mandelboom alias van Anderen auf. Der Text lautet wie folgt: Werte Herren! Durch meinen Rechtsanwalt habe ich Kenntnis von gewissen Ermittlungen der deutschen Justizbehörden gegen mich bekommen. Ich habe es daher vorgezogen, Deutschland für immer den Rücken zu kehren und mich in mein Heimatland zu begeben. Hier, wo ich zuhause bin, sehen nämlich die Justizbehörden nicht in allen Handlungen unter Vollkaufleuten gleich einen Betrug. Sollen doch die deutschen Firmen und Personen, die behaupten von mir betrügerisch geschädigt zu sein, zuerst nachweisen, dass sie den Sorgfaltspflichten eines Vollkaufmannes nachgekommen sind, als sie mit mir begierig ihre Geschäfte abschlossen. Sollte ihnen dies nicht gelingen, und dessen bin ich mir sicher, so bleibt ihnen nur der Weg einer Zivilklage gegen mich, um ihre Forderungen durchzusetzen. Dabei wünsche ich den Herren viel Spaß. Es grüßt ergebenst aus der Ferne, ihr Jobst Mandelboom. In den nächsten Tagen verbringt Bokolic einen Großteil seiner Zeit im Dienst damit, die Unterschiede im Strafrecht der Bundesrepublik und der Niederlande bei der Strafbarkeit von Wirtschaftsstraftaten herauszufinden und für die Akten sorgsam darzustellen. Er stellt dabei fest, dass die Voraussetzungen für einen strafbaren Betrug zwischen Vollkaufleuten im niederländischen Recht darauf abstellen, dass der Geschädigte die ihm als Vollkaufmann obliegenden und ihm zuzumutenden Sorgfaltspflichten bei der Prüfung der Geschäftsvorfälle nicht verletzt. So ergibt sich die Situation, dass die meisten der von dem van Anderen begangenen Betrügereien sich letztendlich als Betrugsstraftaten in der Bundesrepublik Deutschland herausstellen. An eine Ahndung der Straftaten in den Niederlanden ist jedoch nicht zu denken, solange sich der van Anderen in den Niederlanden aufhält, wo er offensichtlich in Ruhe die Früchte seiner Arbeit zu genießen gedenkt. Lediglich der unglückliche Notar ist gezwungen, nach einer Erstvernehmung mit der Staatsanwaltschaft einen Deal abzuschließen. Die Notarzulassung gibt er danach freiwillig auf und zahlt eine fünfstellige Geldbuße wegen Verstoß gegen die Rechtsvorschrift, die besagt, dass der wesentliche Inhalt einer beglaubigten Ersturkunde selbst in deren letzter beglaubigter auszugsweisen Ausfertigung erhalten bleiben muss. Das Rechtsanwaltsbüro hingegen behält unser Notar.
Der Anfang der Geschichte erschließt sich Bokolic aus späteren Geständnissen und Erzählungen meist am Geschehen selbst unbeteiligter Personen. Jedenfalls ist Christopheros, der, von allen verwöhnte, jüngste Sohn eines griechischen Gastwirts im Kölner Raum langsam aber sicher auf die schiefe Bahn gekommen und hat im Zockermilieu soviel Schuldscheine ausgestellt, dass sein Vater beschließt, ihn in die Obhut des Großonkels nach Wiesbaden zu geben, der vor den Toren der hessischen Landeshauptstadt im Klarental eine gut besuchte Taverne betreibt. Dort soll Christopheros neben einer Ausbildung zum Koch sich einen etwas sittsameren Lebenswandel aneignen und so ganz nebenbei sich an die sittenstrenge Tochter des Großonkels gewöhnen, zwecks schon lange abgesprochener späterer Heirat. Dies versteht sich in traditionsbewussten griechischen Großfamilien von selbst. Die beiden Brüder der Braut in spe haben von ihrem Vater die ehrenvolle Aufgabe übernommen, einerseits auf deren Ehre zu achten und andererseits zur Läuterung des schwarzen Schäfleins Christopheros in jeder Hinsicht beizutragen. So wird aus dem Tunichtgut im Verlauf des langen Winters ein mehr oder wenig hart arbeitender Küchengeselle, der sich immer mehr an die Zusammenarbeit mit der zierlichen immer gut gelaunten Großnichte gewöhnt. Von wenigen Besuchen des Wiesbadener Spielcasinos hat Christopheros wegen der dauernden Observation seiner Großneffen und der noch wenigeren finanziellen Erfolge dieser Ausflüge bald Abstand genommen und seine Spielsucht mehr auf das Spiel mit dem Feuer der Leidenschaft für die Liebreize seiner Großnichte gelenkt. In der Woche vor dem griechischen Osterfest hält ein großkotziger Chevrolet mit Kölner Kennzeichen vor der Taverne. Ihm entsteigen zwei muskelbepackte, sonnenbebrillte Typen, die in jedem amerikanischen Gangsterfilm der zwanziger Jahre eine gute Figur abgeben würden. Nachdem sie gut gespeist und getrunken haben verlangen sie ihren Freund Christopheros zu sprechen. Dieser verzieht sich mit den Beiden in den Hof, wo sie, argwöhnisch von den beiden Großneffen beäugt, ein lautstarkes, gebärdenreiches Streitgespräch mit Christopheros beginnen. Es endet mit lauten Verwünschungen, als sie beim drohenden Nahen des Großonkels samt dessen Söhnen mit ihrem Chevrolet das Weite suchen. Christopheros gibt sich äußerst wortkarg und begründet den Streit nur mit: „weil ich noch eine alte Rechnung mit den Beiden offen habe“. Christopheros ist vom Liebreiz und der äußeren Erscheinung der ihm versprochenen Großnichte mehr als angetan. Nur ihre inneren Werte sind ihm derzeit noch etwas suspekt. Obwohl Wirte und Personal solcher „Gaststätten“ in der Regel keine allzu fleißigen Kirchgänger sind, lässt sich der noch durch den Besuch nachdenkliche Christopheros von seinem Großonkel, den beiden Großneffen und deren hübscher Schwester zu einem gemeinsamen vorösterlichen Gottesdienst der griechisch orthodoxen Gemeinde überreden. Während die zukünftigen Schwiegereltern nebst ihren Kindern die Messe mit Andacht verfolgen, sitzt Christopheros teilnahmslos neben seiner Auserwählten und starrt missmutig in die Runde. Dann beginnt er seine Augen langsam über die Wände wandern zu lassen und zählt mit den Fingern seiner Hände wie ein Kleinkind etwas ab, wobei sich sein Gesicht immer mehr aufhellt und er zu guter Letzt befriedigt vor sich hinmurmelt: „Sieben mal sieben sind neunundvierzig mal geschätzte tausend sind doch fast fünfzigtausend, das müsste reichen.“ Wofür das reichen müsste, lässt Christopheros im Dunkel seiner Gedanken. Als die Messe zu Ende ist, gehen alle froh und zufrieden nach Hause; die Schwiegereltern, weil sie glauben, den Bräutigam zum Guten bekehrt zu haben, die Braut, weil sie das Lächeln auf Christopheros Gesicht nur auf sich bezieht und die Großneffen, weil sie in dem nun heiteren Christopheros glauben einen besseren Mitstreiter gefunden zu haben. So lassen sie am Abend allzu gerne den Christopheros noch alleine in die Stadt, damit er, wie er betont, endlich mit sich ins reine kommen kann.
Ja Christopheros will offensichtlich mit sich und seiner Vergangenheit ins reine kommen, jedoch wie schon so oft nicht auf einem geraden Gott und seinen Mitmenschen gefälligen Weg. Von einer Telefonzelle aus der Innenstadt telefoniert er zuerst mit einem ihm bekannten ehemaligen orthodoxen Diakon aus dem Düsseldorfer Raum. Dieser erklärt ihm, die von ihm beschriebenen Gegenstände seien allesamt von besonderem realem Wert, einige davon bestimmt mehrere Tausend, wenige sogar um ein Vielfaches höher einzuschätzen. Der ideelle Wert liege jedoch mindestens beim Zehnfachen des realen Wertes. Man müsse bedenken, dass es sich bei den meisten dieser Gegenstände um Geschenke historischer Persönlichkeit handele, die niemals zu ersetzen seien. Ja, er habe sie schon mehrfach gesehen, und ihm sei unerklärlich, wieso die Gemeinde bisher die Kosten einer technischen Sicherung gescheut habe. Er freue sich zu hören, dass dies nun geschehen solle. Das nachfolgende Gespräch führt er nach Köln und wird offensichtlich mit einem der Chevrolet fahrenden Edelganoven verbunden. Nein, er habe es sich nicht anders überlegt, er könne und wolle den Schuldschein nicht einlösen. Aber er habe eine Möglichkeit seine Gläubiger anderweitig zu befriedigen, wobei auch für ihn (den Edelganoven) etwas abfallen könne. Er biete jedoch nur den Zugang zur heißen Ware an, die Erlangung und Vermarktung sei nicht seine Sache. Hiefür sei ja schließlich die garantiert zu erzielende Summe doppelt so hoch als seine Bringschuld. Danach verabredet er sich mit dem Edelganoven für die Woche nach den Osterfeiertagen in Wiesbaden, keinesfalls aber an oder in der Taverne, besser in dem nahe gelegenen kleinen Tierpark. Wie dieses Treffen verlaufen ist, hat Bokolic bis heute nicht erfahren können.
Wenige Tage nach Ostern liest der von der gerade erzählten Vorgeschichte bis dahin nichts ahnende Bokolic im Wiesbadener Kurier von einem dreisten Diebstahl unersetzlicher Kulturgüter aus der Griechischen Kapelle. Aus dem unverschlossenen, den Gläubigen tagsüber jederzeit zugänglichen Kirchenraum seien am helllichten Tage insgesamt neunundvierzig historisch wertvolle Ikonen, darunter auch Geschenke des Zaren und der Zarin gestohlen worden. Das Diebesgut sei auf dem freien Kunstmarkt nahezu unverkäuflich, lediglich bei schwerreichen, skrupellosen Ikonensammlern könne die Beute untergebracht werden. Die Versicherung habe für die Wiederbeschaffung Fünfzigtausend ausgelobt. Wochen gehen ins Land. Die örtliche Kripo ist ratlos, verwertbare Spuren nicht vorhanden, Hinweise sind trotz der Auslobung und mehreren Presseaufrufen nicht eingegangen. Der Fall wird wegen seiner Bedeutung dem Hauptsachgebiet Raub, Diebstahl, Hehlerei angedient, in dem auch Bokolic beschäftigt ist. Doch auch hier bringen weitere Auswertungen kein Ergebnis. Nochmals Wochen später wird frühmorgens das gesamte Hauptsachgebiet zusammengetrommelt. Ein etwas dubioser Hinweisgeber hat sich gemeldet und will unter Verweis auf die Auslobung der Versicherung die gestohlenen Ikone wiederbeschaffen. Ein Observationsteam hat sich bereits an dessen Fersen geheftet und nun ist die Spur so heiß geworden, dass kriminalpolizeiliche und strafprozessuale Maßnahmen zur Diskussion stehen. Ein Verdeckter Ermittler hat mit dem Hinweisgeber Kontakt aufgenommen. In dessen Schlepptau fährt ein Mobiles Einsatzkommando, dem in gebührendem Abstand die Ermittler mit ihren normalen Einsatzfahrzeugen folgen, darunter auch Bokolic. Die Fahrt endet in dem Städtchen B. an der Autobahn A 2, wo sich die Ermittler in der örtlichen Polizeistation einnisten und die Ergebnisse der Gespräche mit dem Hinweisgeber und der Feststellungen der Observation abwarten. Am frühen Nachmittag ist es dann soweit. Der Hinweisgeber hat sich bereit erklärt, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Nachdem er seine Kontaktpersonen benannt hat, wird eine nahe gelegene malerische Burg unter Beobachtung genommen, deren Besitzer sich auf das Sammeln historischer Zinnsoldaten und allgemein auf den An- und Verkauf von antiken Kunstgegenständen verlegt hat. Gleichfalls wird ein Notariat unter Kontrolle genommen, da der Notar die fraglichen Ikonen in Verwahrung haben soll, mit dem Auftrag für den Betreiber einer illegalen Spielhölle in Köln einen Käufer zu finden oder mit der Versicherung, die die ausgelobte Summe für die Wiederbeschaffung der Ikonen in Aussicht gestellt hat, eine Einigung zu erzielen. Nachdem der Hinweisgeber diese Angaben schriftlich niedergelegt offiziell zu Protokoll gegeben hat, sollen, nach Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft in Wiesbaden, bei der örtlichen Staatsanwaltschaft des Städtchens Durchsuchungsbeschlüsse für das Notariat und auch die Burg als Wohnsitz des Antiquitätenhändlers beantragt werden. Die Akten werden der zuständigen Staatsanwältin vorgelegt, die den Beschluss gegen den Burgherren anstandslos beantragt. Bei dem Beschluss für das Notariat erklärt sie sich jedoch nach Bekanntgabe des Betroffenen wegen nicht nur beruflicher Bekanntschaft für befangen. Gleiches geschieht bei der Vorlage der Akten beim Behördenleiter. Dieser telefoniert mit der Staatsanwaltschaft im nächsten Amtsgerichtsbezirk sowie mit dem hiesigen als auch dem dortigen Behördenleiter des Amtsgerichts. Nach mehrmaligem Hin und Her und etlichen weiteren Befangenheitserklärungen wird gegen Abend letztendlich sowohl ein Staatsanwalt gefunden, der die Beschlüsse beantragt, als auch ein Richter, der diese ausfertigt. Inzwischen geht es bereits auf Mitternacht zu, als Bokolics Truppe endlich alle Beschlüsse, notwendige Abklärungen für die Durchsuchungen und Absprachen für mögliche Folgemaßnahmen im Raum Köln erledigt haben.
Nun ist es allerhöchste Zeit an das leibliche Wohl zu denken. Bei der Fahrt zur Burg haben die Kollegen am Fuße des Burgberges eine urige Speisegaststätte entdeckt, die geeignet erscheint die gesamte Truppe von fast zwanzig Mann zu beköstigen. Dort angekommen stellt der Hauptsachgebietsleiter enttäuscht fest, dass gerade soeben die letzten Gäste vom Parkplatz fahren und zudem ein Schild an der Eingangstür darauf hinweist, dass die Gaststätte heute einer geschlossenen Gesellschaft vorbehalten ist. Bokolic ist jedoch nicht auf den Kopf gefallen. Er schaut auf seine Uhr, die gerade wenige Minuten über die Mitternacht anzeigt, konstatiert trocken, dass das Schild für den verflossenen Tag gilt, geht von dem verschlossenen Eingang zum Personaleingang, durch den Flur in den Gastraum. Der Wirt, geschätzt über Mitte fünfzig, sitzt über seiner Abrechnung, das Personal ist mit Aufräumen beschäftigt. Der Wirt hört Bokolics Ausführungen geduldig zu, fragt danach, um was für einen Haufen es sich handelt, zögert einen Moment, ruft dann nach seinem Koch und bittet danach den Kellner die Vordertür nochmals aufzuschließen. Im Nebenraum versammelt sich danach die gesamte Truppe um einen runden Tisch der gut vier Meter im Durchmesser hat. Das noch anwesende Personal karrt derweil Teller und Besteck heran, danach die Reste der vorausgegangenen Hochzeitsfeier und zu guter Letzt noch eine Holzwanne auf der Hausmacher Wurst und Schinken eines ganzen Schweins aufgetürmt sind. Bei Reh-, Wildschweinbraten und Klößen mit Rosen- und Rotkohl lässt es sich die Runde gut gehen, während der Hauptsachgebietsleiter dem Wirt, soweit dies zulässig erscheint, den Anlass und Zweck der Reise erklären darf. Gegen drei Uhr, nachdem noch diverse Spirituosenlagen die Mägen zur Verdauung des überreichlichen Essens unterstützen, meint der Wirt, es wäre nun an der Zeit die Betten aufzusuchen. Ganz erstaunt vernimmt er, dass die Runde bis dahin keine Zeit gefunden hat ein Nachtlager zu finden und zu buchen. Daraufhin bietet er die ehemaligen Gästezimmer im ersten Stock an, die allerdings schon seit Jahren nur noch in Ausnahmefällen, wie eben einem solchen, genutzt werden. Da für den nächsten Morgen die Einsatzzeit auf sieben Uhr festgelegt ist, bittet der Wirt die Zeche bereits jetzt zu begleichen und bietet dafür an für ein deftiges Frühstück am nächsten Morgen zu sorgen. Alle sind erstaunt, als der Wirt erklärt, er berechne wegen der besonderen Situation nur einen kostendeckenden Pauschalpreis, den er pro Kopf mit sage und schreibe lediglich fünfundzwanzig Mark ansetzt. So ist es nicht verwunderlich, dass dieser Abend als das Bückeburger Fressen in die Annalen des Hauptsachgebiets Raub, Diebstahl, Hehlerei eingeht.
Während am nächsten Morgen ein Teil der Truppe zur Besichtigung der Burg mit Durchsuchungsbeschluss ausrückt, sind die übrigen Mannen zu dem Notariat unterwegs. Dort empfängt sie eine sprichwörtlich bis an den Kragen zugeknöpfte Büroleiterin, die sich auch angesichts des vorgelegten Beschlusses keineswegs zugänglicher zeigt. „Nein der Herr Notar ist heute den ganzen Tag außer Haus; nein ich habe keinerlei Befugnis irgendwelche in ihrem Beschluss bezeichneten Mandantenunterlagen vorzulegen“. Somit wird zuallererst der Tischkalender mit allen Terminen des Notars in Augenschein genommen, und als aus diesem ersichtlich ist, dass der Notar in die Verwahrung und die Vermittlung der fraglichen Ikonen involviert ist, wird der Kalender sichergestellt und die sich aus diesem ergebenden Akten gesucht und letztendlich gefunden. Auch diese werden gegen Quittung im Durchsuchungsprotokoll mitgenommen, um sie der Staatsanwaltschaft zur weiteren Sichtung vorzulegen. Gleichfalls wird eine in der Handkasse aufbewahrte Verwahrquittung mitgenommen, die belegt, dass die fraglichen beiden Koffer mit den gestohlenen Ikonen bei der örtlichen Sparkasse im Tresorraum deponiert sind. Danach geht es weiter zu dieser Sparkasse. Nach mehrmaligem Hin und Her ist endlich der Filialeiter der Sparkasse zur Stelle, der sich jedoch partout weigert, ohne den Herrn Notar das Schließfach zu öffnen. Bokolic, der sich bereits öfter mit Rechten und Pflichten eines öffentlich rechtlichen Geldinstituts befasst hat, macht dem Leiter dieses Instituts klar, dass er zur Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden verpflichtet ist, was dieser nach mehreren Rücksprachen mit seinem Vorstand, seinem Justiziar und der Staatsanwaltschaft auch endlich begreift und danach recht schnell Tresorraum und Schließfach öffnet. Aus dem Schließfach werden die beiden versiegelten Koffer entnommen und dem Filialleiter Quittung und Durchschrift des Protokolls ausgehändigt. Später auf der örtlichen Dienststelle wird der Inhalt der Koffer im Beisein des örtlich zuständigen Staatsanwalts festgestellt. Alle neunundvierzig Ikonen sind vorhanden und unbeschädigt. Hoch erfreut sind die Kölner Kollegen als nach Sichtung der Akten durch den Staatsanwalt klar ist, welche Personen den Notar mit der „Verwahrung und Verwertung“ der Beute beauftragt haben. Es handelt sich um die Inhaber eines Nachtklubs die von der Kölner Kripo schon längere Zeit verdächtigt werden, illegales Glücksspiel in ihren Räumen zu betreiben.
Nun haben die Kollegen endlich die Möglichkeit, die beiden Ganoven vorläufig festzunehmen und den Klub zu durchsuchen. Am späten Abend ist klar, dass diese Beiden einen manipulierten Roulettetisch in ihrem Klub betrieben haben. Auch wird ein ganzer Packen Wettschuldscheine sichergestellt. Bei einer späteren Auswertung findet sich auch ein Schuldschein des Christopheros über fünfundzwanzigtausend Mark. Christopheros wird in den nächsten Wochen zur Dienststelle in Wiesbaden vorgeladen. Er ist hoch erfreut, dass sich die Begleichung der Wettschulden nunmehr von selbst erledigt hat. Es braucht allerdings viel Geduld, bis er sich entschließt, endgültig einen Schlussstrich unter das Kapitel Spielsucht und deren Folgen zu ziehen und mit der Wahrheit über die Geschichte des Ikonendiebstahls herausrückt. Sein Vater, sein Großonkel, seine Braut und selbst der Diakon der Russischen Kapelle haben ihm trotz alledem verziehen. Bokolic wird Monate später zu einer Trauung unter den zurückgekehrten Ikonen in die Russische Kapelle eingeladen mit anschließender griechischer Hochzeitsfeier im Lokal des Großonkels, was sich ja von selbst versteht.
Es ist wie immer, der angehende Kriminalkommissar Bokolic ist mit dem etwas jüngeren Kriminalhauptmeister Günther zu einer Großaktion zum Verfahren eines Kollegen eingeteilt worden. Es geht um die Festnahme und Beweissicherung in einem Verfahren gegen eine Bande junger Bankräuber, die nach ihren Beutezügen im gesamten Rhein-Main-Gebiet, sich mit schnellen Motorrädern der Festnahme immer wieder entzogen haben. Bokolic und Günther werden nach der Durchsuchungsaktion auf einen Nebenkriegsschauplatz abgeschoben. Die wirklich wichtigen Fische des Beutezuges werden vom Ermittlungsführer persönlich und dessen speziellen Vasallen einvernommen. Bokolic und Günther übergibt man einen noch recht jungen Mann, der an der Stadtgrenze von Frankfurt einen Handel mit Gebrauchtwagen und Zweirädern mit angeschlossener Werkstatt betreibt. In diesem Laden ist aushilfsweise einer der Haupttäter beschäftigt. Dem Werkstattbesitzer wird vorgeworfen, die Bande mit technischem Gerät versorgt zu haben. Eine unmittelbare Beteiligung an den Straftaten ist, nach informatorischer Befragung durch den Ermittlungsführer, auszuschließen, da der Werkstattbesitzer zu den Tatzeiten meist Kunden auf dem Werkstattgelände betreute. Bei einer ersten Befragung hat er eingeräumt, Zweiräder, frisierte Kennzeichen und Funkgeräte sowie einen Störsender für die Bande bereitgehalten zu haben. Diese Dinge sind bei der Durchsuchung des Werkstattgeländes von den durchsuchenden Kollegen auch sichergestellt worden. Günther und Bokolic machen sich nun mit Akribie an die Vernehmung des jungen Mannes, wobei ihnen die handschriftlichen Notizen des Ermittlungsführers als Grundlage für die Vernehmung dienen. Im Verlauf der Vernehmung bestätigt der Beschuldigte die handschriftlich erhobenen Sachverhalte. Je weiter die Vernehmung fortschreitet, desto unruhiger und nervöser erscheint der junge Mann Bokolic, obwohl die Schuldvorwürfe doch relativ harmlos sind. Auf die Lieferung der Ausrüstung angesprochen, räumt er zwar die Übergabe der Zweiräder, der „Tarnkennzeichen“ und der Funkgeräte ein. Von der zuvor in der Befragung bereits zugegebenen Lieferung von Elektroschockstäben will er jedoch nichts mehr wissen. Nach etlichem hin und her spricht ihn Bokolic unmittelbar auf die bisher ungeklärte Herkunft der bei den Überfällen benutzten Handfeuerwaffen an. Eindringlich macht er den Delinquenten auf die Folgen einer falschen Aussage aufmerksam. Er führt ihm vor Augen, dass lediglich die bei den Banküberfällen benutzte Maschinenpistole – eine Waffe, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz falle – bei einem der Haupttäter gefunden wurde. Dieser jedoch bestreite, für die Besorgung dieser und aller anderen Waffen der Bande verantwortlich zu sein. Über kurz oder lang werde wohl dieser oder andere Beschuldigte im wohlverstandenen Eigeninteresse den Namen des Waffenlieferanten nennen. In einem Strafverfahren sei es nun einmal so, dass das Rabattsystem für geständige Täter für den, der zuerst und umfassend zur Aufklärung beigetragen hat, auch den größten Ablass vorsieht. Unser Junge glaubt nun wohl, man habe bei Durchsuchung seines Werkstattgeländes eine bestimmte Kiste gefunden und beginnt mit einem erweiterten Geständnis. So gibt er an, die von einem der Mittäter, einem ehemaligen Fremdenlegionär, besorgten Schusswaffen, mit Ausnahme der Maschinenpistole, in einer Holzkiste unter Altschrott auf dem Dachboden des Werkstattschuppens in der Zeit zwischen den einzelnen Überfällen versteckt zu haben. Es handele sich um zehn großkalibrige Revolver und Pistolen sowie etliche Kartons mit passender Munition. Nachdem wir den Ermittlungsführer von dieser Aussage in Kenntnis gesetzt haben, ordnet er an, dass Bokolic und Günther, nach Abschluss der Vernehmung, zusammen mit dem Beschuldigten zu dessen Werkstattgelände fahren sollen, um die Waffen und die Munition sicherzustellen. Danach solle Bokolic in eigener Zuständigkeit über eine Vorführung des vorläufig Festgenommenen am nächsten Morgen entscheiden. Dem jungen Mann sieht man die Erleichterung an, als endlich Günther und Bokolic die Kiste mit Waffen und Munition unter Haufen von Altschrott hervorzerren. Bokolic räumt im Werkstattbüro den Schreibtisch von Gerümpel. Günther kramt Waffen und Munition aus der Kiste hervor und breitet diese auf dem Schreibtisch säuberlich aus. Der Beschuldigte fingert derweil nervös an seiner Handfessel herum. Beim Abräumen des Tisches fällt Bokolic ein Karton mit Weißblechdosen auf, wie er sie von den Hausschlachtungen auf dem Bauernhof seiner Großtante Emma kennt. Öfter hat er damals solche Dosen eigenhändig mit der noch warmen Wurstmasse gefüllt, danach den gummiberingten Deckel sorgfältig aufgelegt und diesen mit einem Schnappring aus Blech luftdicht verschlossen. In einem großen „Einmachkessel“ sind die Dosen anschließend konserviert worden. Auffällig erscheinen Bokolic die tiefen Seufzer und das nervöse Augenzucken des Beschuldigten, als er eine dieser Dosen zur Hand nimmt. Auf dem Etikett steht geschrieben: „Hausmacher Blutwurst nach einem Original Schwarzwälder Rezept, Inhalt 500 Gramm, eingefüllt am „„. Das Datum ist offen gelassen worden. Stutzig macht Bokolic jedoch das Übergewicht der Dose. In dieser Dose befindet sich alles Mögliche, nur keine Hausmacher Blutwurst. Bokolic entschließt sich dies vorerst zu ignorieren und stellt die Dose wieder in den Karton zurück, was wiederum mit einem Seufzer der Erleichterung vom Beschuldigten quittiert wird. Den Karton wuchtete er etwas an und schiebt diesen dann an einer freien Stelle in das Büroregal an der Wand. Er achtet hierbei darauf, dass der Karton soweit übersteht, dass man ihn mit einem leichten Anstoß vom Regal befördern könnte. Nachdem das Sicherstellungsprotokoll für Waffen und Munition geschrieben und von allem unterschrieben ist, fragt Bokolic den Beschuldigten mit etwas erhobener, also lauter Stimme, ob dieser seiner Lebensbeichte noch etwas hinzuzufügen habe. Schließlich ginge dann alles in einem Aufwasch über die Bühne der allumfassenden Gerechtigkeit. Schließlich wolle der Beschuldigte sich doch größtmögliche Ablassprozente sichern – oder nochmals gedehnt -Oooddeeerr -. Hierbei fixiert er den Beschuldigten scharf und stößt mit leichter Hand an den Karton auf dem Regal, der wie von Bokolic gewollt, nach unten kippt und seinen Inhalt polternd auf dem Boden zerstreut. Bokolic selbst ist erstaunt über die heftige Reaktion des jungen Mannes. In Sekundenschnelle aschfahl im Gesicht geworden, schlägt er die Hände vors Gesicht und schluchzt mit tonloser krächzender Stimme: „Oh Gott, was ein Glück, oh Gott haben wir ein unverschämtes Glück“. Zuerst wollen Günther und Bokolic gar nicht begreifen, worin denn um alles in der Welt das unsägliche Glück bestehen könnte, das den Beschuldigten und sie beide betroffen haben könnte. Erst als der Beschuldigte, in den Schreibtischstuhl gefallen, in sich zusammengesunken wie ein Häufchen Elend, stammelnd und schluchzend, sie über den wahren Inhalt des Kartons aufklärt, werden auch sie sich des großen Zufalles bewusst, der sie vor Schaden bewahrt hat. Während danach der junge Mann sich anschickt, nunmehr eine umfassende Lebensbeichte abzulegen, klaubt Bokolic nach den ersten Sätzen ganz vorsichtig und behutsam den Inhalt des Kartons vom Boden und verstaut ihn zwischen mehreren Lagen Putzlappen und Papier, die ihm Günther schweigend anreicht, erneut in dem Karton. Unter den Dosen liegen eine größere Anzahl bleistiftdicker Aluminiumhüllen mit bunt geringelten verschiedenfarbenen Schnüren. Es handelt sich um Sprengzünder, Verzögerungszünder, die mehr als druckempfindlich sind. Es ist wirklich ein Wunder, dass keiner dieser Zünder von einer der herabpurzelnden Dosen getroffen wurde, denn diese enthalten nach der Beichte unseres jungen Mannes keineswegs Blutwurst, sondern Plastiksprengstoff aus osteuropäischer Produktion, der, in Stangenform gepresst, in den Schwarzwälder Steinbrüchen und Bergwerken zum Sprengen von hartem Gestein verwendet wird. Der Sprengstoff wird in Fachkreisen allgemein als Ammongelit bezeichnet. Unser junger Mann beichtet weiter, dass er bei den Großeltern im Schwarzwald aufgewachsen durch einen Zufall mit seinen Jugendfreunden in einem der großen Steinbrüche auf einen unvergitterten Lüftungsschacht gestoßen ist, der unmittelbar in einem zum Sprengstoffbunker umfunktionierten Bergwerkstollen endet. Mit oder auch ohne Genehmigung lagert die Betreibergesellschaft dort ihre Sprengmittel. Im Laufe der Zeit haben seine Freunde und er sich von all diesen wundersamen Dingen kleinere Mengen für ihre Abenteuerspiele abgezweigt. Den hierbei nicht bei den Sprengversuchen an hohlen Bäumen verbrauchten Rest des Sprengstoffes haben sie in einem Kochtopf auf dem Lagerfeuer erhitzt, und, sobald er zähflüssig war, zur Tarnung vor der Neugierde von Eltern und Erwachsenen in leere aber bereits etikettierte Blutwurstdosen abgefüllt. Die Dosen haben, solange er bei den Großeltern wohnt, in hinterster Reihe auf dem Regal in dem abgeteilten Speisekammerkeller gestanden. Aufgefallen sei dies nicht, weil die Großmutter es sich angewöhnt habe, den Bub in den Keller zu schicken, da ihre schweren Beine und ihre Kreuzschmerzen ihr das Treppensteigen verleidet haben. Nachdem unser Klient, im Laufe seiner begonnenen Lebensbeichte, noch weitere meist lässliche Jugendsünden zu Protokoll gegeben hat, seufzt er tief auf, um danach zu seinem offensichtlich letzten Geständnisschlag auszuholen, der bei uns, wie bei den später mit der Beseitigung betrauten Kollegen wohl mehr als nur einen Schauer über den Rücken rieseln lässt. In einer letzten Aktion hat er mit seinem besten Freund einen doppelwandigen Eimer mit Nitroglyzerin aus dem Bunker entwendet, und mit einem „ausgeliehenen“ Pritschenwagen zum Haus seiner Großeltern befördert. Dort haben sie den Eimer unter der Kellertreppe abgestellt. Nachdem ihm der Großvater am nächsten Tag einen ausführlichen Bericht der Regionalzeitung über Diebstahl und mögliche Folgen beim unachtsamen Umgang mit dem entwendeten „Teufelszeug“ vorgelesen hat, waren beide Missetäter zu dem Entschluss gelangt, den Vorfall und den Eimer schlichtweg zu vergessen, in der Hoffnung, dass sich niemand jemals um den Winkel unter der Kellertreppe kümmern werde. Dies scheint Gott sei Dank bis jetzt auch nicht der Fall gewesen zu sein. Die Dosen und Sprengzünder hat er, nach seiner Lehre, beim Umzug in das Rhein-Main-Gebiet jedoch mitgenommen, um Oma und Opa nicht unnötig die Mahlzeiten zu verderben. Nachdem der junge Mann in den späten Nachtstunden schweißgebadet, endgültig mit seiner Lebensbeichte zu Ende gekommen, verstummt ist, schließen wir das Protokoll ohne weitere Fragen. Während Günther mit den Schwarzwälder Kollegen telefoniert, die den Sprengstofftrupp ihres LKA verständigen, wird der Sünder, nach Rücksprache mit dem zuständigen Staatsanwalt von Bokolic nach Hause entlassen. Verdunkelungsgefahr lässt sich nach umfassendem Geständnis nicht mehr begründen. Fluchtgefahr erscheint in Anbetracht der Straferwartung nicht allzu hoch. Die Taten sind überwiegend im jugendlichen Alter begangen worden, sodass die Straferwartung sich daran ausrichten muss. Um einer möglichen Panikflucht des doch sehr gebeutelten Beschuldigten vorzubeugen, wird diesem bedeutet, er werde zwar nach Hause entlassen. Jedoch müsse er bei Verdunkelungshandlungen insbesondere durch Einwirkungen auf mögliche Zeugen oder bei einer Flucht mit einer sofortigen Festnahme rechnen. Darüber hinaus laden ihn Bokolic und Günther für den schon angebrochenen neuen Tag zum Mittag zu einer abschließenden Vernehmung auf der Dienststelle vor. Nachdem der erleichterte junge Mann endgültig nach Hause entlassen ist, laden Günther und Bokolic vorsichtig die Kartons mit allen Beweismitteln in den Dienstwagen und steuern die Dienststelle in Wiesbaden an, wo sie gegen drei Uhr am Morgen mit ihrem Gefahrgut auch wohlbehalten ankommen. Etwas unaufmerksam gegenüber den noch immer lauernden Gefahren schleppen die beiden die schweren Kartons zum Eingang. Bokolic trägt den Karton mit der Blutwurst und den Zündern, Günther die Kiste mit der Munition und den Waffen. Bokolic drückt mit dem Ellbogen die Eingangsklingel und die Taste der Gegensprechanlage. Es meldet sich ein Kollege, der aushilfsweise in der Nachtschicht des Dauerdienstes, der zur Nachtzeit auch Pförtnerdienste verrichtet, Dienst versieht. Bokolic meldete sich unter Nennung ihrer Abteilung und ihrer beider Namen. Irgendwie geht danach alles schief. Weder erkennt der junge Kollege einen von beiden als Kollegen an noch versteht er den Spruch über die Sprechanlage richtig. Auf erneute Fragen nach dem Begehr antwortet Bokolic in seiner unter den Kollegen gefürchteten sarkastischen Art: „Das sieht man doch, wir sind die Terroristen aus dem Schwarzwald und gekommen, um unsere Waffen und unseren Sprengstoff abzugeben“. Geraume Zeit später kommen zwei Kollegen in Uniform um die Ecke geschossen. Sie richten ihre Maschinenpistolen auf den armen Bokolic und Günther und fordern unmissverständlich: „Kartons fallen lassen, Hände hoch!“ Erst nach Zureden und ruhiger Erklärung der Situation sind die dienstbeflissenen Kollegen bereit, das vorsichtige Absetzen des Kartons zu gestatten. Danach ist, nach ausreichender Kontrolle der Dienstausweise, die Situation schnell entschärft. Bokolic und Günther dürfen endlich ihre gefährliche Fracht im Sprengmittelraum abladen. Erst am frühen Morgen wird den Kollegen im Dauerdienst die Gefährlichkeit der Situation bewusst, als sie der Sachverständige über den Inhalt des Kartons und der Funktionsweise und Druckempfindlichkeit der Zünder aufklärt. Gegen Mittag erscheint unser Beschuldigter auf der Dienststelle zur abschließenden Vernehmung. Der prestigegeile Ermittlungsführer im Sammelverfahren will nun wegen der öffentlichkeitswirksamen Ergebnisse der Vernehmung die abschließende Vernehmung selbst durchführen. Der junge Kunde besteht jedoch darauf, dass er den Abschluss seiner Lebensbeichte bei seinen gestrigen Beichtvätern ablegen wolle. Hierauf zieht der Ermittlungsführer beleidigt von dannen und überlässt Bokolic und Günther ihren Schützling. Bevor der Sünder seine Beichte ablegt, gibt er Bokolic eine Kostprobe gelungener Selbstsuggestion zum Besten. Er erzählt, wie er zuhause angekommen einen ganzen Trupp einzelner Observanten gesehen habe. Auch auf seiner Fahrt zur Vernehmung seien überall Polizisten in Zivil mit schnellen Fahrzeugen vor und hinter seinem Auto hergefahren. Auf der Autobahn in Höhe des Flughafens habe er überlegt, ob es nicht doch besser wäre, ins Ausland zu fliegen, um sich dem Verfahren zu entziehen. Die Observanten hätten seinen Wagen jedoch so unnachgiebig eingekreist, dass er eine Flucht als unmögliches Unterfangen ansehen musste. Er sei froh, dass er sich dem Verfahren endgültig stellen werde. Auch habe er bei seinen Telefonaten immer seltsam knackende Nebengeräusche gehört und daraus geschlossen, dass seine Telefonate von der Polizei mitgehört wurden. Nur deswegen habe er es unterlassen, seinen Jugendfreund im Schwarzwald von dem Geschehen bei der Polizei zu unterrichten. Bokolic hütet sich, den jungen Mann über seinen Irrtum bezüglich der Möglichkeiten der Polizei aufzuklären, weil dieser durch diese Selbstsuggestion endgültig bis zum Abschluss des Verfahrens bei seiner Linie bleiben würde. Er bleibt tatsächlich bei dieser Linie und hat in einem fairen Prozess eine angemessene aber keinesfalls zu hohe Strafe erhalten.
An und für sich gibt es nur eine einzige Passage in der altehrwürdigen deutschen StPO (Strafprozessordnung), die eine jahreszeitlich bedingte Rechtsanwendung belegt. Hierbei geht es vor allem um die Voraussetzungen für eine Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit, die bekanntlich die Intimsphäre der Betroffenen wesentlich mehr tangiert als eine Durchsuchung am helllichten Tage. So wird das Ende der in der Strafprozessordnung definierten Nachtzeit entsprechend dem ehrwürdigen Alter der Strafprozessordnung wohl noch vom Hahnenschrei diktiert, und dieses Federvieh kräht bekanntlich erst bei Sonnenaufgang, welcher jahreszeitlich bedingt, grob überschlägig im Sommer früher ist als im Winter. So setzt die Strafprozessordnung für einen rein formal erleichterten Durchsuchungsbeginn am Tage den Tagesbeginn im Winter etwas später an als im Sommer, jedoch allemal ungeachtet der Tatsache, dass moderne Lebensweisen, die sogar eine Umstellung der Uhren zur Sommerzeit beinhalten, diese Passage der Strafprozessordnung schon längst relativiert haben. Diesem vorab geschilderten jahreszeitlichen Aspekt braucht Hauptkommissar Bokolic jedoch keine weitere Beachtung schenken. In dem konkreten Ermittlungsfall spielt vielmehr die taktische Beachtung der Auswirkungen von wetterbedingt unterschiedlichen Jahreszeiten auf das Gemütsleben bestimmter Menschen eine Rolle, die es im Interesse einer effizienten Ermittlungsführung zu beachten gilt. Bokolic muss lediglich den Staatsanwalt davon überzeugen, dass die Vorgehensweise nicht gegen die Regeln einer fairen Ermittlung verstößt. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit hat Hauptkommissar Bokolic seinen einzigen Mitstreiter an eine neu gebildete Sonderkommission ausleihen dürfen. Nun ist er in seinem Sachgebiet Falschgeldermittlungen wieder alleine mit einem Durchläufer. Wie bereits die Statistik belegt, steigen ab Oktober, wie in all den Jahren zuvor, die Fälle der Falschgeldverausgabung stetig an, bis sie in den Wochen vor dem Fest des Friedens im Einkaufstrubel den Höchststand des Jahres erreichen, um danach bis zum Jahresende wieder auf Normalwerte abzusinken. Normalerweise berührt dies Bokolic wenig, da die örtlichen Kriminaldienststellen im Lande sich mit Anzeigenaufnahmen bei Verausgabungen herumschlagen müssen, und in der Landeszentralbehörde die eingehenden Meldungen über solche Fälle vom eigenen Meldedienst des Hauptsachgebietes aufbereitet und in den Computer eingegeben werden. Lediglich in den Fällen, in denen neue Fälschungen am Markt auftauchen oder sich Ermittlungsansätze auf Falschgeldhersteller oder Serientäter ergeben, ist Hauptkommissar Bokolic gefragt. Vor Jahren, als Bokolic noch auf anderen Ermittlungspfaden wandert, ist eine Fälscherwerkstatt für Fünfzig - DM - Scheine im mittelhessischen Bergland aufgeflogen. Der Fälscher und mehrere seiner Falschgeldverbreiter haben zwischenzeitlich ihre Strafen abgesessen und sind danach mehr oder weniger gesetzestreue Bürger geworden. Eine größere Anzahl von Verausgabungen bleibt jedoch ungeklärt, weil die Zeugen, aus welchen Gründen auch immer, die Tatverdächtigen bei Gegenüberstellungen nicht identifizieren können oder wollen. Auch ergibt sich eine erhebliche Differenz zwischen den Aussagen des Fälschers über die Anzahl der von ihm gedruckten Scheine und den bisher im Zahlungsverkehr und bei Ermittlungen sichergestellten Scheinen. Ab und an tauchen immer wieder verstreut über das gesamte Bundesgebiet, aber auch in den Niederlanden und Dänemark, einzelne Scheine dieser Fälschungsklasse auf. Dies lässt den Schluss zu, dass eine oder mehrere unbekannte Personen die auf etwa 500 Stück veranschlagte Restmenge der falschen Fünfziger horten, und sie diese Scheine nach und nach auf ihren Reisen durch die Bundesrepublik und das benachbarte Ausland unter die Leute bringen. Konkrete Hinweise auf bestimmte Personen haben sich bei den Einzelverausgabungen bisher nicht ergeben. In der jetzigen Vorvorweihnachtszeit gelangen beunruhigende Falschgeldmeldungen zu mehreren Einlösungen der Fälschungsklasse der „Mittelhessischen Falschen Fuffziger“ auf Bokolics Schreibtisch. Anfang Oktober werden kurz hintereinander im Großraum Köln mehr als ein Dutzend Einzelverausgabungen solcher „Falscher Fuffziger“ gemeldet. Die Auswertung der Meldungen lässt den Schluss zu, dass eine mindestens vierköpfige Gruppe für diese Verausgabungen verantwortlich ist. So plötzlich, wie diese Verausgabungen begonnen haben, hören sie auch wieder auf. Zwei Wochen später wird aus dem Mittelhessischen, dort wo die Wiege der Fälschungsklasse stand, eine steigende Anzahl von Verausgabungen gemeldet. Die Meldungen landen wiederum knapp zwei Wochen später in Kopie mit einem Auswertungsbericht seines Meldedienstes auf Bokolics Schreibtisch mit dem Zusatz „zuständigkeitshalber, ggf. zur weiteren Veranlassung„. Bokolic bittet zuerst fernschriftlich die örtlich zuständigen Kollegen um Übersendung von Kopien der Anzeigen und aller Aussagen hinsichtlich Personenbeschreibungen und Tatumständen. Wieder gehen zwei Wochen ins Land. Die angeschriebenen Dienststellen haben fast alle geantwortet, und Bokolic wertet, neben seiner Ermittlungstätigkeit in mehreren laufenden Verfahren, die übersandten Unterlagen aus. Ehe Bokolic diese Arbeit jedoch beenden kann, kommt Kommissar Zufall zu Hilfe. Über Fernschreiber erreicht Bokolic die Nachricht von der Festnahme eines einschlägig bekannten Postsparbuchfälschers in einer Kleinstadt Mittelhessens. Bei Durchsuchung seiner Habseligkeiten wird in dessen Brieftasche ein Bündel der fraglichen „Mittelhessischen Falschen Fuffziger“ gefunden. Bokolic begibt sich noch am gleichen Tage auf Dienstreise zu dem örtlichen Kommissariat des Kleinstädtchens, um dort mit dem zuständigen Kollegen den festgenommenen Betrüger zu vernehmen. Die Alltagsgeschäfte im Amt überlässt er seinem Durchläufer. Wie sich alsbald herausstellt, ist der nun festgenommene Postsparbuchfälscher Heraldo ein begnadeter Betrüger, der dank einschlägiger Erfahrungen in Haftsachen weiß, dass Haftrichter und Staatsanwälte in der Vorweihnachtszeit unter Umständen mehr als nur milde bei der Beurteilung von Haftgründen sind. In der Vernehmung erkennt Heraldo schnell, dass nach Festnahme auf frischer Tat daher Vorwärtsverteidigung angesagt ist. Es bedarf nicht allzu viel Zuredens durch Bokolic und dessen Kollegen, um Heraldo zu einer umfassenden Lebensbeichte zu bewegen. So erzählt er munter darauf los, wie er an die schönen aber falschen Fuffziger geraten ist:
Im ländlichen Bereich des Hintertaunus haben sich vor etlichen Jahren Anhänger der „Ghostrider“ zu einer Motorradgang zusammengeschlossen. Das Chapter besteht aus weniger als zwanzig Mannen, meist schon betagt, in der Blüte ihres dritten Lebensjahrzehnts. Ihr Häuptling oder Leader ist Ottokar, wie üblich der stärkste und raueste der wilden Gesellen. Er teilt sich freiwillig den Job, die wilde Schar bei Laune und zusammenzuhalten, mit Hinkelstein, der klein dürr und drahtig, dafür aber umso gerissener und verschlagener als Ottokar ist. Bildlich könnte man sagen, dass Hinkelstein das Gehirn der Gruppe und Ottokar das Rückgrat ist, das den Korpus aufrecht hält. Die erstrebte Freiheit eines Easy Riders oder Ghostrider ist eng verknüpft mit jeglicher Ablehnung gesellschaftlicher Ordnung, soweit diese von außen auf die Mitglieder der Gruppe einzuwirken versucht. Innerhalb der Gruppe selbst herrscht jedoch umso mehr eiserne Disziplin in streng hierarchisch gegliederter Ordnung. Die Stellung des Einzelnen in der Gruppe ist abhängig von Größe und Einzigartigkeit seines fahrbaren zwei- bis dreirädrigen Untersatzes, daneben von der Wirkung seiner Fäuste und sonstiger Waffen und last, not least von seiner Trinkfestigkeit. Alle somit im Chapter geforderten Eigenschaften werden in unserer Gesellschaft nicht unbedingt als erstrebenswert empfunden. So ist es daher nicht weiter verwunderlich, dass sich die Anhänger dieses Kultes als gesetzlose Außenseiter oder Outlawer fühlen, die bei der Verwirklichung ihrer Lebensweise auch vor kriminellen Handlungen nicht zurückschrecken. Den Ermittlungsbehörden ist nicht entgangen, dass eine Vielzahl der „mittelhessischen falschen Fuffziger“ bei Saufgelagen auf Volksfesten verausgabt wird. Nur in zwei Fällen sind die Geschädigten bereit, als Verausgaber jeweils ein Mitglied dieser Motorradgang zu identifizieren. Die so Beschuldigten Ghostrider haben bei polizeilichen Befragungen angegeben, die bewussten Scheine seien Ihnen beim Verkauf einer ihrer motorisierten Kultmaschinen an einen nicht näher bekannten Motorradfreak untergeschoben worden. Da diese Version sich nicht widerlegen lässt, sind die Ermittlungen danach zu einem unbefriedigenden vorläufigen Abschluss gelangt. Nun wird Heraldo mit einem Bündel falscher Fuffziger festgenommen. Heraldo weiß, dass er wegen der betrügerischen Bargelderlangung mittels der getürkten Postsparbücher nicht unbedingt in Untersuchungshaft wandern muss. Er hat ja einen festen Wohnsitz, die Straferwartung ist nicht so hoch, dass man ihm deswegen Fluchtgefahr unterstellen kann und die holde Weihnachtszeit ist nahe, sodass er mit einer gnadenreichen Beurteilung der Haftfrage rechnen kann, wenn da nicht die dumme Sache mit dem Besitz der „Mittelhessischen Falschen Fuffziger“ und der als Verbrechenstatbestand einzustufenden organisierten Verbreitung dieser Scheine wäre. Seine schriftlichen Aufzeichnungen belegen das Zusammenspiel mit einer drei Männer starken Verbreitergruppe und Heraldo s Rolle als Organisator. Die jugendliche Truppe hat in den letzten Wochen gegen seinen ausdrücklichen Rat eine ganze Reihe von Scheinen im Großraum Köln verausgabt. Heraldo schätzt die Chancen nicht allzu hoch ein, dass seine drei grünschnäbeligen Betrügerlehrlinge einem harten Polizeiverhör standhalten werden. Also beschließt er unverzüglich mit kühnem Ausfall zu versuchen die eigene Haut zu retten. So kommt Ottokar und mit seinen Jungs erneut ins Spiel. Um selbst etwas besser abzuschneiden, betont Heraldo, dass einer der Ghostrider wohl die noch ausstehenden Scheine der Fälschungsserie gebunkert haben muss. Dies soll entweder Ottokar, der Chief oder sein Stellvertreter Hinkelstein sein. Genaueres weiß er jedoch nicht. Auch hat man ihn zur Abnahme der Scheine gezwungen. Er, Heraldo hat letztendlich um sein Leben gefürchtet, wenn er es ablehnt, die falschen Fuffziger für die Ghostrider unter die Leute zu bringen. Selbstverständlich verfügen deren Mitglieder alle über Schusswaffen. Hinkelstein hat ihm gegenüber mit seinem Colt geprahlt. Es handelt sich um eine großkalibrige versilberte Waffe mit aufgesetztem Zielfernrohr. Die Waffe ist mit mehreren anderen Waffen von der Gruppe bei einem amerikanischen GI entwendet worden. Auch hat Ottokar mit einem, an einer Heraldo unbekannten Stelle gebunkerten, zehnschüssigen Schrot-Repetierer die massive Holztür zur Stammkneipe der Hell Angels in Frankfurt zerschossen. Nachdem dem „armen ängstlichen Betrüger Heraldo“ wegen der konkreten Gefährdung von der Staatsanwaltschaft für den letzten Teil seiner Aussage Vertraulichkeit zugesichert wird, können die Aussagen in bestätigter Schriftform zu den Akten gelangen. Wie nicht anders zu erwarten, wird zwar ein Haftbefehl erlassen, jedoch in Anbetracht der besonderen Umstände und der weihnachtlichen Jahreszeit mit Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Dies ist die erste jahreszeitliche bedingte Variante der Strafprozessordnung in diesem Fall.
Dabei sollte es jedoch nicht bleiben. Bokolic ist zur Dienststelle zurückgekehrt. In den nächsten Wochen betreibt er zusammen mit den Kollegen vor Ort unauffällig aber intensiv Aufklärung zur Überprüfung von Heraldo´s Angaben. Den Geschädigten in Köln und Umgebung werden die Lichtbilder der Jungschar von Heraldo vorgelegt. Nachdem die meisten der Geschäftsleute und Kassiererinnen, denen falsche Fuffziger aus dem Mittelhessischen angedreht wurden, einen aus dem Trio als Verbreiter dieser Falschgeldnoten identifiziert haben, wird dieser festgenommen und bestätigt nach mehreren Vernehmungsversuchen letztendlich die Schilderungen Heraldo´s. Auch ist er in der Lage alle Mitglieder des Ghostrider Chapters zu benennen und zu identifizieren. Für die Stammkneipe und die Vereinshütte des Chapters wird durch Bokolic ein Auftrag zur sporadischen Überwachung durch ein Observationsteam erteilt. Gleichfalls werden die Waffendiebstähle der letzten vier Jahre überprüft und nach einem Treffer die Akte von der Staatsanwaltschaft beigezogen sowie die Erkenntnisse der amerikanischen Militärpolizei zu dem Geschädigten und den Waffen abgeklärt. Dies alles dauert seine Zeit, denn über den Jahreswechsel haben Bokolic und sein Durchläufer noch eine Reihe anderer Verfahren mit vordringlichen Haftsachen zu bearbeiten. Als danach die Tage wieder länger werden, und die Sonne wieder wärmer scheint, kommt die Akte mit dem Vorgang „gegen die namentlich benannten Ghostrider wegen falscher Fuffziger und gestohlener Waffen“ vom Gerichte zurück. Zur Durchsuchung der Wohnungen der Hauptbeschuldigten sind ebenso Beschlüsse erlassen worden, wie für die Unterkünfte weiterer tatverdächtiger Mitglieder des Chapters sowie für die Vereinshütte. Tage später erkundigt sich der Staatsanwalt, wann mit den Durchsuchungen zu rechnen ist. Bokolic vertröstet diesen unter Hinweis auf die besondere Gefährlichkeit der zu Gewalttaten neigenden Beschuldigten, der den Einsatz eines für solche Zwecke eigens geschulten SEK notwendig macht. Auch muss im Interesse der Vermeidung von Gefährdungen unbeteiligter Dritter zur äußeren Absicherung der Objekte mehrere Züge der Bereitschaftspolizei zur Verfügung stehen und dies bedarf ja wohl einer zeitlich etwas aufwendigeren Koordination. Mitte April sind alle Vorbereitungen abgeschlossen. Bokolic hat zugewartet, bis alle Ghostrider der Gruppe ihre protzigen Zweiräder aus dem Winterschlaf geholt haben, und die Bestätigungen der Zulassungsstellen über deren Neu- oder Wiederzulassung mit den Kennzeichen der Kräder auf seinem Schreibtisch eingegangen ist.
Am Wochenende hat der Wetterfrosch Sonnenschein angesagt. Das Thermometer wird nach Angaben des Wetterdienstes auf satte 20 Grad klettern. Die eingeteilten Truppen sind am Freitag zu einer Einsatzbesprechung für den frühen Montagmorgen zum Hahnenschrei auf vier Uhr bestellt. Das Observationsteam berichtet bei der Besprechung über den Betriebsausflug des Chapters am Sonntagvormittag, über dessen Rückkehr am Abend und über ein ausgedehntes Gelage der Wilden in deren Vereinshütte in der Nacht. Peinlich genau geben die observierenden Beamten an Bokolic durch, wann wer aus der Gruppe sein umnebeltes Haupt in den frühen Morgenstunden auf welcher Liegestatt zur Ruhe gebettet hat. Als gegen fünf Uhr endlich alle Ghostrider unter der Kontrolle der MEK-Beamten die Lichter gelöscht haben, beginnen die Einsatzkräfte ihre Ausgangspositionen einzunehmen und schlagen zeitgleich im Morgengrauen zu. Ottokar, Hinkelstein und Harke werden von jeweils einer Gruppe SEK Beamten zuhause aus ihren Betten und aus dem Schlaf gerissen. Die übrigen Ghostrider liegen benebelt in der Vereinshütte. Ottokar erleidet seine erste Niederlage im Faustkampf und wird wie Hinkelstein, der bei seiner Festnahme versucht, den schweren Fünfundvierziger Colt mit Zielfernrohr hinter dem Kopfteil seines Bettes hervorzuziehen, von den gut durchtrainierten Beamten überwältigt, festgenommen und geknebelt zur Erkennungsdienstlichen Behandlung und anschließenden Vernehmung in den Polizeigewahrsam verbracht. Bei den Durchsuchungen der Wohnungen und der Hütte werden etliche Hieb- Stich- und Schusswaffen ebenso sichergestellt, wie drei falsche Fuffziger, geringe Mengen Opiate, Koks und sonstige Rauschmittel sowie Kartei mit „Geschäftskontakten“ und getätigten „Umsätzen“. Die schriftlichen Notizen belegen, dass noch weitere Waffen und weiteres Falschgeld irgendwo gebunkert sein müssen. Nach den innerbetrieblichen Regeln des Chapters verweigern alle Mitglieder wie auch die drei Festgenommenen jedwede Aussage. Daraufhin werden Ottokar, Hinkelstein und Harke unter Vorlage der Akten mit den Durchsuchungsberichten und Asservaten dem Haftrichter vorgeführt, der sie, folgerichtig wegen Verdunkelungsgefahr in Haft nimmt, da die, von dem Trio ausgestoßenen Drohungen belegen, dass sie jede/n aussagewillige/n Zeugin oder Zeugen oder Beschuldigten zum Schweigen bringen werden. Auch alle noch ausstehenden Ermittlungen bezüglich des Verbleibs übrigen Waffen aus dem Diebstahl wie auch der restlichen Falschgeldnoten gebieten diese Maßnahme. So rücken die Drei Haupttäter, fein säuberlich voneinander getrennt, in drei unterschiedliche Haftanstalten Hessens ein. Nach deren Inhaftierung fragt der Staatsanwalt Bokolic zum letzten Mal, warum denn dieser Einsatz so lange hat auf sich warten lassen. Geduldig erklärt ihm Bokolic die jahreszeitliche Bedeutung für diese „besondere Haftsache“ in diesem „besonderen Ermittlungsverfahren“. Der Staatsanwalt kann letztendlich sich den Überlegungen Bokolics nicht verschließen und neigt, ob einer solchen noch nie geäußerten Betrachtungsweise der Regeln der Strafprozessordung leise lächelnd aber zustimmend seinen Kopf.
Bokolic weiß nur zu gut, dass es aussichtslos ist, durch Ermittlungstätigkeit die noch ausstehenden Waffen, Falschgeldnoten und sonstigen gesuchten Gegenstände zu finden. Zu gut sind die Versteckmöglichkeiten im bewaldeten mittelhessischen Bergland. Es bleibt ihm nichts anders übrig, als geduldig den Eintritt des Erfolges seiner, an die jahreszeitlichen Bedürfnisse der inhaftierten Ghostrider genau angepassten Haftstrategie abzuwarten. In regelmäßigen Abständen „besucht“ Bokolic und sein Durchläufer die drei Klienten in der Haft. Höflich unterhält man sich über dies und das, insbesondere jedoch über das frühlingshafte schöne Wetter, das, wenn es denn anhält, einen ebenso schönen Sommer verspricht. Bokolics Durchläufer schildert die wunderbaren Wochendausritte mit seiner Freundin auf seiner Harley-Davidson. Derweil hört Bokolic versonnen lächelnd zu und gemahnt ab und an, es sei doch an der Zeit sich auf ein Gentlemen Agreement einzulassen, um die Verdunkelungsgefahr und damit auch den Haftgrund loszuwerden. Ungefragt gibt er zum Besten, dass die sehr schwierigen Ermittlungen zum Verbleib der in den Haftbefehlen genannten Gegenstände sowie die Aufklärung der Sachverhalte wohl doch über den ersten Drei-Monats-Haftprüfungstermin hinaus andauern könnten. Die inzwischen aktenkundigen Rechtsbeistände der drei Inhaftierten sind, wohl nicht nur wegen der mit einer längeren Haftdauer und Haftprüfung verbundenen Tantiemenerhöhung, endlich einmal der gleichen Meinung, wie die Ermittlungsbehörden. Keine weiteren vierzehn Tage sind vergangen, da wird der erste Hilfeschrei von Harke an den Leader Ottokar in Form eines Kassibers von den zur Wachsamkeit ermahnten Justizbediensteten abgefangen und nach Kenntnisnahme mit Zustimmung des Staatsanwaltes an Ottokar weitergeleitet. Nur wenige Tage später trudelt ein fast gleich lautendes Schreiben Hinkelsteins bei Ottokar ein. Beim nächsten Besuch bei Ottokar spricht Bokolic ein sehr heikles Kapitel an. Er habe gehört, dass die in Freiheit befindlichen Chaptermitglieder gerne das Maitreffen der Ghostrider im hessischen Odenwald besuchen möchten. Sie sind dazu jedoch nicht in der Lage, da die Polizei ihre Kutten - d. h. ihre mit Symbolen zugekleisterten kurzärmeligen Lederjacken wegen der Aufnäher mit verfassungsfeindlichen oder volksverhetzenden Parolen sichergestellt hat. Gerne, so sagt Bokolic, will er in dem Streit zwischen den Betroffenen und der Staatsanwalt vermitteln, es bedarf jedoch einer klaren Stellungnahme des Chapterleader Ottokar. Auch über eine Herausgabe der noch sichergestellten Motorräder ist zu reden, wenn denn nun endlich geklärt ist, dass die teilweise aus dem Ausland beschafften Maschinen nicht mit illegalen Mitteln finanziert wurden. Der Anwalt Ottokars rät diesem aufgrund der ungewöhnlichen Offerte und der fairen Zusammenarbeit zumindest zu einem Teilgeständnis, was den Verbleib der im Haftbefehl aufgeführten Gegenstände anbetrifft, da er den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr ausgeräumt wissen will. Es gehen nur noch wenige sonnige Vorsommertage ins Land, da ist die Sehnsucht des inhaftierten Trios nach frischer Luft und freier ungebundener Fahrt mit dröhnenden Maschinen in geselligem Verein so groß geworden dass, nachdem erlösende Worte des Leaders Ottokar zu einer Kooperation mit der ungeliebten Staatsmacht die Runde machen, diese gar nicht schnell genug in Geständnisse umzusetzen sind. Der Staatsanwalt ist mehr als erstaunt ob dieses Erfolges der jahreszeitlichen Auslegung und Handhabung der strafprozessual trotzdem korrekten Haftanordnung. Bokolic und sein Durchläufer protokollieren fleißig, ein ums andere Mal bedeutsame Geständnisse. Genauso fleißig sammeln sie groß- und kleinkalibrige Waffen, Stempel und Siegel, Blanketten von Führerscheinen und Ausweisen, gefälschte Urkunden und Autokennzeichen, TÜV-Plaketten, Falschgeld, gestohlene Kreditkarten und Euroschecks, kurz all die Dinge, die unsere „Geisterreiter“ zur Absicherung ihrer ungebundenen freien Lebensweise zusammengetragen haben und auf Heuschobern in Scheunen und alten Gemäuern aber auch in Feld und Wald gut versteckt gebunkert haben. Nachdem die Ermittlungen noch vor dem kalendarischen Beginn des Sommers mit umfassenden Geständnissen abgerundet sind, werden die Haftbefehle gegen Ottokar, Hinkelstein und Harke unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Damit können die drei Freiheitsliebenden zumindest bis zum im Herbst anstehenden Prozess diesen Sommer noch in vollen Zügen genießen. Danach beginnt mit erfolgter Verurteilung die herbst- und winterlich jahreszeitlich ebenso triste wie bedauerliche Zeit der Buße in der Strafhaft für den Leader Ottokar und dessen Stellvertreter Hinkelstein. Harke, dem Dritten im Bunde wird das Geschenk einer Freiheitsstrafe unter zwei Jahren zuteil, die wegen bisher einwandfreien Lebenswandels zur Bewährung ausgesetzt wird. Die übrigen Beteiligten Ghostrider kommen mit Geldstrafen und Geldbußen davon.
Bokolic ist schon wieder alleiniger Sachbearbeiter im Sachgebiet Falschgeld und Glücksspiel. Darum ist er zuerst nicht erfreut, als die Staatsanwaltschaft Frankfurt ihm einen so genannten „Beobachtungsvorgang“ zuweist. In der Regel bedeutet das viel Schreibkram und wenig oder keinen Erfolg, der im Übrigen bei solchen Vorgängen auch von der Staatsanwaltschaft nicht erwartet wird. Sie schiebt einfach die Auswertungs- und Schreibarbeit auf andere ab. Nach ein paar Tagen kommt Bokolic in einer freien Minute dazu, die übersandten Akten quer zu lesen. Danach ist er felsenfest davon überzeugt, dass sowohl Staatsanwalt als auch die Gesellschaft im Bankenviertel der Mainmetropole, die den Sachverhalt zur Anzeige gebracht hat, sich von ihm nichts mehr wünschen als einen sauberen Persilschein in „Sachen gestohlener deutscher Ausweispapiere und Euroschecks“. Im eigenen Interesse ist diese Gesellschaft bemüht, die Zahl der Schadensfälle und deren Höhe in den offiziellen Verlautbarungen möglichst gering zu halten. Bei der Bekämpfung der Karten- und Scheckkriminalität arbeitet sie lieber mit freien oder eigenen Mitarbeitern und misstraut sowieso allen hierzu von Staats wegen berufenen Organen. Nur wenige Staatsdiener genießen – aus welchen Gründen auch immer – ihr uneingeschränktes Vertrauen. Bokolic gehört im Gegensatz zu seinem Hauptsachgebietsleiter und dem Staatsanwalt jedenfalls nicht zu diesen Auserwählten. Der Vorgang besteht aus Anzeigen von Personen aus dem südhessischen Bereich, denen meist in ihrem Urlaub im südeuropäischen Ausland Personalpapiere, EC – Karten und oder EC Schecks abhanden gekommen sind, und die bei ihrer Rückkehr die Plünderung ihres Kontos feststellen und daraufhin neben der Anzeige bei der ausländischen Polizei nun auf Anraten ihres Kreditinstituts noch Anzeige bei der für ihren Wohnort zuständigen Dienststelle erstatten. Die Anzeigen selbst werden von den örtlichen Dienststellen bearbeitet und mangels Täterhinweisen der Staatsanwaltschaft zur vorläufigen Einstellung vorgelegt. In diesem Sommer haben sich die Einzelfälle jedoch erschreckend gehäuft, sodass die erwähnte Gesellschaft sich gezwungen sah, einen ihrer Ermittler drauf anzusetzen. Dieser ist in Zusammenarbeit mit einem spanischen Informanten zu dem Ergebnis gelangt, dass entwendete EC-Schecks auf den Balearen mittels Farbkopierer oder Druckmaschinen vervielfältigt werden und zusammen mit den dazu passenden Daten aus den Personalpapieren zu betrügerischen Einlösevorgängen benutzt werden. Der Bericht des Privatermittlers schließt mit den Worten, dass die Quelle zwar vertrauenswürdig sei, aber trotz entsprechender Auslobung bisher keine weiteren verwertbaren Hinweise vorliegen.
Nun hat also Bokolic den Gesamtvorgang von seinem Hauptsachgebietsleiter kurz vor dessen Jahresurlaub zur Beobachtung auf den Tisch bekommen. Kaum ist dieser in seinem wohlverdienten Urlaub, beginnt Bokolic an einem eigentlich dienstfreien Wochenende die Fernschreibstelle mit Arbeit zu überhäufen. Alle aus den Akten ersichtlichen Dienststellen werden gebeten Fotokopien oder besser Fotografien der inkriminierten Dokumente wie Ausweise, EC-Karten und -Schecks, sowie bei den betroffenen Geldinstituten die Einlösebelege, samt genauer Angaben über Ort und Zeit der Einlösung oder Geldabhebung zu erheben und zu übermitteln. Eine Woche später schickt er über das Bundeskriminalamt entsprechende Fernschreiben an die spanischen, französischen, italienischen und britischen Polizeidienststellen, mit der Bitte, die bei dort erstatteten Anzeigen sichergestellten Beweismittel zugänglich zu machen und auch ähnliche Vorgänge auf Tatzusammenhänge zu überprüfen. Keine Woche später meldet sich der für den Meldedienst Euroscheckkriminalität zuständige Sachbearbeiter des Bundeskriminalamtes und teilt Bokolic mit, es sei ein umfangreiches Schreiben aus Frankreich eingegangen, das jedoch noch der Übersetzung bedürfe. Bokolic bittet vorab um eine Kopie und die dem Schreiben beigefügten Beweismittel. Noch bevor Bokolic´s Chef aus dem Urlaub zurückkehrt, hat Bokolic seine Ermittlungen aufgenommen. Nach Feststellungen der französischen Behörde ist ein großer Teil der von Bokolic anhand seiner Daten vorgegebenen Euroschecks in Frankreich eingelöst worden. Alle Einlöseorte liegen unmittelbar an der Trasse des TGV aus dem Süden Frankreichs bis Paris und danach bis Cherbourg. Die Diebstähle der Dokumente und Schecks wurden ausschließlich an der Mittelmeerküste in den Urlaubshochburgen Frankreichs und Spaniens verübt. Für Einlösungen wurden keine gestohlenen Originalausweise verwendet. Hierbei wurden lediglich die Ausweisdaten der Bestohlenen in Blanketten von Pässen oder Identitätskarten übertragen. Dies geht aus mehreren bei fehlgeschlagenen Einlöseversuchen auf überhasteter Flucht zurückgelassenen und beigefügten Asservatkopien hervor. Bei Auswertung der Einlösedaten und der sichergestellten Dokumente kommt Bokolic zu dem Schluss, dass es sich um mehrere Tätergruppen handelt, die aus mindestens drei Personen bestehen.
Eine der Tätergruppen beginnt ihr Geschäft montags in Marseille. Hierbei werden sieben unterschiedlichen Bestohlenen zuzuordnende Scheckformulare benutzt. Die Gruppe wird am Montagabend auf ihrem Weg nach Norden bereits in Lyon mit denselben Formularen tätig. In Lyon wird eine Einlöserin in einer Bank von einer Kamera aufgenommen, wie sie einem älteren Mann die eingelöste Summe übergibt. Ausgelöst wurde die Kamera von einem Schalterbeamten, dem die Personen verdächtig vorkommen. Nachdem in Paris am nächsten Tag gleichartige sieben Scheckformulare bei mehr als 10 Einlösevorgängen benutzt werden, endet die Reise dieser Gruppe am späten Abend in Cherbourg, wo eine männliche Person jugendlichen Alters bei einem gescheiterten Einlöseversuch sowohl den Scheck als auch die benutzte Identitätskarte am Schalter hinterlässt, weil die Kassiererin wegen Zweifel an der Echtheit des Schecks einen Vorgesetzten herbeiruft. Der junge Mann kann sich durch Flucht dem Zugriff entziehen. Er wird nach Aussagen der Kassiererin von einem älteren im Hintergrund wartenden Mann begleitet. Am gleichen Montag, an dem diese Gruppe ihre Arbeit in Marseille beginnt, werden weiter nördlich in einem Grenzort zwischen den Niederlanden und Belgien vier kopierte unterschiedliche Scheckformulare anderer Herkunft eingelöst. Diese Gruppe bewegt sich nach den Einlösedaten in den folgenden Tagen über Paris Richtung Marseille, wo sie am Donnerstag eintrifft. Am gleichen Tag trifft nach den Einlösedaten auch die erste Gruppe wieder dort ein. Die Reisewege von insgesamt vier Gruppen werden von Bokolic mühsam aus den festgestellten Einlösevorgängen und den hierbei angefallenen Daten und sichergestellten Beweismitteln rekonstruiert. Es ergibt sich ein erstaunliches Bild. Alle vier Reisegruppen treffen mehrmals innerhalb von drei Wochen an einem Ort zusammen. Nach diesem Zusammentreffen werden von allen vier Gruppen nur Scheckkopien mit anderem Ursprung und gleichfalls andere Personaldokumente benutzt. Reisewege und Einlöseorte bleiben überwiegend gleich, nur die betroffenen Kreditinstitute wechseln. Bokolic teilt diese Erkenntnisse über das BKA den Interpolstellen in Westeuropa mit und danach geht alles sehr schnell.
Innerhalb vierzehn Tagen werden in Frankreich drei Einlöser festgenommen. In Lyon sind dies ein junger und ein älterer Mann in Cherbourg eine junge Frau. In beiden Fällen übernimmt die Police Judicaire die weiteren Ermittlungen. Wer das französische Sicherheits- und Justizsystem kennt, weiß, dass diese Übernahme nicht unbedingt von Vorteil für eine Zusammenarbeit mit deutschen Behörden ist. Die Police Judicaire ist nämlich bei der Justiz angegliedert und arbeitet direkt dem Ermittlungsrichter zu. Dieser hat in der französischen Justiz in etwa die Rolle, die in der Bundesrepublik die Staatsanwaltschaft hat. Im Unterschied zur deutschen Staatsanwaltschaft ist der Ermittlungsrichter unabhängig und nicht weisungsgebunden und kann seine richterlichen Anordnungen selbstständig treffen, die hier Staatsanwälte erst beim zuständigen Richter beantragen müssen. Hat die Police Judicaire einen Vorgang übernommen, ist sozusagen die französische Polizei außen vor und in der Zusammenarbeit auf den guten Willen des Ermittlungsrichters angewiesen. Der Umweg des nunmehr fälligen Rechtshilfeersuchens mitsamt der zeitlichen Verzögerung ist nicht unbedingt der Sache dienlich. So fordert Bokolic offiziell die bei den Festnahmen angefallenen Erkenntnisse nebst Fotografien sichergestellter Dokumente über das BKA bei den französischen Dienststellen an. Gleichzeitig bittet er einen ihm bekannten Beamten der Police Judicaire um Feststellung der zuständigen Ermittlungsrichter, mit der Bitte, dass diese sich doch entweder über die Staatsanwaltschaft oder direkt mit ihm in Verbindung setzten. Monsieur Boulanger ist Elsässer und als Ermittlungsrichter an die ferne Atlantikküste verschlagen worden. Wie viele Elsässer spricht er leidlich gut Deutsch und so kann sich Bokolic von Französisch ins Deutsche wechselnd ausgezeichnet mit ihm unterhalten. Fünf Tage später liegt Bokolic ein umfangreicher Bericht der Police Judicaire aus Cherbourg mit exzellenten Fotos vor. Monsieur Boulanger bedankt sich für die übermittelten deutschen Erkenntnisse und deutet an, dass er bereits mit dem Ermittlungsrichter in Lyon telefoniert hat, um die Verfahrensbearbeitung zu koordinieren. Zum Abschluss bittet er noch, die bisher sichergestellten Ausweisdokumente auf deren Herkunft und etwaige Zusammenhänge mit anderen Straftaten zu überprüfen. Zwei Tage später treffen bereits die Unterlagen aus Lyon bei Bokolic ein. Das darauf folgende Wochenende verbringt Bokolic auf seiner Dienststelle. Ebenfalls eingetroffen sind Unterlagen aus spanischen Urlaubshochburgen sowie eine Zusammenfassung der spanischen Erkenntnisse durch IP Madrid. Die Spanier berichten von mehreren Festnahmen bei versuchten Diebstählen in Hotels. Bei den Festnahmen wurden Euroschecks und Personaldokumente überwiegend deutscher Touristen sichergestellt. Die Festgenommenen sind alle bereits als Heroinkonsumenten polizeibekannt. Ihre dürftigen Angaben belegen, dass sie den Drogenkonsum über diese Diebstähle finanzieren. Zu den Hehlern der Schecks und den Drogenlieferanten machen sie durchweg keine Angaben. Die festgenommenen Hoteldiebe können trotz Lichtbildvorlage nicht als Euroscheckeinlöser identifiziert werden. Die Unterlagen aus Cherbourg ergänzen die spanischen Erkenntnisse. Bei der festgenommenen jungen Frau handelt es sich um eine Spanierin aus dem Baskenland. Sie ist hochgradig heroinabhängig und ihr Lichtbild entspricht dem Bild der Frau, die in Lyon nach betrügerischer Scheckeinlösung bei der Geldübergabe an einen älteren Mann fotografiert wurde.
Die bei ihrer Festnahme gefundenen Personalpapiere und Schecks lassen weitere erstaunliche Rückschlüsse auf die Vorgehensweise und Tatzusammenhänge zu. Sie hat vier Personaldokumente bei sich, eine spanische Identitätskarte, die aus einer Serie total gefälschter Identitätskarten stammt. Nach Bokolics Recherche stammen diese Totalfälschungen aus dem Umfeld der baskischen ETA. In dieser Identitätskarte wie auch in den übrigen Dokumenten sind mehrere Vornamen und Nachnamen miteinander kombiniert worden, wovon ein Vorname und ein Nachname auf die von der Polizei anhand der Fingerabdrücke überprüfte wahre Identität der Spanierin Bezug nimmt. Die übrigen aufgeführten Vor- und Nachnahmen gehören zu den Personaldaten der Geschädigten, denen Euroscheckvordrucke und Personalpapiere drei Wochen zuvor an der französischen Riviera im Urlaubshotel abhanden kommen. In diesem Zusammenhang stellt Bokolic fest, dass bei den Diebstählen jeweils nur die letzten drei Schecks aus der Vordruckmappe zusammen mit Bargeld und Personaldokumenten entwendet werden und die Personaldokumente schon einen Tag später in unmittelbarer Nähe des Hoteleingangs gut sichtbar abgelegt werden. Die Urlauber bemerken den Verlust der Euroschecks erst, als sie zu Hause angekommen, diverse Abbuchungen von ihrem Konto feststellen. Die Personaldokumente werden offensichtlich benötigt, um die Personalien zu Zwecke der Fälschung entsprechender Ausweise zu kopieren. Die Mitnahme des Bargeldes und die spätere Hinterlegung der Papiere verschleiern zudem den Diebstahl der Euroschecks und die darauf folgende betrügerischen Einlösungen.
Bei dem zweiten sichergestellten Dokument handelt es sich um einen echten Schweizer Pass, der nach Bokolics Recherche zu einer ganzen Reihe von Pässen gehört, die vor Jahren bei einem Einbruchsdiebstahl aus einer Verwaltung im Tessin entwendet wurden. Aus den Unterlagen der Interpol Zentrale Paris entnimmt Bokolic, dass Pässe aus dieser Serie von Mitgliedern der Roten Brigade benutzt wurden. Zwei Monate zuvor ist beim Grenzübertritt von Italien kommend ein mutmaßlich als Kurier eingesetztes Mitglied der Camorra von französischen Beamten festgenommen worden. Bei diesem werden eine Reihe solcher Pässe sowie zum Fälschen benutzte Siegel gefunden.
Bei dem dritten Personaldokument handelt es sich um eine echte französische Identitätskarte, die jedoch in den Personaldaten verfälscht und mit einem Lichtbild der Spanierin versehen ist. Sie stammt aus einem Einbruchsdiebstahl in eine Bürgermeisterei in Mittelfrankreich, bei dem insgesamt über zwanzig frisch ausgefertigte Identitätskarten abhanden kommen, die zur Abholung durch ihre rechtmäßigen Inhaber dort bereitliegen. Eine dieser Identitätskarten wird bei einem Drogenkurier sichergestellt, der mit seinem Boot von einem Hafen an der nordspanischen Atlantikküste einen französischen Hafen in der Bretagne anläuft. In dessen Boot werden in verschiedenen Verstecken insgesamt fünfzig Kilogramm Heroin gefunden. Dieses Heroin entstammt nach eingehender Analyse kolumbianischer Produktion und kommt wahrscheinlich von dem für Westeuropa zuständigen Residenten eines kolumbianischen Drogenkartells, der sich im Baskenland niedergelassen hat.
Das vierte Ausweisdokument ist ein total gefälschter britischer Reisepass. Die bei dieser Fälschung benutzten Siegel sind bereits vor Jahren von einer Untergruppe der nordirischen IRA bei der Fälschung von Dokumenten benutzt worden. Die in Lyon sichergestellten Unterlagen belegen weiter, dass die durchweg jugendlichen Einlöser in den Gruppen heroinabhängig sind. Ferner, dass diese Gruppen von einer älteren männlichen Person begleitet werden, die Verteilung der Pässe und Euroschecks an die Einlöser, wie auch die Abgabe von Heroin und die Entgegennahme der Gelderlöse vornimmt. Bei dem älteren in Lyon festgenommenen Mann wird ein Schließfachschlüssel gefunden. In dem Schließfach am Bahnhof werden neben mehreren Ausweisen, die nach den Lichtbildern auf eine Einlösergruppe von insgesamt fünf Personen schließen lassen, auch ein hoher Bargeldbetrag sowie in Tagesportionen abgepacktes Heroin sichergestellt, das nach überschlägiger Berechnung den Wochenbedarf für die gesamte Einlösergruppe abdeckt. Dieser Mann ist, wie sich bei der Untersuchung herausstellt, kein Rauschgiftkonsument. Nach den Unterlagen der Erkennungsdienstlichen Behandlung ist er jedoch ein mit Haftbefehl gesuchtes Mitglied des bewaffneten Arms der ETA, der schon lange verdächtigt wird, in die Finanzierung der Organisation involviert zu sein.
Bokolic gelingt es in den nächsten Wochen, anhand der vorhandenen und der immer noch eintreffenden Unterlagen und Erkenntnissen, die Personen von zwei der Reisegruppen komplett und die der beiden anderen zumindest teilweise zu identifizieren. Die von ihm zusammengestellten Erkenntnisse gibt er über das BKA an die auswärtigen Dienststellen weiter, fertigt den Rohentwurf eines Zwischenberichts für seinen Vorgang und will nach Eingang der Antworten auf seine Fernschreiben den Vorgang mit einem endgültigen Zwischenbericht zur Staatsanwaltschaft senden. Bevor dies geschehen kann, wird er auf dem Nachhauseweg von einem besoffenen Kraftfahrer in seinem Pkw frontal gerammt und muss sich vierzehn Tage von seiner Arbeit verabschieden. Als er wiederkommt, ist sein Schreibtisch und Schrank leer geräumt. Alle Akten liegen - mit Ausnahme des Beobachtungsvorgangs – auf dem Boden. Das Retent des Vorgangs findet Bokolic im Archiv des Hauptsachgebiets mit einer knappen Abgabeverfügung seines Hauptsachgebietsleiters die besagt, dass nach dessen Rücksprache mit dem Staatsanwalt der Vorgang ohne weitere Bearbeitung zur Einstellung durch die Staatsanwaltschaft zurückgesandt wird. Seine diversen Fernschreiben sind dem Meldedienst zur weiteren Beobachtung übergeben worden. Der Rohentwurf seines Zwischenberichtes ist und bleibt verschwunden. Lediglich auf der Diskette, die nur in seinem kleinen Atari - Computer bootfähig ist, sind die Fakten des Rohentwurfs noch verfügbar. Sein Hauptsachgebietsleiter bedeutet Bokolic er möge in Zukunft bei solchen Vorgängen nur noch das auf Weisung des Chefs Notwendige tun. Damit sind Bokolic alle weiteren Ermittlungen im Hinblick auf diese internationalen Gesellschaften untersagt. Bokolic wundert sich sehr, als er später in dem folgenden Jahresbericht der Frankfurter Gesellschaft von rückläufigen Schadenszahlen beim Euroscheckmissbrauch liest. Der Jahresbericht lässt offen, ob auch der Auslandsmissbrauch in dieser Aussage enthalten ist. Aber selbst Bokolic weiß, Statistik ist und wird Auslegungssache bleiben, je nachdem was man mit was auch immer vergleicht.
Matsch ist einer der Privatdetektive, die immer und überall ihre Finger im Spiel haben, wenn es darum geht, krumme Geschäfte zu geraden Geldgewinnen in Form von Provisionen, oder Belohnungen umzumünzen. Inzwischen hat er wegen seiner mehr als halblegalen Praktiken bei fast allen Polizeidienststellen und auch bei allen großen Versicherungsgesellschaften Hausverbot. Trotzdem gelingt es ihm immer wieder bei dem einen oder anderen Beamten offene Ohren, und durch deren Vermittlung auch offene Geldbeutel bei manchen Geschädigten zu finden. Bokolic’s Hauptsachgebietsleiter und dessen Stellvertreter können es einfach nicht lassen, trotz bestehenden Verbots den Privatdetektiv für ihre Erfolge zu nutzen. So beschleicht Bokolic ein mehr als unangenehmes Gefühl, als er mit ansieht, dass Matsch wieder im Lande und ebenso erkennbar unter seinem Hauptsachgebietsleiter als Flugleiter im direkten Landeanflug auf die von Bokolic zu betreuende Falschgeldrollbahn ist. Nur auf Umwegen und unter vorgehaltener Hand erfährt er von den Hintergründen des beginnenden Spiels. Schreiner ein obskurer Hinweisgeber aus dem Frankfurter Milieu hat vor Ostern bei der Kriminalpolizei vorgesprochen und wortgewaltig eine Belohnung von 150.000,- DM verlangt für die Preisgabe einer Lieferung falscher 100 US Dollarscheine im Nennwert von 20 Millionen US-Dollar. Details zu dem Deal will er nur dem Staatsanwalt verraten, wenn vorher seine Provision gezahlt sei. Sollte die Belohnung aber nicht drin sein, so will er sich anderweitig umsehen – so sagt jedenfalls Schreiner. Matsch hat hiervon Wind bekommen und hat sich an die Fersen von Schreiner geheftet. Wenig später ist die Rede von einem großen Falschgelddeal zwischen mehreren Franzosen und Deutschen, der in Frankfurter Kreisen die Runde macht. Bokolic hält sich bedeckt, er weiß, dass solches Gerede seine Zeit braucht und solange keine überprüfbaren Fakten auf dem Tisch liegen auch kein Anlass zu irgendwelchen Maßnahmen besteht. Es wundert ihn also nicht zu sehr als er eines Morgens von Chef und Chefchen zu einer Einsatzbesprechung geladen wird. Als Einsatzleiter und Ermittlungsführer wird Chefchen vorgestellt. Er sei der geeignete Ermittler für dieses Verfahren, weil er zumindest rudimentär der Französischen Sprache mächtig sei und das sei im vorliegenden Verfahren eine Voraussetzung. Bokolic ist, obwohl Sachgebietsleiter Falschgeld, obwohl laut Personalunterlagen des Französischen in Schrift und Wort geläufig, nicht in den Vorgang eingeweiht. Dafür darf er natürlich eines der vorgesehenen Durchsuchungsteams befehligen, sprich: Die von Chef und Chefchen ungeliebte Arbeit machen. Einer der Beteiligten aus der Observationstruppe des Mobilen Einsatzkommandos erläutert Bokolic auf der Fahrt einige Hintergründe des Einsatzes. Schreiner ist mit seinen dreisten Forderungen bei mehreren Polizeidienststellen abgewiesen worden und hat nun laut Privatermittler Matsch offensichtlich den Entschluss gefasst, das Falschgeld der Tätergruppe provisionspflichtig weiterzuvermitteln. Darauf hat die Staatsanwaltschaft einem Einsatz Verdeckter Ermittler zugestimmt, die als vorgebliche Abnehmer des Falschgeldes an Schreiner herangespielt wurden. Nunmehr soll die Übergabe einer ersten Tranche falscher Einhundert US – Dollarnoten auf einer Raststätte an der Autobahn Basel – Frankfurt am Main erfolgen. Ein ehemaliger Fremdenlegionär aus Straßburg, ein umtriebiger, nahezu bankrotter deutscher Geschäftsmann aus der Nähe von Kehl, ein windiger Badenser, der diesseits des Rheins in Deutschland wohnt und jenseits in Straßburg mehrere An- und Verkaufsläden betreibt, ein Schrotthändler aus Kehl, und ein Kaufmann aus Bayern sind bisher bei der Überprüfung von Schreiners Kontakten geortet worden. Die Übergabe des Falschgeldes soll auf der Raststätte Lorsch durch den bankrotten Kaufmann erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass der Fremdenlegionär das Geschehen beobachten wird. Nach Übergabe von mehr als 30.000 Geldnoten an die Verdeckten Ermittler wird Gans festgenommen. Gleichfalls wird der ehemalige Fremdenlegionär im Besitz weiterer Falschgeldnoten in der Raststätte festgenommen, kurze Zeit später auch Schreiner, der zur Beobachtung des Geschehens von Frankfurt angereist ist. Was danach folgt, ist Polizeiroutine: Durchsuchung und Sicherstellung der Pkw, Durchsuchung der Festgenommen, Transport zur nächsten Polizeidienststelle, Erkennungsdienstliche Behandlung, Belehrung und Vernehmung, Fertigung der Sicherstellungsprotokolle. Die ersten Vernehmungen haben wenig ergeben. Chefchen reist mit dem Falschgeld nach Hause, um zusammen mit dem Chef dort in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz zu glänzen, bei der ohne Not auch wichtige Fahndungsansätze bekannt gegeben werden. Die weitere Arbeit überlässt er dabei Bokolic und seinen Mitstreitern. Am späten Abend durchsuchen diese noch die Wohnung von Gans und veranlassen bei den zuständigen Polizeidienststellen diesseits und jenseits des Rheins weitere polizeiliche Maßnahmen. Am nächsten Morgen übergibt, noch bevor den Festgenommenen beim Haftrichter ihre Haftbefehle verkündet werden, Chefchen den viel Arbeit versprechenden Vorgang ohne Kommentar an Bokolic zur weiteren Bearbeitung. Der Ablauf der Ereignisse vor und nach der Festnahme ergibt sich aus den Erkenntnissen nachfolgender Durchsuchungen und Vernehmungen wie nachfolgend geschildert: Im vorhergegangenen Herbst spricht Schreiner den Tilmann wegen einer Quelle für falsche US-Dollar an, die ein Grieche in Frankfurt für Exportgeschäfte sucht. Ende des Jahres lernt Innig den Flügel in einer Gaststätte kennen. Zuvor hat er von einem gewissen Michel erfahren, dass dieser in der Lage ist, Druckvorlagen zur Herstellung von falschen Franken oder US Dollar anzufertigen. In der Folgezeit erörtern die beiden mit den Franzosen Alain, Francis, Marius und Jaqui den Plan falsche US-Dollar herzustellen. Innig gibt der französischen Polizei im Januar einen vertraulichen Hinweis hierauf, den er allerdings später widerruft. Auch Flügel gibt einen solchen Hinweis an eine deutsche Polizeidienststelle ohne dies allerdings näher zu konkretisieren. Im Februar sagt Schreiner dem Tilmann eine Provision zu, wenn er in der Lage ist, einen Falschgeldhersteller zu vermitteln. Anfang März spricht Tilmann mit Gans über die Möglichkeit, sich mit der Lieferung von Falschgeld zu sanieren. Zur selben Zeit versuchen Flügel, Innig und die Franzosen eine Druckmaschine in Südbaden zu erwerben. Man einigt sich darauf, den Kauf anteilig zu finanzieren. Gleichzeitig spricht Flügel den Russig wegen Abnehmer für das Falschgeld an. Dieser spricht mit dem ihm bekannten Gans darüber, der wiederum versichert Abnehmer für das Falschgeld zu haben. Mitte März nennt Tilmann dem Gans als Kaufpreis für den von Schreiner als Abnehmer vorgesehenen Griechen 15 bis 30 Prozent des Nennwertes. Nachdem der Kauf einer Druckmaschine in Deutschland nicht zustanden kommt hat Francis eine gebrauchte Druckmaschine in Frankreich gefunden. Flügel, Innig und die Franzosen einigen sich auf eine anteilige Finanzierung. Eine entsprechende Quittung aus dem April über den Anteil des Flügel an dem Kauf wird bei der Freundin des Innig gefunden. Für einen Abnehmer soll Russig eine Vermittlungsprovision erhalten. Die Schneidemaschine kauft Innig in Deutschland. In der Woche vor Ostern sind alle zur Herstellung des Falschgeldes notwendigen Materialien vorhanden. In der zweiten Aprilwoche sollen 3,5 Millionen US-Dollar gedruckt sein. Innig händigt dem Russig Musternoten vom ersten Andruck aus, die dieser an Gans weitergibt. In der Wohnung von Gans werden später die Preiskalkulationen für die vorgenannte Summe Falschgeld gefunden, daneben eine Einschreibquittung über die Übersendung der Musternoten an Tilmann, fünf Musternoten in einer Videokassette und weitere 272 Falschgeldnoten. An Ostern übernehmen Innig und Flügel nach Absprache mit Russig das Falschgeld in Straßburg von Jaqui und Francis und stellen es im Kinderzimmer der Wohnung Flügel unter. Dort wird es abends von Russig übernommen, der die drei Kartons zu Gans bringt. Dienstag nach Ostern fährt Gans mit dem Falschgeld zu Tilmann, der sich jedoch wegen vorgeblicher Qualitätsmängel weigert, die Ware anzunehmen. Nach der Absage bietet Gans dem Schreiner das Falschgeld an, der die Abnahme zusagt. Am Donnerstag nach Ostern trifft sich Gans mit Schreiner und den an diesen lancierten Kaufinteressenten in der Oase in der Nähe von Kehl. Gans übergibt Musternoten Die Interessenten wollen nur sieben Prozent des Nennwertes bezahlen. Nach längerem Hin und Her und einem weiteren Treffen einigen sich Innig, Russig und Gans am Samstagmorgen die Ware für 350.000,- DM zu verkaufen. Dies teilt Gans auch dem Schreiner mit. Am Samstagnachmittag trifft Gans erneut die vorgeblichen Käufer und vereinbart einen Preis von 650.000,-- DM. Diese Einigung teilt er Russig mit und bittet ihn hiervon nichts den Franzosen mitzuteilen. Den verhandelten Mehrerlös wollen sich die Beiden teilen. Inzwischen wird das Falschgeld wieder zu Flügel verbracht, wo es nach dessen Einverständnis am darauf folgenden Montag von Innig und Russig abgeholt und wieder zu Gans verbracht wird. Innig und Gans warten den vereinbarten Telefonanruf der Kaufinteressenten ab und fahren danach zum vereinbarten Übergabeort, während Russig sich am Abend mit den Franzosen in der Wohnung des Flügel zur späteren Abrechnung des Erlöses verabredet. Diese trennen sich in der Nacht gegen drei Uhr, ohne etwas von Innig und Gans gehört zu haben. Tage nach der Festnahme von Innig, Gans und Schreiner wird Russig beim Grenzübertritt von Frankreich nach Deutschland auf der Deutschen Seite der Europabrücke festgenommen. Ebenso widerfährt das gleiche Schicksal Flügel und Tilmann. Nach mehr als zehn Durchsuchungen, zwanzig Vernehmungen Beschuldigter, ebenso vielen Vernehmungen von Zeugen, noch mehr Auswertung von Asservaten und Schriftunterlagen, vielfacher Korrespondenz und Telefonaten mit Dienststellen diesseits und auch jenseits des Rheins kann Bokolic die Akte mit Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft vorlegen. Gegen die Beteiligten Alain, Francis, Marius, Jaqui ermittelt die Police Judicaire in Straßburg. Wegen der voreiligen und offenherzigen Pressemitteilung von Chef und Chefchen ist es ihnen jedoch nicht mehr möglich, die Druckerei auszuheben. Somit findet lediglich die deutsche Seite zu einem befriedigenden Abschluss.
Der Kalte Krieg zwischen den Supermächten neigt sich dem Ende zu. Dafür ergeben sich auf dem Balkan, in Nahost und Zentralafrika neue Geschäftsfelder für die auf Hochtouren produzierenden, immer neue Absatzmärkte suchenden Waffenschmieden in Ost und West. Erschwert wird das Geschäft durch lange Listen von Embargogütern, die für große Teile der Regionen gelten. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass wegen horrender Gewinne, die solche illegalen Geschäfte versprechen sich immer wieder recht zwielichtige Gestalten mit sonst ehrbaren Geschäftsleuten zusammentun, um die große Nachfrage nach Waffen und den übrigen Highend Produkten kriegstechnischer Entwicklung zu befriedigen. Es ist eine illustre Truppe, die, aus aller Herren Länder ankommend, in einem Innnenstadthotel in Frankfurt am Main absteigen. Die Zimmer im vierten Stock mit Aussicht auf den Main sind von den Technikern des Landeskriminalamtes entsprechend den richterlichen Vorgaben präpariert worden. Als Erster trifft der Iraker im Hotel ein, nachdem er am Tag zuvor noch das Vorgehen mit Beamten der Observationsgruppe und den für Waffendelikte zuständigen Sachbearbeitern besprochen hat. Der Iraker ist nichts anderes als verdeckter Ermittler einer US-Zollbehörde, der tatsächlich irakischer Abstammung, jedoch seit Langem die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hat. Als Zweiter trifft im Hotel ein amerikanischer Geschäftsmann armenischer Abstammung ein, der sein nicht unbeträchtliches Vermögen mit windigen Geschäften auf dem Balkan verdient hat. In seiner Begleitung befindet sich ein Serbokroate, der sich als Söldner einer nicht weiter genannten Truppe im zerfallenen ehemaligen Reich des Generals Tito betätigt. Unser Iraker begrüßt seine Gäste in der Lobby des Hotels, wo man gemeinsam die Ankunft der weiteren Geschäftspartner abwartet. Kurz hintereinander treffen diese ein: der Direktor einer polnischen Fabrik für Handfeuerwaffen, dann ein ehemaliger KGB-Oberst aus dem Herzen der SU, jetzt für eigene Rechnung arbeitend, sowie ein Ukrainer - ehemals technischer Leiter einer nuklearen Anlage - jetzt freier Handelsvertreter, und zuletzt noch zwei Vertreter einer windigen Reederei, deren Frachter unter liberianischer Flagge fahren. Unser Iraker verteilt unter den wachsamen Augen hessischer Observanten die Schlüssel für die Zimmer, sorgsam darauf achtend, dass die Gäste ja die ihnen zugedachten Zimmer bekommen. Dies ist schon von Belang, weil die Dolmetscher, entsprechend der avisierten Muttersprachen der Gäste ihre Kabinen bezogen haben. Die nächsten beiden Tage sind angefüllt mit stundenlangen Verhandlungen, die, wie sollte es anders sein, meist in der großen Suite unseres Irakers stattfinden. Auf dem Mahagonischreibtisch, der in der Mitte des Raumes unter einem Kronleuchter platziert ist, werden Schriftstücke ausgebreitet, Vertragsentwürfe, Kalkulationen, technische Pläne und Beschreibungen, zu guter Letzt Frachtpapiere und Schiffsbeladungslisten. Unser Iraker ist ein gewiefter Verhandlungspartner. Mal lädt er den Einen zum Gespräch, mal sitzt man im Kreis in großer Runde, aber immer um den großen Tisch versammelt. Die im Kronleuchter eingebaute Technik liefert nicht nur gestochen scharfe Bilder der auf dem Tisch ausgebreiteten Dokumente und Verträge, sie zeichnet auch die Unterschriftsleistungen der einzelnen handelnden Personen auf. Daneben dreht sich die Spule des Tonbandgerätes beständig mit, das an ein im Tisch eingebautes Mikrofon angeschlossen ist. In den Sitzungspausen werden die Gespräche und die Telefonate auf den Zimmern mitgeschnitten. Ab und an, wenn ein sorgsam geplanter gemeinsamer Einkaufsbummel ansteht, werden die Geschäftspartner von diskreten Observanten in gebührendem Abstand begleitet. Beim Betreten einer Telefonzelle zückt direkt daneben ein harmloser Tourist seinen Camcorder um seine ebenso harmlos aussehende Freundin abzulichten, nicht ohne das Objektiv auf die Wähltastatur und das Richtmikrofon auf die Glasscheibe der Telefonzelle ausgerichtet zu haben. Am Vormittag des dritten Tages werden Verhandlungen mit Festlegung der Zahlungsmodalitäten und allfälliger Provisionen abgerundet. Der Iraker verteilt im Auftrag seines irakischen Staatschefs und Auftraggebers einen Satz gravierter Duellpistolen an die mit den getätigten Geschäftsabschlüssen hochzufriedenen Embargobrecher und lädt zum Nachmittag noch zu einer Sightseeingtour durch Frankfurt ein. Zu diesem Zweck hat er den neutralen Kleinbus der Frankfurter Polizei gechartert, den Gepäckraum voller Technik, der sonst zu Einsätzen als Basisfahrzeug bei Observationseinsätzen dient. Aus der Observationstruppe hat er einen Reiseführer gewonnen, der es versteht, mehrsprachig der illustren Truppe die Schönheiten der hessischen Großstadt vorzuführen. Zum Abschluss, so verspricht der kundige Reiseleiter, wird er den Geschäftsfreunden des Irakers ein delikates Frankfurter Schmankerl zeigen. Wie versprochen, so geschieht es auch; der Bus biegt in die schrankenbewehrte Toreinfahrt eines hohen Gebäudes ein und stoppt, nachdem die Schranke hinter ihm sich wieder herabsenkt, im Innenhof des alten Frankfurter Polizeipräsidiums. Ein lauter Ruf schallt durch den Hof: “Zugriff“. Von allen Seiten springen die eingesetzten Beamten herbei und, ehe die Geschäftsleute einmal tief Luft holen, sind sie aus dem Bus gezerrt, stehen voneinander abgeschirmt, die Hände auf dem Rücken gefesselt, mit dem Gesicht zur Wand und warten auf ihren Abtransport zu den Haftzellen. Von dort geht die Sightseeingtour für die Touristen weiter, nach der Anfertigung von dreiteiligen Passbildern und obligatorischem Einschwärzen der Finger zur Erkennungsdienstlichen Behandlung geht es über Vernehmungszimmer in das Vorführzimmer des Haftrichters und, nach dem Erlass von Haftbefehlen, in die nicht hotelkomfortablen Einzelzellen der Haftanstalt. Dort genießen die Touristen einen Zwangsurlaub, der später, teilweise mit Auslieferung in die USA zwecks längerer Fortsetzung des Urlaubs hinter schwedischen Gardinen nach richterlicher Aburteilung daselbst, teilweise nach Verurteilung hier und Abschiebung in die Heimatländer zur Fortsetzung der dort schon anhängigen Strafverfolgung endet. Mit Ausnahme unseres Irakers, der nach Scheinfestnahme mit seiner Behörde telefoniert, die nach dem Zugriff die Beschlagnahme mehrerer Container in einem Überseehafen der USA veranlasst, wie auch die Durchsuchung einiger Schiffe unter liberianischer Flagge in Häfen rund ums Mittelmeer.
Bokolic hat von seiner Jugend an ein besonderes Verhältnis zum Fahrenden Volk der Sinti und Roma. Das liegt zum einen daran, dass er seit seinem vierzehnten Lebensjahr bis zu der Zeit, als er Familienvater wird, jedes Jahr seinen Urlaub auf den Straßen als Tramper unterwegs ist, somit das ungebundene Dasein dieses Volkes aus eigenem Erleben kennt, andererseits aber auch daran, dass der langjährige Hausarzt seiner Kindheit mit einer Doktorarbeit über die Heilmethoden der Roma promoviert hat und in seiner Landarztpraxis das Fahrende Volk ein und aus geht. Nun ist Bokolic im Hessenlande in Falschgeldermittlungen unterwegs. Ein Farbkopierer der Firma Canon wird gesucht, mit dem in den letzten Wochen immer wieder falsche Zwanziger und Fünfziger angefertigt und unter die Leute gebracht werden. Alle bisherigen Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass es sich bei den Verausgabern der Farbkopien um Roma aus dem Raume Bad Hersfeld und Fulda handelt. Doch noch nie zuvor haben sich Menschen dieser Herkunft mit einem doch recht wartungs- und pflegeintensiven Gerät wie einem Farbkopiergerät eingelassen. So klappert Bokolic Vertriebshändler und Kopierstudios in Osthessen ab, um die Ursprungsquelle der Scheinchen zu ermitteln. In Fulda wird er nach längerer Suche fündig. Ein Händler hat eines dieser recht teuren Geräte von einem insolventen Planungsbüro zurückgenommen und, da das Gerät bei keinem seiner übrigen Kunden untergebracht werden kann, es, wie er sagt „für einen Apfel und ein Ei“ an den nächstbesten Interessenten verkauft. Der Käufer ist Bokolic als fliegender Händler von keineswegs fliegenden Baumwollteppichen minderer Qualität bekannt. Trotz Einsatz eines Observationstrupps gelingt es Bokolic in den nächsten zwei Wochen weder den fliegenden Händler, noch den weggeflogenen Farbkopierer zu orten. Es werden danach alle umliegenden Dienststellen mit dem Sachverhalt vertraut gemacht, auch die Dienststellen jenseits der gefallenen Zonengrenze in Thüringen. Von dort kommt Tage später die frohe Kunde, dass sich ein Hinweisgeber gemeldet hat, der Angaben zum neuen Standort des Kopierers geben kann.
Bokolic begibt sich also auf seine erste Dienstreise in die Neuen Bundesländer und wird von seinem thüringischen Kollegen Marco empfangen und in die Nähe von Bad Langensalza gelotst. Der Erstkontakt mit einem ehemaligen Ostkollegen verläuft recht amüsant. Dieser ist ganz begierig darauf von seinem Dienst-Wartburg auf den hessischen Opel Vectra umzusteigen. Bokolic gewährt ihm großzügig aber pflichtwidrig das Vergnügen und brettert mit Mühe am Steuer des Wartburg durch alle Schlaglöcher in der Abenddämmerung hinter den Schlusslichtern seines Dienstopels hinterher. Dann endlich ist die Fahrt in einem Dorf vor einem baufälligen Hutzelhäuschen zu Ende. Marco geht zielstrebig auf den Eingang zu, tritt einmal kräftig gegen die Holztür, die quietschend und knarrend den Weg ins Innere freigibt. Niemand ist zu Hause. Das Haus ist gänzlich unmöbliert und kahl, bis auf den in der niedrigen ehemaligen Wohnstube vor sich hinprangenden Farbkopierer Marke Canon. In dessen Auswurfschacht liegen noch zwei Bögen mit kopierten Fünfzigern. Bokolic fragt nach der Verständigung einer Spurensicherung. Der Kollege schüttelt den Kopf: „Bislang haben wir dies noch immer Selbst gemacht“. Dann eilt er nach draußen zum Wartburg und kommt mit einem ehrwürdig alten Lederkoffer zurück. Unter fachkundigen Händen des Ostkollegen beginnt nun Einrußen und Abkleben von Fingerprints, während Bokolic die Tatortbeschreibung ins Memocord diktiert, sowie mit Skizze und Fotos die Fundsituation, Zustand des Kopierers, Zählerstände und weitere Beweismittel dokumentiert, um sich dann um die Auflistung der Beweismittel zu kümmern. Zwischendrin ruft Marco noch seine Dienststelle an und fordert zum Abtransport des Kopierers zwei Mann mit Barka an. Es ist schon spät am Abend, als diese eintreffen. Gemeinsam wird der Kopierer auf den Osttransporter gehievt, um danach in Richtung von Marco´s Dienststelle zu verschwinden. Das Durchsuchungsprotokoll wird auf der Fensterbank hinterlegt, die Türe versiegelt und danach in der schon bekannten Reihenfolge, Bokolic im Wartburg, Marco im Opel Vectra die Rückfahrt bis Bad Langensalza angetreten. Dort angekommen hält Marco vor dem besten Hotel am Platze, das bezeichnenderweise den Namen „Zum schwarzen Schwan“ trägt. Der genannte Übernachtungspreis von knapp über zehn Märkern lässt Bokolic hoffen endlich einmal keinen Ärger mit der Spesenabrechnung zu bekommen. Das ihm zugewiesene Zimmer ist spartanisch möbliert, die Toiletten und Duschgelegenheiten befinden sich außerhalb des Zimmers am Ende des Flures. Was Bokolic stört, ist der Staub in allen Ecken und das Fenster, das wegen des grauen Schmutzschleiers keines Vorhanges bedarf. Nachdem er seine Reisetasche abgestellt hat, geht er zu dem in der Rezeption wartenden Kollegen und teilt ihm mit, er habe soeben beschlossen, den Namen des Hotels in „Zum schmutzigen Schwan“ abändern zu wollen. Marco grinst dabei und verspricht Bokolic ihn zu einem Abendessen im einzigen Restaurant der Stadt mit „Internationaler Küche“ einzuladen. Das Lokal befindet sich knapp hundert Meter entfernt in der Altstadt. Von außen betrachtet ähnelt die Lokalität mehr einer größeren Frittenbude, auch drinnen ist von International vorerst nichts zu spüren. Der Raum ist voller Menschen, durchaus Einheimische, die an einfachen Tischen mit Plastiktischdecken auf ebensolch gewöhnlichen Gartenstühlen sitzen. Der Wirt, ein Mittdreißiger, ist wohl gut befreundet mit Marco. Er bringt selbst die Speisekarte an den Tisch, da die junge Bedienung, etwas dröge in der Ausübung ihrer Tätigkeit, auf Zuruf nicht reagiert. Erst als Bokolic einen Blick in die Speisekarte wirft, wird ihm klar, was man hierzulande unter Internationaler Küche versteht. Die erste Seite der Speisekarte weist unter der Rubrik „heimische Spezialitäten“ kunterbunte Angebote auf: Soljanka, Rübensuppe, Kartoffelsuppe mit und ohne Wurst, daneben Thüringer Bratwurst wahlweise mit Brötchen, Kartoffelsalat oder Fritten, dann Schweinebraten mit Thüringer Klößen und Kraut und so geht das bis ans Ende der Seite weiter. Seite zwei der Karte ist dem europäischen Ausland gewidmet mit jeweils einem Gericht aus einem Land: Österreichischer Tafelspitz, Ungarischer Gulasch, Polnische Gans, Italienische Pizza, Französische Quiche und Spanische Paella, jeweils mit passender Beilage, Seite drei führt überseeische Spezialitäten auf: Vietnamesischer Feuertopf, Indisches Lammcurry, Argentinisches Steak, Mexikanische Tortillas und Algerisches Couscous. Mit ihrer Bestellung bleiben Bokolic und Marco auf der Seite eins, weil, wie Marco sagt, dies garantiert frisch und schmackhaft sei, alles andere kommt aus der Tiefkühlung und ist für die nie über die Landesgrenzen gekommenen Einheimischen bestimmt, die sozusagen ihre neue Freiheit und ihr Fernweh zumindest kulinarisch befriedigen können. Spät am Abend, die Einheimischen Gäste sind bereits satt zu ihren Schlafplätzen unterwegs, setzt sich der Wirt zu ihnen an den Tisch und lässt sie an seinen Zukunftsvisionen einer erblühenden Gastwirtschaft teilhaben. Diese Vision geht zurück auf die Einflüsterungen eines aus dem Nachbarland Hessen stammenden Beraters, bei dessen Namensnennung Bokolic, eingedenk dessen bekannter Kriminalakte, unwillkürlich zusammenzuckt.“ Also, als Nächstes baue ich den Stall gegenüber zu einem Spielcasino aus, daneben kommt ein Barbetrieb mit hübschen Mädchen hin und im zweiten Stock darüber Übernachtungsmöglichkeiten für die Gäste. Im Quergebäude hinten wird eine Schwimmhalle mit Wellnessbereich und Sauna eingerichtet. Alles kein Problem, wenn ich die versprochenen Zuschüsse bekomme und uns die uns vom Bundeskanzler versprochenen blühenden Landschaften bevorstehen. Die Beraterprovision habe ich schon vorweg aus meiner Tasche bezahlt“. Bokolic denkt sich lieber seinen Teil und kann die Naivität dieses Wirtes nur bewundern. Wie er ein Jahr später von Marco hört, ist das eingetreten, was man anderenorts eine ungeordnete Insolvenz nennt. Lediglich der Westberater hat sich an der Vision blühender Gastwirtschaften dumm und dämlich verdient. Am frühen Morgen möchte Bokolic vor Dienstantritt ein Frühstück einnehmen. Die freundliche Rezeptionistin im schwarzschmutzigen Schwan weist ihn darauf hin, dass der Restaurantbetrieb aus dem Hotel ausgegliedert ist und erst gegen acht Uhr öffnet. Bäckerei und Café gegenüber seien ebenfalls noch geschlossen. So begibt sich Bokolic wieder auf sein Zimmer, packt die Reiseschreibmaschine aus und hämmert die Angaben zur Tatortbeschreibung vom Memocord abgehört auf sauberes weißes Papier. Dann endlich ist es acht Uhr. Bokolic packt sein kleines Reisegepäck zusammen mit dem Dienstgepäck in seinen Wagen, bezahlt die Übernachtung und setzt sich im Restaurantbetrieb an den nächstbesten freien Tisch. Aber auch hier muss der mit östlichen Gepflogenheiten nicht vertraute Bokolic einen Dämpfer nach dem anderen hinnehmen. Die Ältliche Bedienung, offensichtlich auf den ungewohnt frühen Ansturm des einzigen Frühstücksgastes nicht vorbereitet brummelt grantig: „Können sie nicht abwarten, bis man Ihnen einen Tisch zuweist“? Auf Bokolic’s Frage nach der Frühstückskarte: Ist nicht. Die Einzelpreise hängen am Tresen aus“. Bokolic steht wieder auf, geht zum Tresen, danach wieder an seinen Platz, kramt aus seiner Tasche einen großen Bogen Papier, geht wieder zum Tresen und notiert, nachdem er den Aushang sorgsam studiert hat: Eine Schrippe, zwei, nein besser drei Scheiben Schwarzbrot ein Ei – weich gekocht, zwei Scheiben Jagdwurst, zwei Scheiben Hartkäse, eine Tomate, Salz und Pfeffer, eine Portion Butter, ein Kännchen Kaffe, eine Portion Kaffeesahne und eine Portion Zucker. Dann wieder an seinen Tisch zurückgekehrt, übergibt er die schriftliche Bestellung der sauertöpfisch dreinschauenden Bedienung, die nach längerer Zeit das Gewünschte anliefert mit der Bemerkung: „Schrippen kommen erst später, dafür eine Scheibe Brot mehr. Jagdwurst ist alle, dafür gibt es Sülzwurst“. Nachdem Bokolic zu Ende gefrühstückt hat, fordert er die Rechnung. Wie am Tresen angekündigt wird jedes einzelne Teil des Frühstücks auf dem fast einen halben Meter langen Rechnungscoupon auch einzeln ausgewiesen. Trotzdem erscheint ihm die Gesamtsumme mit unter zehn Märkern doch recht akzeptabel. Danach sieht Bokolic zu, dass er möglichst schnell zu Marco auf dessen Dienststelle kommt. Marco hat zusammen mit seinen Kollegen vom Erkennungsdienst schon seine Hausaufgaben gemacht. Die auswertbaren Prints vom Farbkopierer sind verformelt und schon mit der Kartei beim BKA verglichen. Mehrere der Abdrücke stammen von dem als Käufer des Kopierers durch Lichtbildvorlage beim Verkäufer identifizierten Fuldaer Teppichhändler, der in der Kartei mit dem Spitznamen „Der Dicke“ geführt wird. Die sonstigen Fingerabdrücke harren noch eines weiteren Suchlaufs, da Bokolic keinen Hinweis auf die möglichen Verursacher geben kann.
Im Laufe des Tages diskutiert Bokolic mit Marco über das weitere Vorgehen. Dabei zeigt sich, dass es doch noch erhebliche Unterschiede in der Auslegung der nunmehr für beide Teile der wiedervereinigten Republik gültigen Strafprozessordnung, wie auch in der praktischen Arbeit der Polizei gibt. Bokolic besteht darauf die Akten dem örtlich zuständigen Staatsanwalt vorzulegen, damit dieser bei Gericht einen Haftbefehl wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr wegen des Delikts Geldfälschung und Verbreiten von Falschgeld gegen den tatverdächtigen „Dicken“ beantragt. Marco ist der Auffassung, dass es durchaus genügt, den Dicken „polizeilich“ zur Suche auszuschreiben und diesen bei Ergreifung der Polizei, wie im alten System gewohnt, zuzuführen. Bokolic ist dieser Begriff der Zuführung vollkommen unbekannt und er bittet Marco um weitere Erläuterung der „gewohnten Verfahrensweise“. Daraufhin erläutert ihm Marco einige der in der ehemaligen „sozialistischen Rechtsordnung“ gepflegten Praktiken. „Der Hinweisgeber auf den Standort des Kopierers ist ein Beispiel für die praktische Arbeit der Polizei in einem solchen Fall. Er stammt aus dem Kreis des Fahrenden Volkes, wird irgendwann vom K1, dem unter Anderem für die Verfolgung politisch unerwünschter Umtriebe zuständigen Kommissariat nach einem Scheunenbrand der Polizei zugeführt. Das K1 arbeitet, neben allen anderen Stellen, vor allem der örtlichen Staatssicherheit zu. Die Zuführung ist nicht erfolgt, weil irgendwelche Beweise gegen den Hinweisgeber vorliegen, sondern vielmehr weil für solche Brände, die diesseits und jenseits der Grenze zumeist auf Brandstiftung durch „interessierte Kreise“ zurückzuführen sind, in dem Arbeiter und Bauernstaat einerseits ein Sündenbock in der Gestalt eines an sich asozialen Gesellschaftsschädlings gefunden werden muss und andererseits dadurch ein Druckmittel zur späteren Verpflichtung dieses Sozialschädlings zur Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen geschaffen wird. Er wird also ohne Beteiligung der Justiz und ohne Rechtsbeistand bis zu einer Woche in Verwahrung der Sicherheitsorgane verbleiben und ist, wie die Praxis zeigt, sehr schnell bereit auf die gestellten gewissen Bedingungen einzugehen. Danach hat man einen zwar unwilligen Informanten, der jederzeit durch sein Geständnis und unterschriebene Verpflichtungserklärung zu einer Zusammenarbeit gezwungen ist.“ Soweit Marcos Ausführungen zur Arbeit der Polizei. Bokolic braucht seine Zeit um Marcos Ansichten von Recht und Gesetz mit den entsprechenden Argumenten rechtsstaatlichen Handelns zu widerlegen und erntet zuerst nur Kopfschütteln und danach eine gewisse nachdenkliche Zustimmung. Im Raume steht danach immer noch die Aussage von Marco: „Wie kompliziert und schwierig wird denn nun unsere Arbeit, wenn wir uns buchstabengetreu an die von dir angeführten rechtsstaatlichen Prinzipien halten müssen“? Darauf weiß Bokolic nur eine Antwort: „Das ist nun mal so in einem Rechtsstaat“! Auch wenn er inzwischen gelernt hat, dass in diesem Staat nicht alles Gold ist, was glänzt und nicht alles gerecht ist, was in der Rechtsprechung geschieht, weiß er keinen besseren Weg zu einer besseren Welt. Dies behält er jedoch vorsorglich für sich. So wird am Ende dieses Tages, bevor sich Bokolic wieder auf den Weg nach Hessen macht, ein roter Zettel in Form eines Haftbefehls vom zuständigen Staatsanwalt für den Dicken beantragt. Jahre später wird Bokolic auf den Hinweisgeber aus dem Fahrenden Volk treffen, der ihm seine Geschichte von der erzwungenen Zusammenarbeit mit der Stasi erzählt.
Bokolic ist an seinen Schreibtisch zurückgekehrt, hat den von der Firma Canon benannten Gutachter damit beauftragt sowohl den Farbkopierer, als auch die gespeicherten Einstellungen mit den bisher sichergestellten Falsifikaten zu vergleichen, um zu einer gerichtsfesten Zuordnung der falschen Geldnoten zu kommen. Während die Klassifizierung von Druckfälschungen durch die Bundesbank eine eindeutige Zuordnung zu Fälschungsklasse und damit zum Ursprung der Fälschung zulässt, tut sich die Bundesbank bei dem recht neuen Medium der Farbkopie noch immer recht schwer. Die Merkmale der Fälschung verändern sich bei jeder Neueinstellung der Kopierparameter, aber auch bei notwendigen regelmäßigen Wartungen durch Firmentechniker. Erst nach längeren Recherchen gelingt es Bokolic den Techniker ausfindig zu machen, der entgegen den Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, dafür aber gegen einen hohen Cash Betrag den sichergestellten Kopierer in seiner Freizeit zweimal „schwarz“ gewartet hat. Die von diesem notierten Parameter und Zählerstände führen in der Folge dazu, dass weitere Farbkopien diesem Kopiergerät zugeordnet werden können. Da diese Falschnoten von der Bundesbank anderen Fälschungsklassen zugeordnet werden, muss Bokolic zuerst feststellen bei welcher Polizeidienststelle und bei welcher Staatsanwaltschaft die entsprechenden Ermittlungsverfahren anhängig sind. Es dauert recht lange, bis der Falschgeldmeldedienst die entsprechenden Recherchen zu Ende bringt. Danach eröffnet sich für Bokolic ein ganz neues Bild auf die Zusammenhänge bei Fälschung und Verbreitung der Farbkopien, die von dem sichergestellten Farbkopierer stammen. Die falschen Fünfziger werden durchweg in Osthessen von jungen Personen an Autobahnraststellen, Tankstellen und Kiosken unter die Leute gebracht. Die dürftigen Personenbeschreibungen und Kennzeichen benutzter Pkw weisen auf Roma aus dem Raum Bad Hersfeld hin. Falsche Hunderter werden in den neuen Bundesländern bis nach Dresden angehalten, wobei sie öfter in Bankeinzahlungen von Gaststätten und Supermärkten auftauchen. Zu den Verausgabern liegen bis dahin keine Angaben vor. Weitere Zweihunderter und Fünfhunderter sind als Einzelnoten beim Kauf von Unterhaltungselektronik eingesetzt worden. Hierbei ist der Pkw des mit Haftbefehl gesuchten „Dicken“ aus Fulda mehrfach von Geschädigten und Zeugen gesichtet worden. Das Verfahren gegen den Dicken und zwei der identifizierten jugendlichen Verausgaber hat Bokolic abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft abgegeben, da meldet sich ein Staatsanwalt aus dem mittelhessischen Raum, bei dem ein Verfahren wegen der falschen Hunderter anhängig ist. Er bittet um Übernahme des Verfahrens, da die bisher ermittelnde Dienststelle nach mehreren Fehlschlägen keine Möglichkeit mehr sieht, das Verfahren zu einem guten Ende zu bringen. Nachdem die Akte bei Bokolic eingetrudelt ist, wird dieser von seinem Hauptsachgebietsleiter regelrecht zur Brust genommen: „Wir sind doch nicht dazu da die verkorksten Verfahren einer Bundespolizeibehörde geradezubiegen. Die sollen ihren Dreck doch alleine wegkehren“. Erst als ihm der Meldedienst bestätigt, dass die in diesem Verfahren als Musternoten sichergestellten Farbkopien dem Ursprungsverfahren gegen den „Dicken“ zuzuordnen sind und Bokolic nach erster Durchsicht der Akten durchaus noch Ermittlungsansätze sieht, stimmt er widerstrebend der Übernahme des Verfahrens zu. Der Ursprung des Verfahrens ergibt sich aus einem dürren nichts sagenden Aktenvermerk, der, wie es beim Einsatz Verdeckter Ermittler von den meisten Polizeidienststellen Usus ist, mehr Fragen offenlässt, als er beantwortet. Einem dieser Ermittler sind die falschen Hunderter über einen V-Mann angeboten worden. Danach hat es mehrere Versuche gegeben mit den Anbietern ins Geschäft zu kommen, um diese bei einem Scheingeschäft mit dem Verdeckten Ermittler festzunehmen und die falschen Hunderter dabei sicherzustellen. Da Bokolic aus leidvoller Erfahrung weiß, dass die meisten Ermittlungsgruppen nicht geneigt sind, sich bei solchen Geschäften in die Karten schauen zu lassen, ist er darauf angewiesen, ein vertrauliches Gespräch mit dem Staatsanwalt zu führen. Dies führt zumindest dazu, dass er einen Blick in dessen Handakte werfen darf, der ihm letztendlich bestätigt, dass das Verfahren noch zu retten ist. Gleichzeitig bestätigt sich jedoch der Eindruck, dass die ermittelnden Kollegen nicht genug Sorgfalt bei der Einschätzung der Verhaltensweisen ihres polizeilichen Gegenübers haben walten lassen. Obwohl sie nach Halterfeststellungen observierter Fahrzeuge wissen, dass es sich bei den Anbietern der heißen Hunderter um gerichtsbekannte Roma handelt, verfallen sie in den Fehler, diesen als Übergabeort ausgerechnet die Raststätte vorzuschlagen, auf der der Chef dieser Sippe nach durchaus bekannter Aktenlage zwei Jahre zuvor bei einem Scheingeschäft festgenommen wurde. Kein Wunder meint Bokolic gegenüber dem Staatsanwalt, dass kein Angehöriger der Sippe Swoboda sich an einem solchen Übergabeort blicken lässt. Vor allem dann nicht, wenn es von Observanten mit Knopf im Ohr nur so wimmelt. Der nächste Vorschlag zur Durchführung des Geschäftes kommt von der Sippe Swoboda. Sie ist nach wie vor offensichtlich überzeugt, dass der Verdeckte Ermittler nichts mit der Polizei zu tun hat, sondern diese allenfalls durch Observation ihrer Fahrzeuge oder unbedachte Äußerungen am Telefon auf das geplatzte Treffen aufmerksam wurde. So schlägt die Sippe als Ort für die Abwicklung des Geschäftes nunmehr die Stadt Dresden in den neuen Bundesländern vor. Der genaue Treffpunkt soll dem Verdeckten Ermittler vor dessen Abfahrt telefonisch durchgegeben werden. Doch auch diesmal geht der Schuss nach hinten los. Zwar treffen sich die Anbieter mit dem Verdeckten Ermittler in einem Gasthaus am Rande der Innenstadt, jedoch hat die Sippe Swoboda durch eine gründliche Gegenobservation Wind von der Polizeiaktion bekommen, weil zu viele Pkw mit altdeutschen Kennzeichen im Umfeld der meist nur von Einheimischen besuchten Kneipe geparkt sind und diese dazu noch meist mit zwei Personen besetzt sind. Es werden dem Verdeckten Ermittler lediglich zwei Musternoten angedient und er danach auf den nächsten Tag vertröstet. Die Polizeiobservanten in der Kneipe sind enttäuscht, können aber nicht zugreifen, weil dies den durchaus noch möglich erscheinenden Ankauf von mindestens 500 avisierten Stück der Falsifikate verhindern würde. Am nächsten Tag sind alle observierten Pkw der Sippe Swoboda in alle möglichen Richtungen abgereist und der Kontakt zu den Anbietern endgültig abgebrochen. Damit wäre die Geschichte schon zu Ende, wenn nicht Bokolic dem Staatsanwalt trocken zu berichten weiß, dass ausgerechnet an diesem Abend dem Kneipenwirt zwei dieser Falschgeldnoten untergejubelt werden, die am nächsten Morgen bei der Einzahlung von der Bank angehalten werden. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, meldet auch das Hotel, in dem der Verdeckte Ermittler mitsamt dem Observanten übernachtet, dass dort ein Gast seine Übernachtung mit einer dieser Geldnoten bezahlt. So stellt sich jedenfalls die Situation nach den von Bokolic nachträglich ausgewerteten von der Dresdener Kripo abgegebenen Falschgeldsofortmeldungen dar. Die Gegenobservation der Sippe Swoboda ist somit in zweierlei Hinsicht erfolgreich verlaufen. Was diese jedoch nicht ahnen können: Bokolic gelingt es durch einfache Meldescheinüberprüfung bei dem letztgenannten Hotel und Lichtbildvorlage den Gegenobservanten der Sippe Swoboda zu identifizieren.
Mynzi ist eigentlich kein Roma. Er ist lediglich mit einer Frau aus der Sippe Swoboda liiert. Und wie es der Brauch ist dadurch mit allen Rechten und Pflichten zu einem Mitglied der Gemeinschaft geworden. Nun steht Mynzi ohne es zu wissen im Auftrag von Bokolic unter lockerer Beobachtung. Irgendwann ist es dann soweit, dass Mynzi den Kollegen ins Netz geht. Nachdem er von einer Einkaufstour in den Niederlanden zurückkommt, versucht er beim Nachtanken seines Pkw einen der falschen Scheine abzusetzen. Hierbei wird er jedoch von zwei Observanten beschattet und nachdem diese beim Kassenwart den falschen Schein sichergestellt haben kurze Zeit später von einer Streife der von den Kollegen instruierten Autobahnpolizei in Mittelhessen gestoppt. Bei der eingehenden Kontrolle des Pkw wird ein Bündel farbkopierter Hunderter sowie eine nicht unerhebliche Menge eines weißen Pulvers gefunden, das sich später als in den Niederlanden erworbenes Heroin herausstellt. Am nächsten Morgen wird Mynzi vom zuständigen Haftrichter der Haftbefehl verkündet, nachdem Mynzi erklärt von Nichts zu wissen und auch nichts zum Vorwurf der Falschgeldverbreitung und des Heroineinkaufs aussagen zu wollen. Nun hat nicht nur Mynzi ein Problem, sondern ebenso Bokolic. Nach der Auswertung der Zählerstände und des unterschiedlichen Verbrauchs der Farbkartuschen sowie der bisherigen Anhaltevorgänge von Farbkopien, die zweifelsfrei diesem Kopierer zuzuordnen sind, fehlen noch mindestens zweihundert Farbkopien, überwiegend Hunderter und Zweihunderter. Bokolics Problem besteht nicht so sehr darin, dem Mynzi eine Tatbeteiligung nachzuweisen, vielmehr muss er nach Erfahrungen in anderen Verfahren damit rechnen, dass diese Farbkopien auch bei nachfolgenden Durchsuchungen nicht aus dem Verkehr gezogen werden, weil die Mitglieder des Swoboda Clans es vorziehen, heiße Ware niemals in ihrem persönlichen Bereich zu bunkern. Darüber hinaus lassen die unterschiedlichen Begriffsdeutungen zwischen der allgemeinen Gesellschaft und dem Fahrenden Volk, was Begriffe wie Gesellschaftszugehörigkeit, Freiheit, Eigentum, Ehre, Gesetz und Recht betrifft, es nicht wahrscheinlich erscheinen, die Probleme irgendwie einer alle Beteiligten befriedigenden Lösung zuzuführen. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen und der Mehrheit der Gesellschaft ist Bokolic nicht der Ansicht die althergebrachten Vorstellungen des Fahrenden Volkes seien nur Ausdruck und Ausfluss einer kriminellen Minderheit. Dies trifft auf die geschlossenen Gesellschaften der Mafia und mafiöser Organisationen zu. Beim Fahrenden Volk sind die Unterschiede eher in den über Jahrhunderte gelebten Traditionen zu sehen, wobei die in mündlicher Überlieferung und im alltäglich Leben praktizierten Regeln teilweise wesentlich schärfer und strenger sind als das schriftlich tradierte Korsett der Regeln der mitteleuropäischen Gesellschaften. Zurück zur Lösung der Probleme: Bokolic ist nach mehreren Gesprächen mit Mynzi zur festen Überzeugung gelangt, dass das sichergestellte Rauschgift nicht für den allgemeinen Markt bestimmt war. Eine vertrauliche Unterhaltung mit einem Sozialarbeiter, der für die Betreuung der Romasiedlung in Bad Hersfeld zuständig ist, lässt vermuten, dass dort ein lange schwelender Konflikt zwischen den Sippenältesten und Jungen wegen deren teilweiser Abhängigkeit von Rauschgift herrscht. Der Konflikt hat wohl auch damit zu tun, dass die Jungen in ihrer Perspektivlosigkeit sich nicht mehr an die althergebrachten Regeln gebunden fühlen. Der Dicke aus Fulda ist durch seine Frau eher der Sippe von Swoboda zugehörig und so sieht Bokolic ein fehlendes Bindeglied, zwischen Falschgeldhersteller, Rauschgift und den jugendlichen Falschgeldverbreitern, das nur noch einer Bestätigung durch weitere Beweismittel oder Aussagen bedarf. Damit ist ein Teilproblem fast schon gelöst. Zur endgültigen Lösung des Problems sucht Bokolic das Gespräch mit dem Staatsanwalt, der bereits die Anklage gegen Mynzi bei Gericht vorgelegt hat. Nach längerer Erörterung des Für und Wider ist der Staatsanwalt bereit mit dem Vorsitzenden Richter und dem Pflichtanwalt des Mynzi ein Gespräch zu führen. Nach diesem Gespräch sind die Bedingungen für einen Deal geklärt. Nun bedarf es nur noch hartnäckiger Überzeugungsarbeit, um Mynzi selbst auf Kurs zu bringen. Bokolic wählt hierzu den direkten Weg. Er schlägt Mynzi ohne Umschweife einen Handel vor. Dabei sagt er ihm die vom Staatsanwalt schriftlich zugesicherte Vertraulichkeit für bestimmte Teile seiner Aussage vor. Mynzi´s Anwalt, der bei dem ersten Gespräch zugegen ist, versichert diesem, dass auch das Gericht von ihm keinerlei Aussagen erwartet, die über die Bedingungen des vorgeschlagenen Handels hinausgehen. Es gehe nur darum, die von Mynzi offensichtlich gebunkerten Falschgeldnoten ohne unzumutbaren Aufwand aus dem Verkehr zu ziehen. Dafür seien Staatsanwalt und Gericht angesichts der dürftigen Beweislage bei dem Rauschgiftfund im Pkw - Halter des Pkw ist Mynzi´s Schwager, Fingerabdrücke von Mynzi konnten an den Beuteln nicht gefunden werden - bereit, dem Mynzi die Aussage zu glauben, er habe mit dem versteckten Rauschgift nichts zu tun, dies müsse ein Anderer in dem Pkw versteckt haben. Bokolic gibt Mynzi darüber hinaus sein Ehrenwort, dass die Sicherstellung der falschen Scheine auf eine Art und Weise erfolgen wird, die keinerlei Rückschlüsse auf den Hinweisgeber zulassen. Erst als Bokolic detailliert erklärt, wie dies vonstattengehen kann, ist Mynzi endgültig überzeugt, dass dies ein fairer Handel ist und seine Reputation in der Sippe darunter auch nicht leiden wird. Somit wird der Handel durch Handschlag besiegelt und eine Woche später die Aussagen des Mynzi entsprechend dem Handel protokolliert. Zwei Wochen später: Die Verhandlung gegen Mynzi ist bereits terminiert, da finden nach Meldung einer regionalen Wochenzeitung beim Spielen in einem Erdversteck am Fuße einer großen, alleinstehenden Kastanie eine Plastiktüte mit über zweihundert Geldnoten. Bei dem Einkauf von Süßigkeiten wird der Kassierer misstrauisch, weil die Jungs mit einem Zweihunderter bezahlen wollen. Er verständigt die Polizei, die sehr schnell herausfindet, was es mit den Scheinen auf sich hat. Was die Jungs, deren Eltern und der Kassierer der neugierigen Presse verschweigen, ist die Tatsache, dass sie alle von Bokolic auf diese Geschichte eingeschworen wurden. Somit ist für Mynzi klar, dass die Gegenseite ihr Versprechen gehalten hat, und seine Ehre gewahrt bleibt. Dies bestätigt sich auch in der nachfolgenden Hauptverhandlung in der Mynzi zwar wegen der bei ihm gefundenen farbkopierten Scheine verurteilt wird jedoch mit keinem Wort Bezug auf den Fund unter der Kastanie genommen wird und der Rauschgiftfund als, offensichtlich von dem in den Niederlanden aufenthältlichen Schwager untergeschoben, abgetan wird.