Ausgerechnet in den offenen Gesellschaften von Europa, deren Überlegenheit gegenüber den geschlossenen Systemen von Diktaturen oder den von religiösen Fundamentalisten beherrschten Gesellschaften nicht bestritten werden kann, keimt eine Sehnsucht nach dem Gestern auf, und diese Sehnsucht entspringt einem Gefühl der Überforderung, der Angst vor Terror, der Verunsicherung und einem tiefen Unbehagen angesichts der Ratlosigkeit der Mächtigen. Freiheit kann anstrengend sein, sie ist kein Garant dafür, dass es nicht ungemütlich werden kann. Zum Wesen geschlossener Gesellschaften gehört, dass sie versuchen, sich durch die Vergangenheit zu legitimieren. Und so lenken Populisten den Blick zurück anstatt nach vorn - zurück zu den vermeintlichen Segnungen von geschlossenen Gesellschaften, denen ein für alle verbindlicher Heilsplan innewohne, welcher durch einen allgemeinen Volkswillen zum Ausdruck komme. Willkommen zurück in der irrtumsfreien Zone.
"Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produziert stets die Hölle", wusste der Philosoph Karl Popper, der stets vor falschen Versprechungen warnte. Wenn Emotion statt Vernunft die Überhand gewinnt, Angst vor Ratio rangiert, Wut statt kühler Kopf vorherrscht, kann dies auch nicht gelingen. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Freiheit hat keinen Heilsplan. "Es gibt keinen, der für uns das Leben ordnet und organisiert", sagt Herfried Münkler, der Politik an der Humboldt Universität in Berlin lehrt. "Und das hatte wohl Karl Popper im Auge, als er gesagt hat, die offene Gesellschaft ist keine Gesellschaft, die eine verbindliche Wahrheit für alle hat. Aber jeder Einzelne ist aufgerufen, sich auf die Suche nach seiner Wahrheit oder auch nach der Wahrheit zu machen."
1911 ist Deutschland innerhalb von weniger als einem halben Jahrhundert von einem zerklüfteten Gebilde biedermeierlicher Kleinstaaten zu einem der modernsten Länder der Erde geworden. Technik und Wissenschaft haben die Welt zu diesem Zeitpunkt neu erfunden. Riesige Städte sind entstanden und mit ihnen eine neue, pulsierende Form des Zusammenlebens: die offene Gesellschaft. Sie bedeutet eine Zäsur gegenüber der Abgeschlossenheit und Überschaubarkeit des Althergebrachten. An die Stelle eines stabilen Rollengefüges tritt vor über 100 Jahren ein machtvolles Streben nach Chancengleichheit. Individualität und Freiheit machen Werten wie Ruhe, Sicherheit und Ordnung den Rang streitig.
Pluralität löst Anfang des 20. Jahrhunderts Eindeutigkeit ab, Aufbegehren Harmonie. Statt auf das Kollektiv fällt der Blick nun auf den Einzelnen - auch auf die Vereinzelung des Menschen, seine Einsamkeit, seine Entwurzelung, die daraus resultiert, dass die Welt jetzt nicht mehr irrtumsfrei ist, nicht mehr homogen und schon gar nicht mehr vorhersehbar.
Der Übergang von der geschlossenen zur offenen Gesellschaft war ein Schock, der bis heute nachwirkt. In dem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" von 1945, beschreibt Popper, wie schwierig sich die Transformation gestaltet von der Stammes- oder geschlossenen Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt aus dem Glauben an magische Kräfte bezieht, zur offenen modernen Gesellschaftsordnung, die die kritischen Fähigkeiten des Menschen freisetzt und endlich dem Raum gibt, was Immanuel Kant schon 1784 als Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit beschrieben hatte: der Aufklärung.
Noch immer scheint der Prozess nicht abgeschlossen. In diesen Tagen sieht man es.
Über das
Anständigsein habe ich, ehrlich gesagt, nie besonders nachgedacht, es war mir immer etwas selbstverständlich Gutes.
Anständig zu sein bedeutet, so fand ich, Rücksicht auf andere zu nehmen, und zwar auch dann, wenn einem gerade nicht unbedingt danach zumute ist, also:
in der Trambahn für ältere Menschen aufzustehen, auch wenn man selber müde ist; einen kranken Freund zu besuchen, auch wenn man eigentlich keine Zeit hat; sich in einer Schlange nicht
vorzudrängeln, auch wenn man es eilig hat Einfache Dinge, zunächst.
Sich nicht selbst in den Vordergrund zu stellen, sondern zu bedenken, dass andere Menschen nicht weniger Rechte im Alltag und im Leben haben als ich. Nach Möglichkeit zu überlegen, welche Folgen
das eigene Verhalten für andere haben kann. Sich an die Regeln auch dann zu halten, wenn gerade keiner guckt. Ich empfand es immer als großes Lob, wenn jemand über einen anderen sagte: Das ist
ein anständiger Kerl. Offen gestanden glaubte ich, dass die meisten Menschen ein Gefühl dafür in sich tragen, einen gewissen Sinn dafür, wie es ist, nicht allein auf der Welt zu sein, und was man
dafür tun muss, dass man vernünftig mit anderen zusammenlebt. Ich glaube es immer noch. Aber es kommen Zweifel. Es schwappt ja seit einer Weile nicht bloß eine Woge der Anstandslosigkeit um die
Welt – es tobt ein Ozean. Wir leben, dies nur als erstes Beispiel, in einer Welt, in welcher der Verlust jedes menschlichen Anstands einen Mann nicht daran gehindert hat, Präsident der
Vereinigten Staaten von Amerika zu werden.
Wir leben auch sonst inzwischen mit vielem, das eigentlich unerträglich ist. Der sogenannte Shitstorm, den mancher Prominente – nach vielleicht nicht besonders klugen oder etwas voreiligen
Äußerungen – über sich ergehen lassen muss, ist ein Ereignis, das uns vor nicht langer Zeit noch sprachlos gemacht hätte vor Entsetzen. Der Ton, der in vielen Internetforen herrscht, die
Beleidigungen und Lügen, die dort Alltag geworden sind – man hat sich daran gewöhnt.
Und was ist mit diesem unbegreiflichen Ausmaß an Schäbigkeit, das wir auf den öffentlichen Plätzen sehen, bei jenen Leuten zum Beispiel, die im Jahr 2015 ungestraft Galgen für Angela Merkel und
Sigmar Gabriel durch Dresden trugen?
Oder was mit dem jüngeren, gut gekleideten Mann, der mit seiner Limousine schnittig um die Ecke biegt, haarscharf an einer Mutter (einer guten Bekannten von mir) mit ihren zwei Kindern vorbei,
die auf dem Zebrastreifen bei Grün über die Straße gehen – und der, als die Mutter auf die für Fußgänger grüne Ampel zeigt, die Scheibe herunterlässt und sagt: "Halt’s Maul, Schlampe!"
Gewiss, man kann nicht alles in einen Topf werfen, Rohlinge aller Art hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben.
Aber es ist doch im Moment so, dass jeder eine solche Geschichte zu erzählen hat, oder? Und es könnten am Ende zu viele Geschichten von dieser Sorte sein, nicht wahr? Und die Frage wäre: Warum
brechen sich derartige Dinge Bahn in einer reichen Gesellschaft wie unserer?
Ein Leser schrieb
mir, der Verlust des Anstandes beschäftige ihn sehr: "Wenn man heute sagt: 'Das tut man doch nicht!', dann kommt die Antwort: 'Wieso, das ist doch legal.' Meiner Meinung nach wird es Zeit, diese
weichen Werte näher zu beleuchten. Sie sind es, die unser Leben lebenswert machen, nicht die Gesetze."
Michelle Obama hat – ihr Mann war noch im Amt – im Herbst 2016 in einer berühmt gewordenen Rede einmal an die grundlegenden Regeln menschlichen Anstands erinnert, the basic standards of human
decency.
Aber wie lauten die genau? Fast jedem, den ich frage, fällt etwas anderes dazu ein.
Ein Freund, der die Zeugnisse seines Sohnes an einem bayerischen Gymnasium betrachtete, fand darin den Satz: "Er hat sich immer anständig verhalten." Was das nun wieder solle, fragte er, so ein
verstaubtes Wort. Es klinge nach den fünfziger Jahren, nach einem Satz, den er als Kind zu oft gehört habe: "Benimm dich anständig! Setz dich anständig hin!"
Ein anderer erregt sich sofort darüber, dass Uli Hoeneß wieder Präsident des FC Bayern geworden sei, ein Krimineller, der sich nicht schäme, ein solches Amt zu bekleiden. Auf meinen Einwand, er
habe seine Strafe doch verbüßt und sei ein Mensch, der sich vielen gegenüber sehr anständig verhalten habe, höre ich: Dennoch hätte er wissen müssen, dass man sich nach einer solchen Tat
zurückzuziehen hat.
Ein Dritter erzählt von seiner Frau, die (in Gegenwart ihres Vierjährigen) im Kindergarten von einem Vater mit unflätigen Beleidigungen überschüttet wurde, bloß weil sie ihn darauf aufmerksam
machte, dass sein Sohn ganz offensichtlich an einer ansteckenden Krankheit leide, und ihn höflich fragte, ob es für alle Beteiligten nicht besser wäre, wenn sein Kind zu Hause bliebe. Was ist das
denn nun tatsächlich: Anstand? Oder: Was könnte es sein?
Bei der Tour de France 2003 führte die 15. Etappe zu einer Berg-Ankunft in Luz Ardiden, einem Skigebiet in den französischen
Pyrenäen. An der Spitze fuhren der Amerikaner Lance Armstrong, der Deutsche Jan Ullrich und der Baske Iban Mayo. In einer Rechtskurve streifte Armstrong das Spalier der Zuschauer, verhakte sich
mit dem Bremshebel in der Plastiktüte eines Mannes aus dem Publikum, stürzte und riss Mayo mit.
Ullrich hatte zu diesem Zeitpunkt in der Gesamtwertung nur 15 Sekunden Rückstand auf den führenden Armstrong. Er hätte, wäre er einfach weitergefahren, diesen Rückstand verkürzen, möglicherweise
aufholen können. Aber er blieb stehen.
Er wartete, bis beide Konkurrenten weiterfahren konnten – Armstrong nutzte die Situation daraufhin aus und zog das Tempo an, der irritierte Ullrich konnte nicht mithalten. So gewann Armstrong die
Etappe und die ganze Tour. Ullrich hingegen wurde das Opfer seiner eigenen fairen Geste.
Wie paradox! Später wurden beide Radrennfahrer – die größten ihrer Zeit – als Dopingsünder entlarvt. Armstrong verlor seine Toursiege, sie wurden ihm aberkannt. Beide sind heute, wie die
Frankfurter Allgemeine
Zeitung schrieb, "zwei Zerschmetterte". Und dennoch: In dieser einen ikonischen Geste des Wartens auf einen Gestürzten und dem Verzicht, dessen Pech zum eigenen Vorteil auszunutzen,
zeigte sich ein tiefes Verständnis dafür, dass der eine den gleichen Kampf führt wie der andere, dass man ihn mit denselben Voraussetzungen führen möchte und vor allem: dass es Werte gibt, die
über denen des Besserseins, des Triumphs stehen.
Wäre es bloß nicht nur hier so gewesen! Doping war damals üblich im Radsport, würden nun beide antworten, nehme ich an. Aber darum gerade geht es: dass man auch beim Üblichen nicht mitmacht, wenn
es unanständig ist.
Allerdings dürften die meisten von uns mit "Anstand" allerhand Alltäglichkeiten assoziieren, simple
Benimmregeln, Manieren: Man schlürft seine Suppe nicht, man hält einer Dame die Tür auf – alles Dinge, an denen nichts Falsches sein muss, im Gegenteil. Irgendwann wird in diesem Zusammenhang der
Name Knigge fallen, und dann ist man vom Wesentlichen weg und endgültig bei Messer, Gabel und Serviette.
Aber darum geht es hier nicht, und darum ging es schon Adolph, dem Freiherrn von Knigge, nicht allein – das ist es ja. Der nannte sein Buch, das 1788 in der ersten Auflage erschien (und danach,
oft verändert, bearbeitet und geradezu entstellt, immer wieder): Über den Umgang mit Menschen. Genau
davon handelte es.
Knigge war es um Menschenbildung zu tun, er schrieb in Zeiten, in denen das Bürgertum dem Adel als neue, gesellschaftlich maßgebende Schicht gegenübertrat. Er wollte "die sittliche
Vervollkommnung des Bürgers zum wahrhaft vorbildlichen Menschen befördern helfen", wie es der Germanist Gert Ueding formuliert. "Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer
konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen", schrieb Knigge, "so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen
schuldig sind. Das heißt: ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen."
Weltklugheit – ist das nicht schön?
Ja, das ist es, und mindestens genauso wichtig ist die Rede von "allen Arten von Menschen", womit wir schon beim Kern der Sache wären: einen Anstand, den man glaubt, nur bei bestimmten Menschen
wahren zu müssen, gibt es nicht.
Der Philosoph Dieter Thomä hat die Auffassung Immanuel Kants zu diesem Thema untersucht. Kant stand, liest man in Thomäs Aufsatz, dem Anstand zu Beginn seiner Vorlesungen in Königsberg offenbar
weit kritischer gegenüber als später, er hielt ihn zunächst für bloße Anpassung an oberflächliche Regeln, für platten Konformismus.
Diese Haltung kennen wir auch heute noch, denn Anstand ist, so gesehen, eine Art sozialer Schmierstoff, der jede beliebige Gesellschaft zum Funktionieren bringt. Es hat Zeiten gegeben, so Thomä,
"in denen derjenige als unanständig galt, der ohne Hut über die Straße ging, und derjenige als anständig, der seine Kinder regelmäßig mit Prügelstrafen disziplinierte". Hat nicht Heinrich Himmler
1941 seiner Tochter ins Poesiealbum geschrieben: "Man muss im Leben immer anständig und tapfer sein und gütig"? Ja, hat er. Hat er nicht 1943 in seinen beiden Posener Reden, in denen er die
Vernichtung der europäischen Juden als Großtat rühmte, SS-Männern den Anstand gepredigt, ja sie als anständige Menschen gepriesen? Hat er auch.
Man sieht: "Vieles von dem, was unter Anstand firmiert, ist gerade darauf angelegt, eine gewisse Unschärfe oder Verschwommenheit zu erzeugen: Von irgendeinem Verhalten heißt es, dass es sich so
gehöre." (Thomä)
Später dann zog Kant als Beispiele für Anstand solche heran, denen ein eigener moralischer Gehalt innewohnt: Leutseligkeit, Freimütigkeit, Freundlichkeit, Höflichkeit, Gesprächigkeit, "sie alle",
schreibt Thomä, "regulieren nicht nur ein gesetzmäßiges Verhalten, sondern kennzeichnen ein menschenfreundliches Miteinander". Er kam damit zu einem anderen Verständnis, bei dem es weniger um
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und um formale Vorschriften geht, sondern um schlichte menschliche Zuwendung, um "Teilnehmen an dem Schicksal anderer Menschen" (Kant).
Das ist genau der
Punkt, den der eingangs zitierte Leser meinte, wenn er von den "weichen Werten" schrieb. Denn heute haben wir, so Thomä, auf der einen Seite eine weitgehend Gesetzen folgende, "durchaus auch
moralisch ambitionierte Gesellschaftsordnung", auf der anderen das Handeln vieler Einzelner, denen es nicht um diese Ordnung gehe, sondern um die maximale Ausnutzung persönlicher Spielräume und
die Verteidigung der eigenen Ungebundenheit. Der Zusammenhalt einer modernen Gesellschaft aber stehe und falle genau mit dem, was dazwischen ist, dem "Zwischenreich, in dem Individuen sich
miteinander arrangieren, aufeinander einlassen und aneinander wachsen".
Reden wir aber von Zu- statt Abwendung, von Teilnahme anstelle von Ablehnung, dann geht es um die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens dort, wo dieses Zusammenleben von Wille und Ziel des
Einzelnen ausgeht. Es geht um Fragen, die jeder sich stellen muss – und auch darum, dass man sich bestimmten Dingen mitunter widersetzen muss. Etwa dem, was viele andere tun, was sie automatisch
tun, ohne Nachdenken, dem genetischen Funktionieren sozusagen, vielleicht? Beschäftigen wir uns, wenn wir uns mit dem Anstand beschäftigen, nicht mit dem Prozess der Zivilisation?
Und nun diese Frage: Fehlt uns nicht sowohl im täglichen Lebensgewurstel als auch in der aktuellen politischen Situation, in der wir uns befinden – in dieser für uns sehr lange nicht da gewesenen
Herausforderung durch Populisten und Demokratiefeinde also –, etwas von einem gewissen Pathos, einer klar formulierten Vision dessen, wie wir als Einzelne im Leben mit anderen umgehen
wollen?
Fehlt uns das nicht schon lange?
Wir haben in vieler Hinsicht das Gefühl dafür verloren, was es bedeutet, eine Gesellschaft zu sein, zusammenzugehören, sich auseinanderzusetzen, wir haben so oft kein Ideal mehr davon, was es
bedeutet, ein Bürger zu sein, wir sind getrieben von der technischen Entwicklung, von der Nötigung zur ständigen Selbstdarstellung, von diffusen Ängsten, die wir uns einerseits nicht eingestehen
oder andererseits total übertreiben. Wir sind hysterisch, wo wir nüchtern sein müssten, und unaufmerksam, wo wir wachsam sein sollten.
Jedenfalls kann ich, zum Beispiel, nicht verstehen, wie es möglich ist, dass Mark Zuckerberg, der Gründer und Hauptanteilseigner von Facebook, sich selbst immer wieder als Menschenfreund und
Visionär eines besseren Lebens feiert, während seine eigene Firma sich schamlos dazu benutzen lässt, die Grundlagen unseres Zusammenlebens zu unterminieren, um es zugespitzt zu sagen.
Fast jeder Deutsche kannte im Jahr 2015 das Foto, das den syrischen Flüchtling Anas Modamani zusammen mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt, beide gemeinsam posierend für ein Selfie. Dieses
freundliche Foto wurde anschließend von radikalen Hetzern immer wieder für deren Zwecke benutzt. Sie montierten es zusammen mit Fotos von Terroristen; sie behaupteten, Modamani sei der Attentäter
von Brüssel, Ansbach, Berlin; er habe mit anderen Flüchtlingen versucht, einen Obdachlosen anzuzünden.
Alles erlogen.
Trotzdem standen die infamen Fotomontagen weiter online, und das Landgericht Würzburg lehnte einen Antrag des Betroffenen auf einstweilige Verfügung ab, der Facebook verpflichten sollte, diese
Bilder von sich aus zu suchen und zu löschen, also nicht nur auf die jeweilige Beschwerde hin. Modamani verzichtete danach auf weitere rechtliche Schritte: Zu groß sei das finanzielle Risiko, zu
gefährlich der Prozess für die Familie in Syrien und auch in Deutschland.
Warum begann Facebook erst so spät wenigstens mit dem Versuch, den gröbsten Schmutz auf seinen Seiten – die live übertragenen Suizide und Quälereien von Menschen und Tieren – zu beseitigen? Warum
richten sie im Unternehmen nicht deutlich mehr von jener Energie, mit der sie die Technik optimieren, auf die Beseitigung des Drecks auf den eigenen Seiten? Warum hat es bis zum Jahr 2017
gedauert, dass der deutsche Gesetzgeber Maßnahmen zu ergreifen begann? Warum nehmen wir stumm hin, dass ein großer Teil unserer sozialmedialen Infrastruktur an eine Firma ausgelagert ist, deren
Manager, Strukturen, Abläufe kaum jemand kennt? Sind wir verrückt geworden, dass wir das so lange akzeptiert haben?
Jetzt versucht man,
dem mit Gesetzen zu begegnen. Das mag richtig sein oder falsch, es ist nicht unser Thema. Hier geht es um das Zusammenleben da, wo es eben nicht durch Gesetze geregelt wird,
sondern durch das Verhalten jedes Einzelnen. Es geht um Rücksicht und Sich-zurück-Nehmen, um ungeschriebene Regeln, die man sich selbst gibt, um die Kontrolle unserer Steinzeitimpulse, um so
etwas wie Wachsamkeit gegenüber dem Tier in uns. Das kann man als Anspruch an sich selbst empfinden und sollte es auch. Wenn wir vom Anstand reden, sollten wir weniger von anderen reden und mehr
von uns selbst.
Könnte es bei diesen vielen Warum-Fragen also darum gehen, dass uns eben die Antworten nicht wirklich wichtig sind? Dass für uns die Selbstinszenierung in den sozialen Medien, das immerwährende
Ich-Ich-Ich, das ständige Performen, die dauerhafte Arbeit am eigenen öffentlichen Selbstporträt von größerer Bedeutung sind als die Frage, was die sozialen Medien in dem Bereich anrichten, für
den sie doch eigentlich da sein sollten: dem sozialen Leben nämlich?
Eine der gruseligsten
Szenen im amerikanischen Wahlkampf 2016 sahen wir im Oktober, während der zweiten Fernsehdebatte zwischen Donald Trump und Hillary Clinton. Jeder der beiden hatte seinen Platz im Studio. Hillary
Clinton redete, und plötzlich tauchte Trump hinter ihr auf, er hatte seinen Platz verlassen und tigerte durch die Szenerie, physisch bedrohlich, auf animalische Art aggressiv – und vor allem die
Aufmerksamkeit von Clinton abziehend: auf sich.
Ähnliches wiederholte sich im Mai 2017 beim Nato-Gipfel in Brüssel. Trump schob sich in einer derart abstoßenden Weise ins Bild, wie man es nie zuvor gesehen hatte: Von hinten kommend, drückte er
den montenegrinischen Premierminister Duško Marković wie einen lästigen Zaungast beiseite, um sich danach in der ersten Reihe das Sakko zu richten und triumphierend das Kinn reckend in die Runde
zu blicken – eine Geste, wie sie selbst einem Gorillamännchen zu blöd gewesen wäre.
Dieses Verhalten ließ jeden Anstand vermissen und war gerade deshalb so erfolgreich. Es strahlte rücksichtsloses Machtgebaren aus und das Gefühl: Ich verschaffe mir in jedem Fall die
Aufmerksamkeit, die ich will und die ich brauche. Und vor allem darum ging es wohl auch denen, die Trump wählten: die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie wollten, brauchten, vermissten. Damit
waren sie bei ihm am Richtigen.
Trump mag ein chronischer Lügner sein, ein Mann, unfähig zu jeder Art intellektueller Gedankenführung, dazu entsetzlich selbstbezogen. Aber er weiß, wie man es anstellt, nicht übersehen zu
werden, und wie man sich Gehör verschafft.
Und um dieses Sich-Gehör-Verschaffen ging es und geht es, ganz offensichtlich. Trump haben jene gewählt, die sich vergessen fühlten und das womöglich auch waren. Für den Brexit haben unter
anderem die gestimmt, die in den verarmten nordenglischen Städten irgendwann das Gefühl hatten, niemand zolle ihnen auch nur den geringsten Respekt. Für Marine Le Pen, eine chronische Lügnerin
und Demagogin, stimmten solche, die das Gefühl beschlichen hatte, für ihre Art zu leben bestehe im Land kein Interesse. Ihr Kreuz bei der AfD machen Menschen, deren Ängste anderswo keinen
Ausdruck finden.
Es ist aber wichtig, zu verstehen, dass der Mensch ein tiefes Bedürfnis danach hat, dass andere ihm zuhören. Er braucht Aufmerksamkeit, er will auch Aufmerksamkeit geben, nur im Austausch mit
anderen kann er existieren. Der Mensch möchte von anderen wahrgenommen werden, weil er nur über diese Wahrnehmung ein Gefühl für sich selbst bekommt. Wir sind nichts, wenn wir "auf der Bühne des
Bewusstseins der anderen" keine Rolle spielen, das ist "eine anthropologische Konstante".
Dieses Zitat stammt aus dem Buch Ökonomie der Aufmerksamkeit des
Architekten, Philosophen und Ökonomen Georg Franck, das Ende der neunziger Jahre erschien. Alle sozialen Tiere, so Franck, verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, sich gegenseitig zu
beobachten, und deshalb sei "Aufmerksamkeit anderer Menschen die unwiderstehlichste aller Drogen".
Es geht, wenn wir vom Anstand reden, weniger um Moral. Moral dient heute zu vielen Menschen in zu vielen Fällen nur der Selbsterhöhung, dem Sich-besser-als-andere-Fühlen, dem Herabschauen,
Sich-Abgrenzen, sogar der Verachtung. Auch bedient sie eine Sehnsucht, nämlich die nach Reinheit, die es nicht geben kann. Viel wichtiger ist es, zu begreifen, dass man sein Leben sinnvoll nur
führen kann, wenn man bereit ist, eine ganze Reihe von Widersprüchen zu ertragen, weil es anders nicht geht. In bestimmter Hinsicht hat selbstgefälliges Moralisieren die Probleme erst
hervorgerufen, mit denen wir es heute zu tun haben.
Es geht zunächst um den realistischen Blick auf uns selbst. Der Mensch ist offensichtlich nicht das primär rationale Wesen, als das wir ihn gerne hätten, im Gegenteil. Wir sind Herdentiere, die
über ihre genetischen Dispositionen geradezu unbegreiflich weit hinausgewachsen sind.
Autoren wie Yuval Harari (Eine kurze
Geschichte der Menschheit) und Kwame Anthony Appiah (Der Kosmopolit) haben ausführlich
dargelegt, dass unsere wichtigsten Prägungen aus jenen Zehntausenden von Jahren stammen, in denen unsere Vorfahren in kleinen Gruppen lebten, für die jeder Fremde eine potenzielle Bedrohung war.
Es ist klar, dass wir heute so nicht mehr leben können. Aber ebenso offenkundig ist, dass wir diese Prägungen in uns tragen und mit ihnen umgehen müssen. "Der Gedanke, sich im eigenen Land fremd
zu fühlen, löst eine Urangst aus", schrieb Richard Schröder, ein Theologe und Philosoph, der 1990 für die SPD in der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR saß und dann im Bundestag. "Diese
Urangst ist weder faschistisch noch rassistisch. Sie ist auch nicht unanständig, sondern für unsere absehbare Zukunft unbegründet."
Menschen haben Angst, auch vor Fremden. Menschen wollen Respekt. Menschen möchten wahrgenommen werden. Man ist kein besserer Mensch, wenn man keine Angst hat, weil man vielleicht eine Kindheit
hatte, in der sich dieses Gefühl nicht einbrannte. Wenn man Respekt nicht braucht, weil man genug bekommt. Wenn man sich nach Wahrnehmung nicht sehnen muss, weil man im eigenen Leben sehr spürbar
von anderen wahrgenommen wird.
Woran man sich aber erinnern sollte: Menschen können nur im Zusammenleben mit anderen existieren, und diesem Zusammenleben gilt es, Aufmerksamkeit zu schenken. Unsere Gesellschaft tendiert dazu,
das zu vergessen. Wir ziehen uns in die Sicherheit der eigenen sozialen Schicht zurück. Wir verlieren uns in der Arbeit an der eigenen Performance. Wir basteln immerzu am Ego und viel zu selten
am Wir.
Ein Beispiel: Früher
musste man einer allgemeinen Wehrpflicht nachkommen, die dazu führte, dass auch jeder von uns Gymnasiasten einige Monate seines Lebens die Kasernenstube mit Männern seines Alters teilen musste,
die nicht von der eigenen gesellschaftlichen Herkunft und dem eigenen Bildungsstand waren, aber mitunter anständigere Kerle als so mancher Upperclass-Sohn aus der alten Oberschule. Und wenn man
den Wehrdienst verweigerte, dann hatte man einen längeren Zivildienst vor sich, in dessen Verlauf man mehr über das Leben lernte, als es jenen vergönnt ist, die heute gleich nach dem Abitur in
die Hörsäle eilen, um dann möglichst bald dem Wirtschaftsleben ganz zur Verfügung zu stehen.
Wie wäre es mit dem in Vergessenheit geratenen Gedanken, dass einer Gesellschaft nur angehören kann, wer ein Opfer für sie zu bringen bereit ist?
Es ist mir komplett
unbegreiflich, wie es möglich war, dass die Wehrpflicht sang- und klanglos ausgesetzt wurde, ohne dass machtvoll deren Ersetzung durch einen zivilen Dienst für jede und jeden verlangt worden
wäre, auf dass nicht das Gefühl verloren gehe, dass wir in diesem Land und in dieser Welt gemeinsam existieren.
Ich kenne eine alte Dame, weiß Gott nicht wohlhabend, die hatte 5.000 Euro auf der hohen Kante, für den absoluten Notfall. Das Geld lag auf dem Sparbuch, aber eines Tages fragte die
Bankberaterin: Warum lassen Sie das dort, es gibt doch gar keine Zinsen mehr dafür? Und die alte Dame hörte auf die Frau und kaufte ein Anlageprodukt, das der Verkäuferin einen Bonus einbrachte
und der Bank einen Verkaufszuschlag. Nur ihr, der alten Dame, brachte es nichts – außer Verlust. Denn aus den 5.000 Euro waren nach zwei Jahren 2.500 geworden. Alles ganz legal.
Natürlich kann man sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass in unserer Gesellschaft jeder für sich selbst verantwortlich ist, solange sich alle im Rahmen des Rechts bewegen. Aber genau das war
es doch, was der eingangs erwähnte Leser meinte: Es gibt Dinge, die sind erlaubt, und man unterlässt sie trotzdem, aus einem ganz persönlichen Empfinden heraus – auch als Angestellte einer Bank.
(Und noch viel mehr als Manager eines Autokonzerns.)
Nur ist diese Meinung selten geworden. Was soll man den Leuten auch sagen angesichts von Fällen wie dem jener Ethikbeauftragten des VW-Konzerns. Diese Trägerin des Großen Bundesverdienstkreuzes
mit Stern und Schulterband und frühere SPD-Politikerin verließ 2017 den Volkswagen-Vorstand, in dem sie für "Integrität und Recht" zuständig gewesen war, nach 13 Monaten mit einer Abfindung von
12,5 Millionen und einer lebenslangen Monatsrente von 8.000 Euro, zahlbar schon ab dem 1. Januar 2019. Derselbe Konzern überwies seinen Vorstandsmitgliedern nach dem Jahr 2015, dem Jahr des
Dieselskandals, in dem der größte Verlust der Konzerngeschichte zu verbuchen war, immer noch Erfolgsvergütungen in Millionenhöhe.
Wenn es "die da oben" mit ethischen Prinzipien nicht so genau nehmen, warum sollten es die da unten tun? Wer Gier belohnt, muss wissen, wohin das führt.
Albert Camus schildert in seinem berühmten Roman Die Pest (1947 erschienen) den Verlauf
eines Ausbruchs der Seuche in der Stadt Oran an der algerischen Küste, einem anfangs ahnungslosen Ort, in dem plötzlich die Ratten sterben, dann schnell auch die Menschen. Bald sind alle
todgeweiht, die Tore werden geschlossen, Tausende fallen der Epidemie zum Opfer. Doch einige kämpfen dagegen, der Arzt Rieux und der Pater Paneloux zum Beispiel.
Rieux ist die Hauptfigur des Buchs und – wie sich am Ende herausstellt – auch der Autor jener Chronik der Ereignisse in Oran, als die der Roman verfasst ist. Er kämpft gegen die Pest als eine
Schicksalsmacht, doch eigentlich ist er machtlos gegen all das Dunkle und Lähmende. Dennoch kämpft er weiter und führt über diesen Kampf eine Diskussion mit dem Journalisten Rambert. Es geht um
Liebe, Tod, Heldentum. Rieux findet, bei seinem Kampf gehe es nicht um Heldentum: "'Es handelt sich um Anstand. Das ist eine Idee, über die man lachen kann, aber die einzige Art, gegen die Pest
anzukämpfen, ist der Anstand.'
'Was ist Anstand?', sagte Rambert, plötzlich ernst.
'Ich weiß nicht, was er im Allgemeinen ist. Aber in meinem Fall weiß ich, dass er darin besteht, meinen Beruf auszuüben.'"
Rieux ist Arzt. Ein Arzt will das Leiden seiner Mitmenschen beseitigen oder doch lindern, er hat die Mittel dazu, diese Mittel nutzt er. Er tut das, weil ihn das Leid anderer nicht kaltlässt, es
berührt ihn, weil er mitleidet, weil er eine grundsätzliche Solidarität mit anderen Menschen empfindet – und diese Art von Solidarität ist es wohl, die wir mit dem Begriff, um den es hier geht,
verbinden sollten: ein Empfinden dafür, dass wir alle das Leben teilen, ein Gefühl, das für die großen Fragen des Lebens ganz genauso gilt wie für die kleinen, alltäglichen Situationen.
Es geht, wenn wir vom
Anstand reden, um die Essenz des Menschen, um das Zusammenleben als Einzelner mit anderen – und dieses Zusammenleben bedeutet nicht, gegen andere anzukämpfen, sondern etwas für sie zu tun.
Schrieb nicht Knigge über den Umgang mit Menschen, er müsse auf den "Lehren von Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind"? Das klingt für mich deshalb gut, weil es
nicht schlecht sein kann, etwas von sich selbst zu verlangen, eine Menschenpflicht zu empfinden, vielleicht diese: hinter sich zu lassen, was in anderen Jahrtausenden wichtig war fürs Überleben,
jetzt aber nicht mehr wichtig ist. Hinauszuwachsen über die Instinkte, die unmittelbaren Gefühle, die Bequemlichkeit und Faulheit und Neigung zur Seelendummheit, über alle Standardeinstellungen.
Zu dem zu finden, was dem Menschen auch gegeben ist, was er aber bisweilen erst in sich suchen muss: das Verstehen und den Verstand, alles, was er an Größe in sich trägt.
Und "allen Arten von Menschen", bitte, das gefällt mir besonders: dass nicht nur von denen die Rede ist, die uns ähnlich sind, die wir mögen, mit denen wir sympathisieren, die unsere Ziele
teilen, die ein Leben führen, das aussieht wie unseres. Sondern auch von den Feigen, den Verängstigten, den Unverschämten, den Dummen, den Lauten, den Leisen, den Störrischen, den Fremden, denen
wir etwas schulden. Was schulden wir ihnen? Jedenfalls den Versuch, zu verstehen, Anerkennung, Rücksicht, Wohlwollen, Freundlichkeit, Interesse, Zugewandtsein und jene Solidarität, die Grundlage
dessen ist, was wir den menschlichen Anstand nennen könnten.
Der eine Sache jedes Einzelnen ist und damit eine Sache von uns allen.
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article156458260/Die-Folgen-gesellschaftlicher-Verrohung-sind-dramatisch.html Von Sascha Lehnartz, veröffentlicht am 22.06.2016
Man muss nicht Kulturpessimist zu sein, um den Verdacht zu hegen, dass das Projekt Aufklärung gerade wieder einmal dabei ist, in sein Gegenteil umzuschlagen. Das 21. Jahrhundert wird seit dem 11. September 2001 geprägt von zwei Strömungen: Die eine ist ein radikaler Islamismus, der sich als Opposition gegen all das definiert, was der Westen für Errungenschaften der Aufklärung hält.
Die zweite ist die Reaktion des Westens auf den islamistischen Terror – und auf globale Transformationsprozesse, die traditionelle Identitätsvorstellungen infrage stellen. Stichwort: Migration. In seiner Reaktion auf diese Erschütterungen scheint der Westen selbst zunehmend bereit, sein aufklärerisches, „abendländisches“ Wertegerüst zu zertrümmern.
Wer sind wir noch? Was bleibt von uns? Beschleunigt wird die lustvolle Selbstdekonstruktion durch massive identitäre Verunsicherung: Wer sind wir noch? Was bleibt von uns übrig? Der Zweifel schlägt sich nieder als Entfesselung des politischen Diskurses. Aktuelle Trending-Topics: „#Verdummung“ und „#Verrohung“.
Zunächst enthemmte sich das Reden in obskuren Internetforen, dann zog es in die sozialen Netzwerke und Kommentarspalten der Medien. Ein anschwellender Bocksgesang, der alles abräumen möchte, was unser Gemeinwesen trägt: Parlamente, Medien, Institutionen und ihre Repräsentanten. Der dünne Firnis der Zivilisation wird munter abgeschabt.
Der destruktive Charakter, sagt Walter Benjamin, will Platz schaffen. Wofür, weiß er nicht. Als gäbe es ernsthaft etwas Besseres. Das Prinzip Verantwortungslosigkeit hat inzwischen die Wahlkämpfe erreicht. Trumps Kampagne ist dafür ebenso beredtes Beispiel wie Teile der Debatte um den Brexit. In beiden dominiert die Verächtlichmachung des anderen. Es ist ein Hass-Sprechen, das Hass-Taten gebiert.
Es folgt eine kurze Zusammenfassung der gröbsten zivilisatorischen Aussetzer der letzten zehn Tage, denn man vergisst ja inzwischen alles so schnell, auch die Gräuel. Man wirft die Orte und die Täternamen durcheinander, weil es zu viele sind, von den Motiven gar nicht zu reden. War das jetzt ein Psychopath? Ein Islamist? Ein Rechtsradikaler? Oder alles zusammen?
Omar Mateen, 29, metzelte am 12. Juni in einem Gay-Klub in Orlando 50 Menschen nieder. Mateen erklärte sich zum IS-Kämpfer. Reale Kontakte zu der Terrorgruppe hatte er offenbar nicht. Er fotografierte sich aber gern mit dem Handy vor dem Spiegel und trug dabei T-Shirts der New Yorker Polizei.
Einen Tag später tötete der 25 Jahre alte Franzose Larossi Abballa im Pariser Vorort Magnanville den Polizisten Jean-Baptiste Salvaing und dessen Frau Jessica Schneider. Abballa ilmte sich während der Tat und erwog, das dreijährige Kind des Paares ebenfalls zu ermorden, bevor die Polizei ihn erschoss. Zeitgleich begann in Frankreich die Fußballeuropameisterschaft. Vor den Stadien verprügelten sich Hooligans der Teilnehmerländer, um die „wahre Nummer eins in Europa“ zu ermitteln. Besonders taten sich dabei Russen, Briten, Kroaten, Polen und Deutsche hervor. Der russische Sportminister (sic!) lobte „seine Jungs“ für ihren Einsatz. Die Kroaten verprügelten sich gleich selbst. Das einzige europäische Projekt, das momentan unter Europäern Begeisterung auslöst, ist das, sich gegenseitig möglichst fest aufs Maul zu hauen.
Unterdessen formulierte Donald Trump seine sicherheitspolitische Antwort auf Orlando: Die Klubbesucher hätten höhere Überlebenschancen gehabt, wenn sie Waffen getragen und urückgeschossen hätten. Trump empfiehlt die Saloonschießerei, wie man sie aus Roberto- Rodríguez-Filmen kennt.
Weimar-Vergleiche sind nicht mehr allzu weit hergeholt Am Ende sind alle tot. Bei der SA hieß das in den Dreißigerjahren „Saalschlacht“. Die Folgen kennt man, wenn man Geschichte nicht abgewählt hat. Mit Weimar-Vergleichen ist man oft zu schnell bei der Hand, aber inzwischen kommen sie von nüchternen Naturen wie dem Historiker Paul Nolte. Der Soziologe Stephan Lessenich spricht derweil vom eingebildeten Abstieg einer Mitte, die sich radikalisiere. Vielleicht besteht die Einbildung aber auch darin, dass die Radikalisierten glauben, sich noch in der Mitte zu befinden.
In Deutschland empfiehlt sich eine Partei als Alternative, die etwas gegen „raumfremde“ Nachbarn hat und die erst einen Gutachter bestellen muss, um herauszufinden, ob ein Parteimitglied, das die „Weisen von Zion“ für ein thesenstarkes Sachbuch hält, Antisemit ist. Die Kontrolle verloren haben sie nur über sich selbst Fragte man einen unerschütterlichen Idealisten, wie eine vernünftige Politikerin für unübersichtliche Zeiten wie die unsrigen beschaffen sein sollte, er zeichnete vermutlich eine Skizze, die Jo Cox ziemlich nahekäme: Sie war jung, engagiert, hatte sich aus eigener Kraft aus einfachen Verhältnissen nach oben gearbeitet und setzte sich in ihrem Wahlkreis für eine Wählerschaft ein, die nicht zu den Gewinnern der Globalisierung gehört. Sie redete Klartext, war dafür, Flüchtlingen zu helfen, und verstand die multikulturelle Gesellschaft als Chance, nicht per se als Bedrohung. Ermordet wurde sie von einem Nazi –oder von einem Irren mit Nazi-Magazin-Abo, das ist noch nicht geklärt. Ein 77 Jahre alter Mann versuchte vergeblich, die Frau zu verteidigen, die eine politische Hoffnung verkörperte. Das könnte ein Sinnbild für die Lage sein. Die Guten sind zu wenige und zu verletzlich. Beunruhigend viele Briten erliegen derzeit dem Irrtum, die Kontrolle verloren zu haben. Die Kontrolle über ihre Grenzen, ihre Nation, ihr Schicksal oder was auch immer. Die Kontrolle verloren haben sie aber nur über sich selbst. Und da sind sie nicht die Einzigen.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/orlando-und-jo-cox-wenn-worte-waffen-werden- a-1098311.html Eine Kolumne von Georg Diez, Sonntag, 19.06.2016 im Spiegel
Wer einen Diskurs der Abgrenzung pflegt, der schafft die Voraussetzungen dafür, dass Menschen ihren Hass ausleben. Die Morde von Orlando und Leeds sind Folgen einer kriegerischen Rhetorik.
Was passiert, wenn Rassisten regieren? Menschen sterben.
Was passiert, wenn Hass, Misstrauen und Verachtung jeden Tag in den Abendnachrichten zu hören sind, als sei es das Normalste auf der Welt Menschen sterben.
Was passiert, wenn die Grenzen der Zivilisiertheit jeden Tag aufs Neue herabgesetzt werden? Wenn Politiker zu Hetzern werden? Wenn Worte zu Waffen werden? Menschen sterben.
Oder, wie Barack Obama gerade gesagt hat: "Where does this stop?" Es ging Obama um Donald Trump, der die Morde von Orlando mal wieder dazu benutzt hatte, seine islamophobe Agenda zu propagieren. Trump war es egal, dass der Mörder von Orlando Amerikaner war, er forderte erneut - "a complete and total shutdown" - Einreisebeschränkungen für Muslime. Kurz zuvor hatte er einem Richter mit einem mexikanisch klingenden Namen gedroht und damit nicht nur die Verfassung mit Verachtung gestraft - "Textbuch-Rassismus" sei das, sagten Parteikollegen von Trump. Aber wo endet das?
Was passiert also, wenn die Menschen, die in einer Demokratie regieren wollen, selbst nicht mehr an die Grundlagen und die Grenzen der Demokratie glauben? Wo endet das? Was passiert, wenn jemand wie der Ukip-Chef Nigel Farage die Diskussion um den Brexit nutzt, um Hass auf syrische Flüchtlinge zu schüren? Wo endet das?
Es endet damit, dass ein offenbar geistig verwirrter Mann in Leeds auf eine Politikerin schießt und "Britain First" ruft und einen Menschen ermordet und all das angreift, wofür die Demokratie steht. Eines nämlich sollte man langsam begriffen haben: Worte haben Wirkungen Das gilt, wenn irgendwo im Mittleren Osten ein wütender Mann sagt: Tötet alle Ungläubigen und in Orlando ein wütender Mann tanzende Homosexuelle ermordet. Und das gilt auch, wenn eine Gesellschaft es zulässt, dass Hass auf Minderheiten scheinbar okay ist - und die Menschen, die sich für diese Minderheiten einsetzen, wie Jo Cox, zum Ziel dieses Hasses werden.
War es ein Akt des Terrorismus, was in Orlando geschah? Ja. War es ein Akt des Terrorismus, was in Leeds geschah? Ja.
Es ist das, was passiert, wenn Menschen sich systematisch ermutigt fühlen, den Hass, den sie im Herzen tragen, auszuleben. Es ist das, was passiert, wenn das politische, soziale und kulturelle Umfeld sich so verändert hat, dass Hass eine akzeptable Haltung zu sein scheint. Es ist das, was passiert, wenn es zu viele Menschen zu lange hinnehmen, dass nach und nach die Grenzen des Sagbaren verschoben werden.
Hier zeigt sich, wie sich die Härte, die die öffentliche Auseinandersetzung über die Frage der Flüchtlinge geprägt hat, langfristig auswirkt. Es ist ein Gift, das in viele Verästelungen der Gesellschaft sickert und das Denken und Reden der Menschen schon mehr prägt, als sie wissen. Das Erschrecken über den Mord an Jo Cox ist damit das eine - das andere ist, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Wer einen Diskurs der Angst und der Abgrenzung pflegt, der schafft die Voraussetzungen dafür, dass Menschen ihren Hass ausleben. Im Fall der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, ist das exemplarisch falsch, weil hier gerade die Chance war, Politik auf andere und inspirierende Weise neu zu deuten. "Es darf nicht sein, dass das Ende der Willkommenskultur als ein Fest gefeiert wird", sagte vor Kurzem der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Maier in Richtung eigene Partei, die CSU. Alles "Positive und glücklich Erreichte", wie Maier es nannte, werde durch solch eine Haltung aufgezehrt - und, kann man anfügen, durch das Negative und gezielte Manipulation ersetzt. Das ist es, wie Rassisten regieren. Trump sei die "nationale Verkörperung all unserer Ängste", schrieb neulich Mark Danner - und Angst produziert eben neue Angst. Angst braucht Angst - das ist eine Beschreibung dessen, was in Leeds und auch in Orlando passiert ist. Es sei ein "warrior narrative", das Donald Trump antreibt, schrieb gerade der Psychologe Dan P. McAdams - die Kriegserzählung als grausam narzisstische Heldensage. Aber wo Krieg ist, da gibt es Opfer. Und das gilt auch umgekehrt:
Man braucht Opfer, damit Krieg herrscht.
Sprache hat die Macht der Unterscheidung. Die Benennung ist weit mehr als Oberfläche, sie erschafft Objekte erst in ihrer Bedeutung. Es ist nicht trivial, wenn man wie Schäuble etwa von "Flüchtlingslawinen" spricht. Er beschreibt Menschen so nicht als Individuen, sondern verklärt sie zu einer Naturkatastrophe. Schon das zeigt: Sprache bildet nicht neutral ab.
IM Erika, Frühsexualisierung, Umvolkung (1920), Volksgemeinschaft – rassetheoretisch wer deutschen Blutes ist (NSDAP 1920), Volksverdünner, Passdeutscher = Deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund,
Der "Volksverräter" ist ein Schlachtruf der besorgten Bürger – er stammt aus der NS-Zeit. Damals war "Volksverrat" ein Straftatbestand. Mit der "Lügenpresse" ist das ganz ähnlich. Den Begriff gibt es zwar schon im 19. Jahrhundert, groß wurde er aber in den 1920er und 1930er Jahren, als die Nazis die bürgerliche Presse als "Lügenpresse" pauschal diffamierten. Neu sind Begriffe wie die "Merkel-Jugend", angelehnt an die Hitler-Jugend. Oder "Frühsexualisierung", der Begriff wird gerade auch von der AfD mit seltsamen Verdrehungen verwendet wird.
Wir haben vier Strategien ausgemacht: Erstens die Aktualisierung von alten Nazi-Begriffen, die auf die heutige Zeit angewendet und für eigentlich harmlos erklärt werden – zum Beispiel der "Volksverräter" oder der "Volkstod". Zweitens die Umkehrung: Dabei werden Worte gegen ihren traditionellen Sinn verwendet. Das passiert etwa, wenn Pegida-Demonstranten "Demokratie" fordern und straffe Autorität meinen, oder ihren linken Gegendemonstranten "Nazis raus" entgegen brüllen. Sehr auffällig und häufig angewendet wird drittens die Pauschalisierung. Ein Beispiel hierfür ist "Asylant", eine abwertende Bezeichnung für alle. Zentral für die gesamte Rhetorik ist viertens eine Mimikry des Tabubruchs.
"Asylkritiker", "Flüchtlingskrise" und "Kulturkreis". Das Wort "Asylkritiker" kleidet harmlos ein, was eigentlich harte Ausgrenzungspraxis ist. Früher bezog es sich mal auf die Kritik etwa an der Einschränkung des Asylrechts. Heute nennen sich alle so, die die Flüchtlinge einfach "weg haben" wollen. Das in allen Medien häufig verwendete Wort "Flüchtlingskrise" trägt auch eine gewisse Perversion in sich. Denn wer hat hier eigentlich eine Krise? Die Flüchtlinge, nicht wir. Auch das Wort "Kulturkreis" wird inzwischen wie selbstverständlich benutzt. Dabei werden große regionale Räume zusammengeschraubt, die äußerst heterogen sind.
Die europäische Rechte ruft 2017 das Jahr der Patrioten aus. In Wirklichkeit beginnt damit das Jahrzehnt der völkisch – nationalen Idioten.
https://www.heise.de/ct/ausgabe/2017-16-Wie-Fake-News-entstehen-und-warum-sie-eine-Gefahr-darstellen-3775058.html
So lange Menschen zusammenleben, belügen sie sich. Und schon immer dienten Desinformation und Propaganda dazu, politische Ränkespiele zu beeinflussen. Warum also die aktuelle Aufregung um Fake News? Weil soziale Medien für ein stetig wachsendes Bombardement aus Unwahrheiten wie ein Verstärker wirken. Hitlers geheime Tagebücher, irakische Massenvernichtungswaffen, die Klimawandel-Lüge
Das Erfinden und das Verdrehen von Nachrichten ist nichts Neues. Dieser Artikel soll erklären, warum Fake News zu einem großen Problem geworden sind und wer davon profitiert. Claire Wardle von der Faktenchecker-Organisation First Draft hat eine Klassifizierung in sieben Typen von Fake News vorgenommen.
So lange Menschen zusammenleben, belügen sie sich. Und schon immer dienten Desinformation und Propaganda dazu, politische Ränkespiele zu beeinflussen. Warum also die aktuelle Aufregung um Fake News? Weil soziale Medien für ein stetig wachsendes Bombardement aus Unwahrheiten wie ein Verstärker wirken. Hitlers geheime Tagebücher, irakische Massenvernichtungswaffen, die Klimawandel-Lüge
Das Erfinden und das Verdrehen von Nachrichten ist nichts Neues. Dieser Artikel soll erklären, warum Fake News zu einem großen Problem geworden sind und wer davon profitiert. Claire Wardle von der Faktenchecker-Organisation First Draft hat eine Klassifizierung in sieben Typen von Fake News vorgenommen.
Satiren oder Parodien werden nicht veröffentlicht, um Schaden anzurichten, sondern um zu unterhalten. Dennoch können sie den einen oder anderen in die Irre führen. Die Nachrichten des Postillon sind das beste Beispiel dafür. Diese Satire-Site schafft es immer wieder, aktuelle Themen und Geschichten aufzugreifen und so geschickt „weiterzudrehen“, dass sogar Politiker und seriöse Medien darauf hereinfallen. Zum 20-jährigen Jubiläum der neuen Rechtschreibung etwa meldete der Postillon, dass das Wörtchen „seidt“ die beiden Wörter „seid“ und „seit“ ablöse – eine Reporterin des MDR glaubte das und machte einen Hörfunkbeitrag dazu.
Bei falschen Verknüpfungen passen Überschriften, Aufmacher oder Bildunterschriften nicht zum Nachrichteninhalt. Medien der Regenbogenpresse etwa dichten auf der Titelseite einem Promi gerne eine Hochzeit, ein Kind oder eine gefährliche Krankheit an. Im Inneren des Heftes ist es dann mit der vermeintlichen Nachricht nicht mehr weit her. Solche Tricksereien sind längst als sogenanntes Clickbaiting im Internet angekommen: Mit geschickt formulierten Überschriften oder Neugier weckenden Aufmacherbildern bringen einige Sites Menschen dazu, auf ihre Links zu klicken – die Geschichten dahinter sind oft banal oder alt.
Irreführende Inhalte werden verwendet, um einer Person oder einem Thema etwas anzuhängen – zum Beispiel der ehemaligen hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann. Die hatte beim Kirchentag im Mai die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert. Sie sagte, diese entspreche dem „kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten: zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern“. In Anspielung auf die AfD setzte sie nach: „Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht.“ Bei Twitter wurden vielfach nur die beiden letzten Sätze zitiert, was den Eindruck erweckte, Käßmann erkläre alle Bürger mit ausschließlich deutschen Ahnen zu Neonazis. Bei falschen Zusammenhängen handelt es sich um authentische Inhalte, die aber mit falschen Informationen in Zusammenhang gebracht und weiterverbreitet werden. Gerne werden dafür Bilder aus ihrem Kontext gerissen und mit einer neuen Geschichte versehen. Die Fake-Jäger von ZDDK Mimikama decken regelmäßig solche Geschichten auf. Seit fünf Jahren kommt ihnen zum Beispiel immer wieder das Foto eines Jungen mit einer Geschwulst im Gesicht unter, angeblich einem Krebsgeschwür. Diese Posts sind oft mit der Aufforderung verbunden, sie zu teilen oder zu liken, weil Facebook dafür einen Betrag zur Behandlung des Kindes zahle – Klickfängerei. ZDDK hat den Jungen aufgespürt und ihn und seine Familie interviewt: Samuel stammt ursprünglich aus Vietnam und wurde von einer Familie in den USA adoptiert. Er litt an einem Blutschwamm, der mittlerweile entfernt wurde.
Um Personen etwas anzuhängen, werden mitunter authentische Inhalte überarbeitet – oft Bilder, weil diese noch weniger als Texte hinterfragt werden. Ein besonders perfides Beispiel betrifft den syrischen Flüchtling Anas M., der durch ein Selfie mit der Bundeskanzlerin bekannt wurde. Seither wird er immer wieder mit erfundenen Behauptungen und manipulierten Fotos als Terrorist dargestellt – offenbar, um sowohl Angela Merkel als auch Flüchtlinge allgemein in einem schlechten Licht darzustellen.
Es gibt noch weitere Bedeutungen von Fake News, denn Politiker versuchen, die Deutungshoheit über den Begriff zu erlangen. Allen voran Donald Trump: Für den amerikanischen Präsidenten sind Fakten nur dann echt, wenn sie zu den eigenen politischen Zielen passen. Widersprechen Trumps Fakten wissenschaftlicher Erkenntnis, pricht seine Beraterin Kellyanne Conways schon mal von „alternativen Fakten“.
Dass Fake News im politischen Diskurs zum bestimmenden Thema werden, hat viele Gründe. So hat sich der Umgang mit News grundlegend verändert. Bis zum Anfang des vorigen Jahrzehnts haben Menschen Nachrichten in sehr wenigen Medien konsumiert: Tageszeitungen, Radio, Fernsehen. Im Idealfall überprüfen Journalisten dort ihre Quellen, checken Redakteure gegenseitig ihre Artikel, gewichten Redaktionen die Beiträge. Nichtsdestotrotz gab und gibt es auch in den klassischen Medien Fake News, die sogenannten (Zeitungs-)Enten.
Heute machen soziale Medien einen beständig wachsenden Anteil am Nachrichtenkonsum aus, und zwar umso ausgeprägter, je jünger die Zielgruppe ist. Laut Reuters Digital News Report geben weltweit bereits 33 Prozent der 18- bis 24-jährigen „Social Media“ als wichtigste News-Quelle an. Aber auch bei älteren Nutzern gehören Facebook und Twitter längst zum News-Mix. Im Internet kann jeder alles veröffentlichen. Was einmal ein großes Plus des offenen Netzes war und in vielerlei Hinsicht immer noch ist, entwickelt sich vor dem Hintergrund von Fake News aber auch zum Problem. So ist es heute keine große technische Herausforderung mehr, ein seriös erscheinendes „Nachrichtenportal“ aufzusetzen. Die klassische Medien-Website liegt so nur einen Klick entfernt vom Verschwörungstheoretiker-Treffpunkt, von rechts- oder linksextremen „alternativen Medien“ und von der Site mit komplett erfundenen Inhalten. Und aus allen diesen Richtungen schwappen Nachrichten in die sozialen Medien. Dabei haben News, die beim Betrachter starke Emotionen auslösen, die besten Chancen, „viral zu gehen“, also massiv weiterverbreitet zu werden. Die wichtigste Emotion dabei: Wut. Offenbar reizt Wut stärker als alles andere dazu, Nachrichten zu teilen, zu retweeten oder zu kommentieren. Entsprechend sind viele Fake News so gestrickt, dass sie die Wut des Lesers schüren. Wütende Menschen klicken viel
Je abstoßender der Vorwurf, desto besser eignet er sich dafür. Dabei muss der Verbreiter nicht einmal belastbare Beweise vorbringen. Im Gegenteil entsteht oft erst durch die Unhaltbarkeit der Anschuldigung eine ausführliche Diskussion in der Öffentlichkeit. Dass eine unberechtigte Anschuldigung öffentlich diskutiert wird, ist zunächst einmal eine gute Sache. Allerdings führt der falsche Vorwurf dazu, dass er immer wieder aufs Neue in die Timelines der Leser kommt. Und die Psyche ist aber nun mal so gestrickt, dass Menschen Informationen eher glauben, die sie mehrfach präsentiert bekommen – auch wenn man vielleicht beim ersten Mal noch skeptisch war. Gut beobachten ließ sich das während des US-Präsidentschaftswahlkampfs. Unter dem Schlagwort Pizzagate wurde die völlig abstruse Behauptung gestreut, im Keller einer Pizzeria n Washington agiere ein Kinderpornoring, in den auch die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton verwickelt sei. Wochenlang wurden diese Gerüchte aufgekocht. Mit einer seriösen Schlagzeile wird man meist nicht so starke Emotionen hervorrufen wie mit einer erfundenen, die genau auf diesen Zweck hin optimiert ist. Das ergab eine Auswertung des Portals Buzzfeed. In den drei Monaten vor der US-Wahl haben die 20 meistverbreiteten Fake News mehr Shares, Reaktionen und Kommentare auf Facebook erhalten als die 20 meistverbreiteten Geschichten von seriösen Medien. Eine dieser erfolgreichsten Titelzeilen: „WikiLeaks CONFIRMS Hillary Sold Weapons to ISIS …“.
Die sozialen Netze verstärken diese Verbreitungswellen noch. Bei Facebook wählt ein Algorithmus die Postings aus, die der Einzelne präsentiert bekommt. Wie die Vorauswahl funktioniert, dazu macht Facebook nur vage Andeutungen, aber klar ist, dass vor allem Engagement zählt: Klickt man auf „Weiterlesen“, kommentiert man einen Artikel oder teilt ihn, wird Facebook versuchen, verstärkt ähnliche Postings in die Timeline zu spülen. Die Vorfilterung der News-Feeds ist eigentlich eine praktische Sache: Der Benutzer erhält so nicht die komplette Sammlung aller Posts seiner Freunde angezeigt, sondern eine persönliche Auswahl. Allerdings verzerrt diese auch die Wahrnehmung der Realität, weshalb Medienkritiker auch von Filterblasen oder Echokammern sprechen. Während etwa 30 Millionen Deutsche bei Facebook sind, nutzen hierzulande nur eine Million aktive Anwender Twitter. Bei dem Kurznachrichtendienst gibt es zudem in der Timeline weniger Vorauswahl. Er präsentiert nur eine Handvoll ausgewählter Tweets unter „Falls Du es verpasst hast“ und die Themen mit den meisten Hashtags unter „Trends“. Obwohl die Plattform weniger Personalisierung bietet als Facebook und kleiner ist, darf man den Verstärkereffekt von Twitter nicht unterschätzen, denn viele Multiplikatoren wie Journalisten und Politiker nutzen den Dienst. Algorithmen sortieren auch auf anderen sozialen Plattformen die Inhalte vor, etwa bei YouTube und Instagram. Und wie bei Facebook und Twitter geht bei Google das Engagement der Surferschaft ebenso in das Ranking der Suchergebnisse mit ein – so spielt auch die Suchmaschine eine Rolle bei der Weiterverbreitung von Fake News.
Beim schnellen Durchscrollen der Facebook- und Twitter-Timeline bleibt oft keine Zeit für einen Faktencheck. Und je älter die Nutzer sind, desto schwerer fällt es ihnen, die Echtheit einer Meldung einzuschätzen. Das ergab eine Studie im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien. Demnach fühlen sich 43 Prozent der 45- bis 59-Jährigen beim Identifizieren von Fake News überfordert, bei Menschen jenseits der 60 sind es sogar 47 Prozent.
Mehr noch: Eine Studie des Data Science Institute der New Yorker Columbia University deutet darauf hin, dass viele Social-Media-Nutzer die verlinkten News, die sie teilen, nicht einmal lesen. Die Wissenschaftler untersuchten 2,8 Millionen Shares auf Twitter und die daraus resultierenden 9,6 Millionen Klicks. Die Untersuchung ergab, dass 59 Prozent aller geteilten Links nicht einen Klick verbuchen konnten – nicht einmal von denjenigen, die sie geteilt hatten. Leider sind auch viele klassische Medien in Zeiten des Internet versucht, Nachrichten ungeprüft weiterzugeben: Wer schnell postet, der wird bei Google gut gerankt und erhält viele Besuche auf seiner Website. Das geht auf Kosten der sorgfältigen Recherche. Insbesondere bei Katastrophen oder Terroranschlägen, wenn anfangs die Nachrichtenlage noch sehr diffus ist, zitieren auch seriöse Medien immer mal wieder unbestätigte Meldungen aus unsicheren Quellen – die sich hinterher als falsch erweisen. Während der jüngsten G20-Demonstrationen in Hamburg zeigt Bild.de das Foto eines Demonstranten, das es untertitelte: „Ein Chaot wirft einem Polizisten einen Böller direkt ins Gesicht, kann danach fliehen. Nach Bild-Informationen könnte der Beamte sein Augenlicht verlieren.“ Das entpuppte sich als Falschmeldung sowohl in Bezug auf die Verletzung als auch auf die gezeigte Person, wie die Polizei später klarstellte. So etwas untergräbt das Vertrauen in die klassischen Medien: Wasser auf die Mühlen der „Lügenpresse“-Fraktion.
Normale Social-Media-Nutzer, die Fake News verbreiten, sind nicht dazu verpflichtet, eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Eine Richtigstellung läuft einer Fake News ohnehin immer hinterher und wird in aller Regel weniger Beachtung finden als die Lüge – „das Thema ist durch“. Zudem machen viele Richtigstellungen den Fehler, die falsche Nachricht noch mal zu zitieren. Das verankert diese aber wieder in den Köpfen der Betrachter. Manche Verbreiter von Fake News scheinen sogar, wenn sie von dem Fehler erfahren, an der Falschnachricht festzuhalten, sofern sie zur eigenen Weltsicht passt. Ingrid Brodnig beginnt ihr Buch „Lügen im Netz“ über Fake News mit einer Userin, die die Falschnachricht „Merkel hofft auf 12 Millionen Einwanderer“ geteilt hat. Von Brodnig auf die Falschmeldung angesprochen, sagte sie: „Auch wenn es jetzt momentan nicht gestimmt hat, ist es doch eine Meldung, die passieren kann.“
Keines der beschriebenen Phänomene kann das Fake-News-Phänomen alleine erklären. Vielmehr wirken sie alle zusammen und verstärken sich wechselseitig. Was den Umgang mit Fake News noch weiter erschwert, sind die verschiedenen Quellen und Verbreiter von Lügenmeldungen sowie die unterschiedlichen Methoden, mit denen sie arbeiten. Da sind zunächst die Verstrahlten, die Esoteriker, die Verschwörungstheoretiker. Deren Nachrichten dürften wohl die meisten Facebook-Nutzer ebenso leicht einordnen können wie Satire vom Postillon. Den Deckmantel der „Satire“ machen sich aber auch andere Gruppierungen zunutze, oder sie distanzieren sich auf andere Weise von ihren eigenen Inhalten. So findet man mitunter unter ausländerfeindlichen Posts schon mal den Zusatz „lol, Spaß“ – oder auch „Satire“. Die Website politaia, auf der eine wilde Mischung an Fake News aller Art veröffentlicht wird, trägt einen Hinweis „Achtung #FakeNews“ in ihrem Banner. Man kann ihn aber kaum erkennen, weil er zur Hälfte von der Navigation überdeckt wird. Und im Impressum steht: „Niemand soll blindlings glauben, dass das, was hier gepostet wird, die absolute Wahrheit ist. Jeder hat das Recht und die Pflicht, sich sein eigenes Bild der Realität zu machen.“ Aber wer sieht schon ins Impressum? Es ist ein typisches Muster dieser Form der „Satire“: Der Hinweis darauf, dass es sich nicht um seriöse Nachrichten handelt, ist wesentlich dezenter gestaltet als die „Nachricht“ selbst. Einige Player produzieren Fake News nicht aus Überzeugung, sondern um Geld damit zu verdienen. So gab es während der US-Präsidentschaftswahl eine Gruppe von mazedonischen Hackern, die mit ihren Fake News Kasse gemacht haben. Sie veröffentlichten wilde, komplett erfundene Geschichten: Hillary Clinton sei in Wahrheit ein Mann, habe einen Hirnschaden oder wolle WikiLeaks-Gründer Julian Assange ermorden lassen. Manche der Geschichten wurden viele hunderttausend Mal geklickt. Die Seiten enthielten Werbung, durch die die Betreiber pro Abruf ein paar Zehntel-Cents erhielten. Ein paar tausend Euro pro Monat sind so für einige der Hacker zusammengekommen – ein einträgliches Geschäft in einem Land, in dem der Durchschnittslohn gerade einmal ein paar Hundert Euro im Monat beträgt. Ganz anders als die auf den Gewinn fokussierten Mazedonier verfolgen sogenannte hyperaktive radikale Kräfte politische Ziele. Als hyperaktiv bezeichnet man dabei Nutzer, die im Vergleich zu anderen Nutzern sehr viel liken, teilen und posten. In einem Interview mit bmbf.de sagte Professor Simon Hegelich, der das Phänomen an seinem Lehrstuhl für Political Data Science untersucht: „In Bezug auf die Flüchtlingsdebatte können wir […] empirisch belegen, dass sie durch hyperaktive Nutzer massiv verzerrt wird: Das heißt, flüchtlingskritische Inhalte werden systematisch geliked und es werden massenhaft Kommentare gegen Flüchtlinge auf Facebook gepostet – und zwar alle von einer kleinen Zahl von Nutzern.“ Hyperaktive versuchen offenbar, in großem Stil die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Der Mensch ist nun mal ein Herdentier, das sich an anderen orientiert. Der Begriff „Fake“ bekommt hier also noch eine weitere Bedeutung: Nicht nur die einzelnen Meldungen sind Fake. Auch das Bild von der allgemeinen Stimmung, das insgesamt vermittelt wird, ist falsch: ein Hack der öffentlichen Meinung.
Bei den hyperaktiven Accounts scheint es einen fließenden Übergang zu geben zwischen realen, menschlichen Nutzern und automatisierten Accounts, den sogenannten Social Bots. Bots verhalten sich dabei fast wie Menschen: Sie retweeten die Posts anderer (oft anderer Bots), sie folgen und liken einander und befreunden sich. Regelrechte Armeen solcher Programme sind offenbar in einigen Ländern bereits aktiv, so die Ergebnisse einer Studie der Universität Oxford. In Russland werden demnach schon 45 Prozent der Twitter-Aktivitäten „hochautomatisierten Konten“ zugeschrieben.
Eine sich stark verändernde Medienlandschaft. Eine Bevölkerung, für die Social Media oft noch Neuland bedeutet. Player aus vielen verschiedenen Ecken, die das mit stark emotionalisierenden, falschen Nachrichten für ihre Zwecke auszunutzen versuchen: Macht das Fake News zu einer echten Bedrohung? Schließlich ist es doch durch die Meinungsfreiheit gedeckt, dummes Zeug zu verbreiten. Viele Beobachter erwarten, dass Fake News auch bei der kommenden Bundestagswahl eine Rolle spielen werden. Der Bundeswahlleiter Dieter Sarreither etwa sieht eine reale Gefahr durch Fake News, mit denen Wähler manipuliert werden könnten. „Die Bürger und die Medien müssen in diesem Wahlkampf besonders sensibel auf Nachrichten reagieren. Sie müssen wissen, dass es Versuche gibt, sie zu manipulieren“, sagte Sarreither in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Nach einer aktuellen Studie wurden im Vorfeld der französischen Wahl viele Twitter-Bots, die während der US-Präsidentenwahl die Alt-Right-Szene befeuerten, umfunktioniert, um über die sogenannten Macron-Leaks zu twittern. Emilio Ferrara von der University of Southern California hat die Studie verfasst. Er sieht seine Ergebnisse als Beleg für einen Markt, auf dem wiederverwendbare politische Fake-News-Bots vermietet werden. Nächste Station Deutschland? Andere Beobachter winken ab – die Gesellschaft sei hierzulande nicht so deutlich in zwei starke Lager gespalten wie in den USA und in Frankreich bei den letzten Wahlen, so Kognitionspsychologe Christian Stöcker auf Spiegel Online. Bürger seien in Deutschland daher nicht so extrem in Echokammern verschlossen wie dort und weniger anfällig für Fake News, die das eigene Weltbild verstärken. Auch Dr. Philipp Müller vom Institut für Publizistik in Mainz, der zur Wirkung journalistischer Medienangebote forscht, hält das Risiko für überschaubar. In einem Interview mit ard.de sagte er: „Wenn man sie strategisch geschickt nutzt, sind Fake News sicherlich ein Faktor im Wahlkampf, vor allem zur Mobilisierung von Unentschlossenen und Nichtwählern.“ Allerdings sieht er das Risiko, dass Fake News insgesamt eine Spaltung der Gesellschaft bewirken können: „Denn sie konstruieren ein alternatives Wahrheitsgebilde, durch das sich diejenigen bestätigt sehen, die sowieso schon ein gewisses Entfremdungsgefühl in sich tragen.“ Gleichzeitig könne man gegen Fake News schlecht argumentieren, weil sie immer auch Zweifel am Wahrheitsgehalt von Nachrichten etablierter Medien mit transportieren.
Die gute Nachricht: Dass Fake News ein echtes Problem für Journalismus und Gesellschaft darstellen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Und an vielen Stellen wird dagegengehalten. CDU, SPD, Grüne, Linke und AfD etwa haben angekündigt, im kommenden Bundestagswahlkampf keine Social Bots einzusetzen. Etliche Medien haben verstanden, dass sie sich – und ihre Leser – wieder mehr auf gleiche Augenhöhe, in den Dialog bringen und gemeinsame Gesprächsgrundlagen schaffen müssen. Dazu haben sie journalistische Projekte gestartet, die Menschen aus ihren Filterblasen heraus und wieder zusammenbringen. Bei der Süddeutschen nennt sich das zum Beispiel „Democracy Lab“, bei der Zeit „Deutschland spricht“. Zugleich haben die Medien den Kampf gegen die Faker aufgenommen – auch um wieder die Diskurshoheit zu erlangen. Die New York Times etwa veröffentlichte Ende Juni eine Liste mit allen Lügen Trumps seit seinem Amtsantritt. Die Faktenchecker etlicher Medien schließen sich weltweit zusammen, um gemeinsam Werkzeuge gegen Fake News bereitzustellen und gegen die Lügen an zu recherchieren. Von Fake News Betroffene wehren sich, auch wenn das nicht immer hilft. So hatte Anas M. –der Syrer mit dem Merkel-Selfie – versucht, Facebook dazu verdonnern zu lassen, selbst nach Beiträgen mit falschen Behauptungen zu fahnden. Letztlich hatte er damit keinen Erfolg. Doch einem AfD-Politiker aus Nordrhein-Westfalen hat er es gerichtlich verbieten lassen, falsche Nachrichten über sich zu verbreiten. Auch das kürzlich beschlossene Netzdurchsetzungsgesetz soll Fake News eindämmen helfen Doch Fake News ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft, auch für Sie. Das mag jetzt etwas hochgestochen klingen, aber es ist wichtig, dass jeder Demokrat den Lügen etwas entgegenhält, wo immer das möglich ist. Letztlich unterhöhlen die Faker die offene Diskussionskultur, von der unsere Gesellschaft nun mal lebt. Es wäre fatal, wenn nur diejenigen den Diskurs bestimmen, die am lautesten schreien und ie Facebook & Co. am geschicktesten für ihre Zwecke instrumentalisieren. Dann beherrschen am Ende „alternative Fakten“ die Diskusssion und nicht die realen.