Die aktuelle Pandemiekrise ist nicht die erste unserer gesellschaftlichen Krisen im 20ten und 21ten Jahrhundert . All diesen Krisen ist eines gemeinsam. Über die Behauptung gewisser sytemrelevanter Wirtschaftsinstitutionen wird von den Politikern imer wieder unwidersprochen das Erfordernis der materiellen Unterstützung durch den Staat suggeriert und widersprechende wissenschaftliche Erkenntnisse im trauten Einvernehmen von Wirtschaftslenkern und lobbyistisch tätigen gewählten Politikern aller Couleur zurückgewiesen. Es gelte unter allen Umständen die Wirtschaftskraft unserer Volkswirtschaft zu stützen, auch wenn international agierende Wirtschaftsinstitutionen nur noch marginal die Interessen unserer Volkswirtschaft im Sinne haben. Mit diesen Schlagtotargumenten gelingt es imer wieder - selbst auf europäischer Ebene - dringend notwendige Anpassung und Krisenfestigkeit unserer Gesellschaft zu unterwandern. Bestes Beispiel dafür ist die latente Umweltkrise.
Politik nimmt Schlachthöfe ins Visier Tagesspiegel vom 18.05.
Schon wieder 92 Infektionen in einem Fleischbetrieb. Die Bundesregierung will dagegen
vorgehen.
Der Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) brachte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch - derzeit sieben Prozent - ins Spiel. (Tectum Holding GmbH - Aumann, Dr. Nüßlein, Schuhbaur-Rieger GbR - )
„Der unanständige Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel. Er bringt unsere Landwirte in Existenznöte, schadet dem Tierwohl und ist für die
problematischen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich“, erklärte er in der „Augsburger Allgemeinen“.
Bedenken beim Fleischkonsum bräuchten Verbraucher aber nicht zu haben, heißt es im Bundeslandwirtschaftsministerium.
(Skandale um Julia Klöckner und Co Wenn Minister Werbung machen
Klöckner kocht für Kaufland, Müller kauft bei Lidl, Bär empfiehlt Lego-Sets: Wo sind die Grenzen zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und
Schleichwerbung? Tagesspiegel vom 08.05.2020 von Inga Barthels Im Juni 2019 hatte das BMEL auf Twitter ein Video veröffentlicht, in dem Klöckner gemeinsam mit Marc-Aurel Boersch, dem
Deutschland-Chef des Lebensmittelkonzerns Nestlé für weniger Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten warb. Neben den rechtlichen Fragen stellt sich auch die Frage nach der Verantwortung von
Politikern. „Es darf nicht einmal der Eindruck von Korruption entstehen“, sagt Briand. Die Organisation sieht insbesondere in der Lebensmittelbranche ein strukturelles Problem, da das Ministerium
für Landwirtschaft und Ernährung Industrie- und Verbraucherinteressen vereine.)
Das Haus von Julia Klöckner (CDU) verweist auf Erkenntnisse des
Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), wonach es bislang keine Fälle gebe, in denen sich Menschen "über den Verzehr kontaminierter Lebensmitteln" infiziert hätten. Klöckner ist zwar gegen
einen staatlich festgelegten Mindestpreis. Auch sie sagte aber „Bild“: „Es ist unanständig, wenn Verbraucher mit Billigstpreisen in den Laden gelockt werden.“
Ein Verbot von Werkverträgen würde der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gefallen. Schlachthöfe dürften das Schlachten nicht mehr „an dubiose
Billigfirmen vergeben und damit die Verantwortung auslagern“, verlangte der Vizevorsitzende in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Vertreter der Fleischwirtschaft sehen das ganz anders. „Mit dem sachfremden und politisch fahrlässigen Vorstoß zu einem Verbot von Werkverträgen allein in der
Fleischbranche ignoriert die Politik die Fakten und stigmatisiert unsere Branche“, hatte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen
Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, am Freitag geschimpft. (dpa)
(seit 11/2013 Präsident des NGW-Niedersächsische Geflügelwirtschaft Landesverband ) (11/2005-02/2013 Staatssekretär im Niedersächsischen
Landwirtschaftsministerium 08/2003-11/2005 Generalsekretär der CDU Niedersachsen seit 2003 Abgeordneter für den Wahlkreis Walsrode (Landkreis Heidekreis) im Niedersächsischen Landtag (Mitglied im
Innen- und Umweltausschuss, sowie Vorsitzender des Agrarausschusses) seit 1986 Referatsleiter für Sachkundeausbildung, Anwendungstechnik und fachbehördliche Überwachung beim Pflanzenschutzamt an
der Landwirtschaftskammer Hannover. In Anlehnung an Ripkes Wirken in Bezug auf den niedersächsischen Tierschutzplan, kommentiert der Weser Kurier, dass seine Wahl zum Vorsitzenden der
Geflügelwirtschaft "nur konsequent" sei. Demnach habe Ripke den Tierschutzplan unter Druck der öffentlichen Meinung aufgrund zahlreicher Skandale zwar auf den Weg gebracht, seinen Inhalt jedoch
maßgebend an den Interessen der Wirtschaft orientiert. "Der Verfechter der Agrarindustrie wäre auf diesem Posten von Anfang an besser aufgehoben gewesen als im Ministerium".)
https://taz.de/Historikerin-ueber-Verschwoerungstheorien/!5686968/
„Seife statt Schweiß“
Verschwörungstheorien sind eine Gegenbewegung zur Moderne, sagt die Historikerin Hedwig Richter. Vor allem Männer würden stärker dazu neigen. Woher rührt die Neigung zum Verschwörerischen?
Immer geht es um die Reduktion von Komplexität – und um Selbstermächtigung. Verschwörungstheorien sind eine Reaktion auf Unsicherheit und Krisen. Das Wissen um böse Mächte, die im Hintergrund alles steuern, bedeutet ein großartiges Herrschaftswissen, weil sich damit alles erklären und verstehen lässt. Übrigens hat Karl Popper, der ja den Begriff der Verschwörungstheorie geprägt hat, darauf hingewiesen, dass Vertreter vulgärmarxistischer Lehren auch problematisch sein können, wenn sie „den“ Kapitalismus hinter allem sehen und in einsamem Herrschaftswissen die verblendeten Massen zur Not mit Gewalt in die Freiheit führen wollen.
Die Geschichte der Demokratie ist tatsächlich auch die Geschichte eines sich wandelnden Körperregimes: Hunger, Kälte, Dreck und körperliche Schmerzen, die für fast alle Menschen selbstverständliche Alltagserfahrungen waren, sind einem Regime der Hygiene und des Sozialstaats gewichen. Gewalt ist gewiss nicht verschwunden, aber sie ist gesetzlich weitgehend tabuisiert. Das ist ein ungeheuerlicher Disziplinierungsprozess. Und zweifellos bedeutet es eine gewisse Entfremdung von der Natur: Seife statt Schweiß, Impfen statt heroischer Kampf mit der Natur, in dem die tüchtigen Babys schon überleben werden.
"Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat"
Verpackt als seriöse Wissenschaft, verbreitet von
Skeptikern: Verstärkt die Corona-Krise den Glauben an höhere Mächte oder einen Komplott? Michael Butter forscht dazu. Interview 1. April 2020
Richtig ist, dass in Zeiten der Unsicherheit – und welche Zeiten können unsicherer sein als die jetzigen? – Verschwörungstheorien besonders gut gedeihen. Deshalb
kursieren auch unzählige davon zur Corona-Krise im Netz. Andererseits greifen diejenigen Leute, welche diese jetzt in Umlauf bringen, auf bekannte Muster zurück.
Lange Zeit waren Verschwörungstheorien akzeptiertes Wissen. Es war normal, an sie zu glauben. Nach dem Krieg benutzte Karl Popper in seinem Buch Die offene
Gesellschaft und ihre Feinde den Begriff der Verschwörungstheorie so, wie wir ihn kennen. Ab dann wurde der Begriff zum Schimpfwort. Umso wichtiger werden für Verschwörungstheoretiker deshalb
Wissenschaftler oder Pseudowissenschaftler. Um der Erzählung von einem Komplott einen seriösen Anstrich zu geben. Wenn man sich diese Medien anschaut, dann wimmelt es von Verweisen auf
wissenschaftliche Studien. In YouTube-Videos tauchen bevorzugt Leute mit Doktor- oder Professorentitel auf – auch wenn diese mitunter aus einer völlig anderen Disziplin stammen. Deshalb wichtig:
Glauben Sie nicht jedem, der einen Doktortitel hat
Wer ist besonders empfänglich für Verschwörungstheorien. Wie zahlreiche psychologische Studien zeigen, sind das Menschen, die schlecht mit Unsicherheit und
Ambivalenz umgehen können. Für sie ist es offensichtlich leichter zu ertragen, dass irgendwelche dunklen Mächte im Hintergrund die Strippen ziehen, als nicht zu wissen, was vor sich geht, oder zu
akzeptieren, dass – zum Beispiel beim Coronavirus – womöglich niemand verantwortlich ist. Solche Personen findet man in allen Bevölkerungsteilen.
Wer bei Google nach dem Stichwort Coronavirus sucht, findet nur mühsam Fake News. Wir beobachten, dass sich die Verfasser solcher Theorien andere Kanäle suchen.
Etwa WhatsApp. Da gab es diese Nachricht, dass das Medikament Ibuprofen Corona-Symptome verstärkt und dass eine Studie von der Pharmaindustrie unterdrückt wird. Der verschwörungstheoretische Aspekt ist hierbei die Theorie der Unterdrückung durch die Pharmaindustrie. Diese Nachricht wurde hauptsächlich über WhatsApp
verbreitet.
Es heißt immer, jeder Versuch, Fake News zu widerlegen, sei vergeblich, weil allein die Erwähnung der Falschnachricht diese verstärkt. Stimmt das? Diese Gefahr
besteht. Dass also irgendetwas von dem Gerücht oder der Falschmeldung hängen bleibt. Besser wäre es, wenn die Medien erst den bekannten wissenschaftlichen Konsens schildern und dann erwähnen,
dass zum Thema auch viel Unsinn kursiert. Das widerspricht aber völlig der Medienlogik, die erst einmal das Neue und Ungehörte präsentieren muss.
Es macht es schon Sinn, Zweifel zu äußern und auf andere Fakten zu verweisen. Doch bei eingefleischten Verschwörungstheoretikern haben schlüssige Gegenbeweise den
gegenteiligen Effekt: Sie festigen die Überzeugung der Betroffenen.
Aus Zeit online: Die besten Beweise sind keine Beweise Eine Kolumne von Josef Joffe
Verschwörungstheorien kopieren das Verhalten von Viren. Sie mutieren seit Jahrtausenden und sind immun gegen Fakten. Umso wichtiger sind die Gegenmittel. 13. Mai 2020
Erstens: es herrscht das globale Böse, verkörpert durch Einzelne wie Gates oder Geheimbünde, die nach der
Weltherrschaft greifen: Illuminati ("Erleuchtete"), Freimaurer, "Die Weisen von Zion", Jesuiten, Kommunisten, Kapitalisten … Oder Bilderberg und Davos, wo die Mächtigen im Geheimen konspirieren.
Die WHO ziehe mit Gates' Milliarden eine planetarische Impfdiktatur hoch. Keine Reisen ohne Chip unter die Haut.
Zweitens: die Rekruten des Bösen, welche die Botschaft um die Welt tragen. Mobilisiert werden sie von den
Unteroffizieren der Verschwörung, den Stichwortgebern und Einpeitschern. Diese Armee – das ist der Clou – mag unsichtbar sein, aber sie stehe kurz vor dem Beginn der Versklavung.
Drittens: Gott sei Dank ist die Schlacht noch nicht verloren. Die Retter, die selbst erwählten himmlischen Heerscharen,
wissen, was gespielt wird. Sie werden den Feind entlarven, seine höllischen Pläne durchkreuzen. Die Kinder des Lichts, im Besitz der Wahrheit sind stärker als die Bataillone des Bösen, obwohl
diese Staat und Wirtschaft unterwandert haben – aber nur fast! Also schart euch um unsere Fahnen, und wir werden das Übel besiegen.
Viertens: die Waffen aus dem Arsenal der Pseudowissenschaft: Diese bricht grundsätzlich die Regeln des evidenzbasierten
Denkens. Zitiert werden Autoritäten, die sich mit "Dr." oder "Prof." schmücken, aber im Wissenschaftsbetrieb nicht aufgefallen sind. Die Retter fahren echte Koryphäen auf, mit ausgewählten
Bruchstücken, die in die Mauer des Verdachts passen. Tabu sind konträre Fakten, die den Glauben morden. Wer widerspricht, beweist nur, dass er bereits Opfer der Verschwörung sei – benebelt und
verführt. Wer fragt und anzweifelt, ist ein gefährlicher Idiot. Besonders beliebt ist der Turm der Theorien – immer höher und höher, wie der von Babel. Funktioniert eine Erklärung nicht, legen
wir eine zweite, dritte, vierte drauf.
"Das beste Beweismaterial ist gar keines"
Das Beste an Verschwörungstheorien ist ihre Unwiderlegbarkeit. Es gibt keine Beweise? Dass es keine gibt, ist
doch der perfekte Beleg für die Konspiration. Er zeigt, wie mächtig die Verschwörer sind. Sie können Zeugen mundtot machen, Belastendes verschwinden lassen. In Daniel Pipes' Standardwerk
Conspiracy heißt es knapp: "Das beste Beweismaterial ist gar keines." Der Wissenschaftler ist perplex.
Kommt der Verschwörungstheoretiker nicht mehr weiter, greift er zur Wunderwaffe, die selbst das Wahnwitzige erklärt. Das ist die "unsichtbare Hand", die im Dunkeln
alle Fäden zieht und die wahren Motive tarnt. Hinter dem einen steht immer ein anderer und hinter dem noch einer – wie in einem Spiegelkabinett mit seiner endlosen Regression. Es gibt weder Zu-
noch Unfälle, nur die unsichtbare Hand des allmächtigen Schurken, die alles regiert. Wieso derlei magisches Denken die Hirne (links wie rechts, gebildet oder nicht) ergreift, liegt auf der Hand:
Die eine und einzige Ursache, der Kern aller Verschwörungstheorien, bringt Ordnung ins Universum.
Das Alleserklärende verbannt das Unheimliche und schafft Sinnhaftigkeit. Jetzt wissen wir endlich, was Sache ist. Der Nebel lichtet sich; wir erkennen den Feind,
die Quelle unseres Unglücks, und wir können ihn kaltstellen. Denn er ist kein Abstraktum wie Kapitalismus, Judentum oder Kommunismus. Der Feind hat einen Namen. Früher hieß er Rothschild oder
Antichrist, heute heißt er Gates, an dessen Fäden die WHO, die Regierung und die Medien tanzen.
Der Streit zwischen Sinn und Unsinn wird nie enden. Umso weniger darf er aufhören. Es gibt einen Unterschied zwischen Fakt und Fake, Aberglauben und Aufklärung.
https://www.sueddeutsche.de/politik/vatikan-kirchlicher-aufruf-mit-verschwoerungstheorien-1.4901886
Vatikan: Kirchlicher Aufruf mit Verschwörungstheorien 9. Mai 2020, Süddeutsche Zeitung Annette Zoch
Der konservative Kardinal Müller unterschreibt mit anderen Geistlichen einen Text, der seltsame Thesen zu Covid-19 verbreitet. So warnt er vor der "Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht".
Die Unterzeichner beklagen, dass "unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie" Bürgerrechte wie das Recht auf Religionsfreiheit und freie Meinungsäußerung eingeschränkt würden. Im Stile von Verschwörungstheoretikern unken sie von Kräften, die daran interessiert seien, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen, um damit "dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen und der Verfolgung all ihrer Bewegungen" durchzusetzen. Dies sei der Auftakt zur "Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht". Scharfe Kritik an dem Aufruf kam vom Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer. "Kardinal Müller und diejenigen, die mit ihm diesen Aufruf unterzeichnet haben, entblößen sich selbst" schreibt Pfeffer. Er sei "fassungslos, was da im Namen von Kirche und Christentum verbreitet wird". Der Aufruf enthalte "krude Verschwörungstheorien ohne Fakten und Belege, verbunden mit einer rechtspopulistischen Kampf-Rhetorik". Pfeffer forderte: "Dem muss widersprochen werden!" Mit der christlichen Lehre hätten "derart wirre Thesen, die Ängste schüren, Schwarz-Weiß-Denken verfolgen", nichts zu tun.