Adelheid Müller heißt sie im ordentlichen Leben. So wenigstens steht es auf den Rechnungen des Möbelhauses und auf den Kreditverträgen, die Adelaide sowie ihr Freund und Beschützer Jean Boulanger mit Bokolics Chef abgeschlossen haben. Adelaide ist der Künstlername, unter dem sie das älteste Gewerbe der Welt ausübt. Adelaide ist sowohl jung als auch hübsch und von daher in der Lage sich und ihrem Beschützer ein Leben in Saus und Braus zu ermöglichen. So hat sie sich in den letzten Jahren, in denen sie am Markt ihrer Tätigkeit nachgeht, so weit emporgearbeitet, dass sie, wie nur wenige ihrer Kolleginnen vor ihr, nun in der Lage ist, ihr kleines Stundenzimmerchen über einer der Kneipen am Markt gegen ein abgeschlossenes separates Apartment in einer eigenen Eigentumswohnung einzutauschen. Die Wohnung liegt verkehrsgünstig im Dachgeschoss eines der frisch renovierten Bürgerhäuser am Markt, in dem sich bereits zwei ihrer Kolleginnen eingekauft haben.
Wie die ihre Vorgängerinnen kauft Adelaide die Einrichtung ihres „Boudoirs“ wie auch die Einrichtung der übrigen Wohnräume „auf Pump“ bei dem am Markt wohlbekannten Einrichtungshaus, in dem Bokolic als Aushilfe im Büro, Verkauf, Versand und bei der Schaufensterdekoration arbeitet. Bokolic assistiert dem Ersten Verkäufer bei den Verkaufsverhandlungen. Das heißt, er hat die undankbare Aufgabe zugewiesen bekommen, den Beschützer von Adelaide soweit abzulenken, dass dieser nicht sofort mitbekommt, welche Einrichtungsgegenstände zu welchem Preis von dem Ersten Verkäufer der in den Geschäften nicht allzu sehr bewanderten Adelaide aufgeschwatzt werden.
Bei der Einrichtung der normalen Wohnräume legt der Erste Verkäufer Wert auf Funktionalität und vor allem preiswerte Möblierung. So wendet sich Adelaides Beschützer nach einiger Zeit zur Zufriedenheit von Bokolic von dem aktuellen Verkaufsgespräch ab und lässt sich von Bokolic die ihn mehr interessierende Möblierung eines Fitnessraumes vorführen. Währenddessen ist Adelaide unter behutsamer jedoch zielgerichteter Anleitung des Ersten Verkäufers bei einer ersten Erörterung der Ausstattung ihres Arbeitszimmers angelangt. Unter dem Hinweis auf die berühmten und erfolgreichen Mätressen französischer Könige besichtigt Adelaide Schleiflackmöbel gehobener Preisklasse, wie auch die dazu gehörenden Sitzmöbel sowie Prunkbetten bester französischer Provenienz. Die passende Dekorationen für Fenster und Türen, wie auch feine handgeknüpfte Teppiche erregen ihr höchstes Entzücken. Nur die mit solcher Luxusausstattung verbundene Preisgestaltung bereitet ihr etwas Unbehagen. Nachdem der Erste Verkäufer erst einmal Adelaides Interesse an den antiken Schönheiten geweckt hat, ist es, dank routinierter Überzeugungskunst, recht einfach die geweckten Begehrlichkeiten zur Zufriedenheit aller, selbst des wieder hinzukommenden Beschützers zu befriedigen. Unter Hinweis auf die Einrichtungsgepflogenheiten der sattsam bekannten Rosemarie aus Frankfurt, deren solchermaßen gediegene Einrichtung nicht ohne Auswirkung auf die danach erzielten Stundenlöhne blieb, ist der an dem Gewinn des Stundengewerbes beteiligte Freund sehr schnell von der Rentierlichkeit der doch recht hohen Investitionen zu überzeugen. Die letzten Hürden vor Vertragsunterzeichnung kann der Erste Verkäufer dadurch überwinden, dass er den größten Teil der Einrichtung des „Arbeitszimmers“ aus vorhandenen Ausstellungsstücken mit entsprechendem Rabatt zusammenstellt, ohne hierbei zu erwähnen, dass diese Schaustücke vielfach schon bessere Zeiten auf mehreren Möbelmessen und im Schaufenster des Möbelhauses zugebracht haben. Nach Vertragsabschluss geleitet Bokolic Adelaide und ihren Beschützer zum wohlbeleibten Chef des Hauses, der, hinter seinem Schreibtisch verschanzt, Zahlungs- und Kreditbedingungen mit Adelaide nebst Beschützer aushandelt. Wenige Tage später richtet Bokolic zusammen mit einem Möbelpacker und dem Schreiner der Firma die Wohnung Adelaides zu deren Zufriedenheit ein. Pünktlich zu jedem Monatsersten erscheint Adelaide beim Chef und bezahlt die im Kreditvertrag vereinbarten Raten in bar.
Ein Jahr ist seitdem vergangen. Adelaide erscheint wie sonst immer Anfang des Monats im Büro des Chefs, diesmal ohne Bargeld. Ihr Freund und Beschützer hat Spielschulden bei seinen Kumpels gemacht, und nun kassiert er entgegen früherer Gewohnheit Adelaide gnadenlos ab. So ist Adelaide nicht in der Lage ihren Abzahlungsverpflichtungen nachzukommen, weil ihr Beschützer ihr nicht einmal Bargeld für das Lebensnotwendigste belässt. Bokolics Chef hört sich Adelaides Geschichte mit erstaunlichem Gleichmut an. Dann lässt er sich von Adelaide weitere Details über ihre Arbeit, wie auch über die Gewohnheiten ihres Beschützers erzählen, verabschiedet Adelaide danach freundlich und verspricht ihr, sich höchstpersönlich um die Angelegenheit zu kümmern.
Drei weitere Monate sind ins Land gegangen. Adelaide ist noch einmal mit rotumränderten Augen bei Bokolics Chef gewesen und hat mehrere Dokumente unterschrieben. Danach ist sie frohgemut wieder von dannen gezogen. Am Freitag der darauf folgenden Woche bittet der Chef die Möbelpacker und Bokolic zu einer Besprechung. Er erläutert kurz den Stand der Dinge in Sachen Adelaide, legt einige Schriftstücke, darunter gerichtliche Titel und Protokolle über erfolglose Pfändungsversuche, auf den Tisch und lädt die muskelbepackten Möbelpacker als auch den jungen Bokolic zu einer abendlichen Kneipentour am St. Johanner Markt ein. Am Abend trifft man sich in der alten Eckkneipe am Markt. Die firmeneigenen Muskelprotze belegen die Hocker direkt neben dem Eingang, der wohlbeleibte Chef und der junge Bokolic stehen in der davon weit entfernten Ecke am Tresen. Bokolics Chef hat eine große Runde spendiert, an der die Wirtin ebenso wie die Teilnehmer einer Würfelrunde am Stammtisch, aber auch die auf Kundschaft wartenden jungen weiblichen Gewerbetreibenden an einem der kleinen Tische teilhaben. Der Chef weiß eben, wie man potentielle Kunden zu behandeln hat. Der Abend ist inzwischen weit fortgeschritten, als endlich Adelaide erscheint und sich zu ihren Kolleginnen an den Wartetisch gesellt. Wie der Chef bei ihrer letzten Besprechung erfahren hat, dürfte Adelaide gerade soeben von den festen Freitagabendterminen mit angesehenen, wohlbetuchten Kaufleuten kommen. Minuten später erscheint ihr Beschützer, eilt zu Adelaide, beugt sich zu ihr herunter und entreißt ihr nach kurzem heftigem Disput ein Bündel Geldscheine, das sie aus ihrer Handtasche zieht. Danach stürzt er in Richtung Ausgang und will gerade durch die Tür nach draußen verschwinden, als die muskelbepackten Möbelträger den sträubenden und zappelnden Beschützer von beiden Seiten anpacken, hochheben, in die äußerste Ecke schleppen und vor den Füßen ihres Chefs unsanft in die Knie zwingen. Bokolic trägt, wie ihm von seinem Chef anbefohlen, dem verdutzten Beschützer Boulanger den Text des vollstreckbaren zivilrechtlichen Titels gegen Adelaide und auch gegen ihn als den Bürgen und Mitunterzeichners des Kreditvertrages vor. Danach bittet der Chef höflich den verdutzten Beschützer, die sofort vollstreckbaren Rückstände zu begleichen, widrigenfalls man zur Taschenpfändung schreiten müsse. Es kommt, wie es in solchen Fällen kommen muss. Der widerstrebende Beschützer Adelaides wird zum Schluss vor der versammelten Kneipenmannschaft auf den Kopf gestellt. Bokolic zählt die eingesammelten Scheine, während der Chef die Quittung dafür ausstellt und diese dem am Boden zerstörten Beschützer übergibt. Dieser verlässt danach wutschnaubend das Lokal. Der Chef hat inzwischen Adelaide im Beisein ihrer zustimmend murmelnden Kolleginnen gönnerhaft einen Hunderter aus der kassierten Barschaft überreicht. Ab dem darauf folgenden Monatsersten überbringt der Freund und Beschützer Adelaides persönlich die fälligen Raten. Die erfolgreiche Taschenpfändung spricht sich mit all ihren Details am Markt sehr schnell herum. Sie festigt den guten Ruf des Chefs als vertrauenswürdigem Geschäftspartner in allen Lebenslagen.